Orang-Utans in Indonesien

Die Orang-Utans von Borneo

Gorillas im Kongo

Im Reich der Gorillas

Schimpansen in Ruanda

Im Land der tausend Hügel

Orang-Utans in Schönbrunn

Flirt mit den Orang-Utans

Die Orang-Utans von Borneo


Das Klotok tuckert gemächlich den Fluss Sekonyer, der sich als schlammbraunes Band durch den Dschungel Südkalimantans schlängelt, hinauf. Der Ziel der gemächlichen Reise im Flussboot ist Camp Leakey, die im Jahr 1971 von der kanadischen Primatologin Biruté M. Galdikas gegründete Forschungsstation zur Beobachtung von Orang Utans.

Das beruhigende Tuckern des Bootsmotors verhallt im Dschungel, die Zeit wird gedehnt und verschwindet hinter einem schläfrigen Schleier.

Der Fahrwind macht die feuchte Hitze erträglich, immer wieder umflattern Schmetterlinge den knatternden Kahn, und wenn es Abend wird, dann steigert sich das Zirpen von zigtausenden Zikaden zu einem flirrenden Crescendo, und in den Bäumen tauchen die Konturen von Makaken und Proboscis-Affen auf.

Am nächsten Morgen geht es weiter den Fluss hinauf und als das Klotok am Ziel ist, wartet Siswe bereits an der Anlegestelle. Die 40 Jahre alte Orang-Utan-Dame ist die Chefin hier in Camp Leakey, im Film „Planet der Affen“ würde sie die Rolle einer übergewichtigen, dominanten, aber zugleich auch liebenswürdigen und gutmütigen Matrone spielen.

Siswe hockt auffordernd am Steg, sie will Respekt und Aufmerksamkeit – am besten ein Stück Obst von den Besuchern. Mit Orang-Utan-Weibchen sollte man sich besser nicht anlegen: Sie haben die Kraft von fünf Männern, sagt man. Siswe ist aber friedlich und genießt sichtlich die Aufmerksamkeit, die ihr hier, am Steg von Camp Leakey, zuteil wird.

Camp Leakey ist nach dem britischstämmigen Anthropologen Louis Leakey benannt, der mit wichtigen Knochenfunden zum Nachweis beigetragen hatte, dass die Menschheit aus Afrika stammt.

Sein Beitrag zur Primatologie ist ein indirekter: Leakey hat 1960 die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall dazu motiviert, das Verhalten von Schimpansen zu studieren.

Die US-Zoologin Dian Fossey konnte 1966 Leakey davon überzeugen, dass sie die geeignete Person ist, Gorillas in Ruanda zu studieren, 1968 kam Biruté M. Galdikas auf Leakey zu, um ihn um Hilfe zu bitten, ihr bei der Erforschung der Orang-Utans zu helfen.

Leakey hoffte, dass sich aus Verhaltensbeobachtungen der Menschenaffen Rückschlüsse auf das Verhalten der Vormenschen ziehen lassen.

Gemeinsam mit der National Geographic Society ermöglichte Leakey es, dass Biruté Galdikas auf Borneo eine Forschungsstation einrichten konnte, um das Verhalten frei lebender Orang-Utans zu studieren.

Leakey hat vor allem Kolleginnen ermutigt, Menschenaffen zu erforschen, weil er glaubte, dass Frauen die besseren Beobachter seien, die Arbeit im Feld besser ertragen würden und die Konventionen einer von Männern dominierten Wissenschaft besser überwinden könnten.

Und mit Goodall, Fossey und Galdikas sollte die Öffentlichkeit eine neue Art von Forscherinnen kennenlernen, die ihre Wissenschaft nicht nur mit Akribie, sondern auch mit Leidenschaft vorantrieben.

In einem Museumsraum in Camp Leakey hängt die Titelseite einer schon etwas vergilbten Ausgabe des einflussreichen populärwissenschaftlichen Magazins „National Geographic“ vom Oktober 1975.

Auf dem Foto ist die junge Biruté Galdikas in einer Wiese zu sehen, ein Orang-Utan-Baby hat seine langen Arme um Galdikas Hals geschlungen, die Primatologin hält das Baby im Arm wie ihr eigenes Kind, an der zweiten Hand führt sie einen jungen Orang-Utan.

Mit dieser Covergeschichte wurde Galdikas in den Pantheon der Wissenschaft gehoben, eine Ehre, die vor ihr schon Goodall und Fossey zuteil wurde.

Goodall, Fossey und Galdikas waren die idealen Heldinnen einer neuen Ära der Primatenforschung, sie beließen es nicht nur bei der kühlen zoologischen Empirie, sondern sie wollten auch die Persönlichkeit, den Charakter und die Gefühlswelt der Primaten, die sie studierten, kennenlernen. Die männlich dominierte Wissenschaft hatte so etwas bis dahin als gefühlsduselige Anthropomorphie abgelehnt.

Aber die drei Forscherinnen bestanden darauf, dass Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans mit Gefühlswelt ausgestattete Wesen und keine seelenlosen Forschungsobjekte seien.

Orang-Utan-Matrone Siswe


Wenn man in die Augen von Orang-Utan-Dame Siswe sieht, wie sie am Steg hockt und einen freundlich und die anderen argwöhnisch anblickt, dann kann man das gut verstehen.

Noch besser versteht man es, wenn man tiefer in den Dschungel marschiert und auf einem der Pfade plötzlich auf eine Orang-Utan-Mutter trifft, die ganz stolz ihren Nachwuchs präsentiert oder wenn junge Orang-Utans die Besucher genauso neugierig beobachten, wie die Vertreter der Species Homo sapiens ihre nahen Verwandten Pongo pygmaeus.

Doch auch die vergleichende Genomik, eine kühle, numerische Wissenschaft, weiß über die nahe Verwandtschaft zwischen Gorillas, Orang-Utans, Schimpansen, Bonobos und Menschen: Die genetische Differenz zwischen Mensch und Orang-Utan beträgt 3,6 Prozent (bei Schimpansen 1,7 Prozent, bei Gorillas 2,3 Prozent).

Doch die Gensequenz-Analyse war 1971, als Galdikas ihr Lager in Borneo aufgeschlagen hatte, noch unbekannt.

Wo heute Holzstege und befestigte Wege die Besucher durch den Regenwald führen, musste die Forscherin durch den Schlamm waten, der ihr manchmal bis zu den Hüften reichte. Moskitos, Blutegel und Schlangen zum Trotz watete Galdikas damals hüfttief durch Wasser und Schlamm.

Schlangen und Taranteln waren auch Galdikas' unerfreuliche Begleiter, wenn sie tagelang den Orang-Utans auf der Fährte war.

Die Orang -Utans waren über ihre Verfolgerin damals auch nicht sonderlich begeistert und versuchten, sie mit gezielten Würfen von Aststücken und Exkrementen auf Distanz zu halten.

In Camp Leakey kann man den Tieren näher kommen: Die meisten Orang-Utans, die dort leben, wurden von Menschen konfisziert, die die Menschenaffen – illegal – als Haustiere hielten. In Camp Leakey werden sie wieder ausgewildert und an das Leben im Dschungel gewöhnt, bis sie auf Nimmerwiedersehen in der Wildnis verschwinden.

Für viele der ausgewilderten Orang-Utans bleibt der Urwald beängstigend, sie bleiben zeit ihres Lebens in der Nähe des Camps.

Vielleicht sind die zur Fütterungszeit auf Holzplattformen ausgelegten Bananen ein Grund, in der Nähe des Camps im Tanjung-Puting-Nationalpark zu bleiben, vielleicht ist es auch der Schutz, den sie hier vor ihrem größten Feind genießen: dem Mensch.

Denn außerhalb des Nationalparks sind die Waldbewohner nicht sicher: Über eine Million Hektar Wald – und damit der Lebensraum der Orang-Utans – werden jedes Jahr in Indonesien gerodet: Das ist so viel Fläche wie drei Tanjung- Puting-Nationalparks. Jedes Jahr.

6000 Orang-Utans, so Santoso, leben im Nationalpark Tanjung Puting, mehr verträgt der Nationalpark auch nicht, 56.000 sind es auf der Insel Borneo.

Doch der Lebensraum für die Orang-Utans wird Jahr für Jahr weniger, und so flüchten die Tiere in den Park.

Eddiy Santoso, er stammt aus Jakarta, stemmt sich gegen die Brandrodung, die Kettensägen, die Minenunternehmen, Teak-Holz-Händler und Palmöl-Plantagenbesitzer.

Santoso, ein Mann mit dunklen Augen und dunklem Bart, einem sanften Lächeln und einer ruhigen Stimme glaubt, dass sanfter Tourismus und eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft die Zukunft für Kalimantan sind. Dafür kämpft die Umweltorganisation Yankorin, für die er arbeitet.

Yankorin sorgt dafür, dass die Polizei Umweltsünder, die im Gebiet des Nationalparks Bäume fällen oder Plantagen anlegen, verfolgt.

Die Organisation versucht, der lokalen Bevölkerung den Wert der Naturschönheit des Parks zu vermitteln und den Tourismus zu fördern.

Doch Wilderer töten noch immer Orang-Utan-Mütter, um die Jungen an Zoos oder als Haustiere zu verkaufen; und hunderte Kilometer nördlich von hier, im Herzen von Borneo, töten die Angehörigen des Dayak-Stammes angeblich bis heute Orang-Utans, um sie zu essen.

Man hat die verkohlten Knochen von Orang-Utans an der Seite frühmenschlicher Fossilien gefunden, was darauf hindeutet, dass Orang-Utans schon vor mehr als 30.000 Jahren auf dem Speisezettel der Menschen gestanden sind.

Eddy Santoso sagt, es sei Zeit, dass die Menschen Frieden schließen mit ihren Artverwandten und sie mit jenem Respekt behandeln, den man seinen Vorfahren schuldet.

In der von Yayorin in der 200.000-Einwohnerstadt Pangkalan Bun betriebenen Ecolodge können Touristen, die zu den Orang-Utans wollen, übernachten, und sie können zum Abschied einen Baum pflanzen.

An den Wänden der Flughafen-Halle des acht Kilometer südöstlich vom Zentrum von Pangkalan Bun gelegenen Flughafens Iskandar wird der Widerspruch deutlich: links eine Werbetafel für Orang-Utan-Tourismus, rechts ein Plakat einer Teakholz-Firma. Doch man wird nicht beides haben können im Süden Borneos.

Im Reich der Gorillas


Schon beim Geldwechseln nach der Landung am Flughafen Kigali in Ruanda ist klar, dass man im Reich der Gorillas gelandet ist.

Denn auf der Vorderseite des 5000-Francs-Scheins – die Farbe erinnert an den 10-Euro-Schein (die 5000 Francs haben einen Gegenwert von etwas weniger als 6 Euro) – ist ein stattlicher Silberrücken zu sehen.

Mit dem Geländewagen geht es von Kigali über die ruandesisch-kongolesische Grenze nach Bukavu und von dort zur Ranger-Station des Nationalparks Kahuzi-Biéga.

Gemeinsam mit den Trackern geht es dann über eine Teeplantage in den Urwald, einer der Tracker schlägt einen Pfad durch die immer dichter werdende Vegetation.

Es geht immer tiefer hinein in den Dschungel, der Pfad läuft bergauf, bergab durch immer steileres Gelände. Und gerade, als die ersten Zweifel an der Sichtung der Gorillas aufkommen, entdecken die Tracker zuerst den Dung und dann die Nester der Chimanuka-Gorillafamilie.

Nach ein paar Minuten, der Fährte der Gorillas folgend, sieht man ihn stolz auf einer Lichtung sitzen: Chimanuka, den Silberrücken.

Chimanuka ist ein Exemplar der Ost-Tieflandgorillas (Gorilla beringei graueri), wie man sie noch im Kahuzi-Biéga-Park findet, und die eng mit den Berggorillas (Gorilla beringei beringei) – denen die Forscherin Dian Fossey in ihrem Buch „Gorillas im Nebel“ ein Denkmal gesetzt hat – verwandt sind.

Tieflandgorillas sind größer und haben ein längeres Gesicht als ihre Artverwandten in den Bergen des Virunga-Nationalparks. Insgesamt gibt es im Kahuzi-Biéga-Park nur mehr neun Gorilla-Familien. Habituiert, das heißt an Menschen gewöhnt, sind allerdings nur zwei.

In die Nähe der anderen sieben lassen die Parkranger nur bei der Parkverwaltung akkreditierte Forscher – zum Schutz der Gorilla-Population.

Denn in diesem Teil des Kongo gab es immer wieder Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen, und die Rebellen jagten die Gorillas, um sie in ihren Dschungelbasen als Nahrungsquelle zu nutzen.

Um zu verhindern, dass die Gorillas sich zu sehr an Menschen gewöhnen und damit bei einem Wiederaufflammen der Konflikte noch leichter zur Zielscheibe werden, lässt man Touristen nur zur Familie der Silberrücken Mpungwe und Chimanuka.

Der Chimanuka-Clan besteht aus 36 Gorillas, darunter 17 Weibchen und 18 Junge. Chimanuka hat vor einiger Zeit in einem harten Zweikampf seinen Rivalen Mugaruka besiegt.

Sein Harem und die Kinder Mugarukas sind seither in den Chimanuka-Clan eingegliedert.

Drei Dinge gibt es, um die Gorilla-Männchen kämpfen: Territorium, Nahrung, Weibchen. Bei manchen männlichen Vertretern der Species Homo sapiens soll es ähnlich sein.

Wenn Touristen kommen, ignoriert Chimanuka die Besucher so gut es geht. Manchmal, wenn sie ihm oder den Familienmitgliedern zu nahe kommen, grunzt er leise oder wirft den Menschen einen strengen Blick zu.

Die Parkranger achten darauf, dass die Menschen die Gorillas nicht zu sehr stören und Mundschutz-Masken tragen – denn niemand will riskieren, dass Krankheiten auf die gefährdeten Artverwandten übertragen werden.

Die Besuchszeit ist strikt limitiert: Nach einer Stunde bei den Gorillas ist eigentlich Schluss, doch die Ranger zeigen sich meist großzügig, und es dürfen, wenn die Besuchergruppe klein ist, auch mal zwei Stunden werden.

Wenn Chimanuka und die Mitglieder seines Clans genug Blätter zwischen die Zähne bekommen haben, zieht sich die Gruppe in ein schattiges Nest zur Siesta zurück.

Die einen widmen sich der Fellpflege, andere halten ein Verdauungsschläfchen, die kleinsten suchen die Nähe ihrer Mütter. Chimanuka liegt am Rücken und starrt in den Himmel.

Im Land der tausend Hügel


Der Weg zurück nach Ruanda führt über den Grenzübergang Ruzizi I, in den Nyungwe Nationalpark, der zahlreiche Primatenarten beheimatet. Die schwarz-weißen Colobusaffen etwa, aber die größte Attraktion im immergrünen Bergwald sind die Schimpansen.

Auf dem Weg zur Fußsafari begegnet man kurz nach Sonnenaufgang den Teepflückerinnen, die die morgentaubehafteten jungen Blätter von den Teepflanzen reißen. Der Blick über die dampfenden Teeplantagen und die geschwungenen Horizontlinien ist atemberaubend. „Pays des mille collines“ nennt man Ruanda, das Land der tausend Hügel.

Die Park-Tracker haben die Schimpansen schon in aller Früh ausgemacht und lotsen die Parkranger – die Touristen im Schlepptau – immer tiefer in den Urwald. Die Kronen der Baumriesen bilden bald ein geschlossenes Blätterdach, dunkel und schattig.

Man hört das aggressive, hysterische Kreischen der Schimpansen schon von weitem: ein richtiges Affentheater. Zu sehen ist von ihnen: Null.

Doch dann sieht man Bewegung in den Ästen, und einmal kreuzt ein Vertreter der Art Pan troglodytes sogar seelenruhig den Pfad der Safari-Gruppe.

1900 haben nach Schätzungen von Primatologen noch über eine Million Schimpansen im Tropengürtel zwischen dem Senegal im Westen Afrikas und Uganda sowie Tansania im Osten gelebt, heute sind es vielleicht noch 200.000.

Die Forscherin Jane Goodall, die die Schimpansen in den 1960er Jahren in ihrer Forschungsstation in Gombe in Tansania studierte, war von ihnen fasziniert: Sie entdeckte, dass Schimpansen Werkzeuge gebrauchen, Zweige abbrechen und mit ihnen Termiten aus den Löchern ihrer Bauten angeln oder Steine als Hammer und Amboss verwenden, um Nüsse zu knacken.

Heute wissen die Forscher, dass Schimpansen wie Menschen lokale Traditionen besitzen, dass es kulturelle Unterschiede gibt. Schimpansen aus dem Gombe-Nationalpark in Tansania, so wie Goodall sie erforscht hat, töten leidige Parasiten, indem sie sie auf Blättern zerquetschen.

Im Taï-Nationalpark im Südwesten der Elfenbeinküste zerquetschen sie die lästigen Insekten oder Egel mit den Fingern am eigenen Unterarm, wie Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig herausgefunden haben.

Dort beschäftigen sich die Wissenschafter mit der „Kultur der Schimpansen“ und erklären mit einem menschlichen Vergleich, was sie da eigentlich erforschen: Chinesen essen mit Stäbchen, Europäer mit Messer und Gabel. Bei Schimpansen gebe es ähnliche Unterschiede.

Doch bevor man die Lebensweise der Schimpansen wirklich erforscht haben wird, sind die nächsten Verwandten des Menschen vielleicht ausgerottet.

Vor sechs Millionen Jahren hat der Mensch eine andere evolutionäre Entwicklung genommen als die Menschenaffen. Die Menschen sind hinaus in die Savanne, haben den aufrechten Gang entwickelt, die Menschenaffen blieben im Wald zurück.

Die sechste Welle des Massen-Aussterbens von Tieren und Pflanzen in der Geschichte unseres Planeten ist in vollem Gang, wie Elizabeth Kolbert in ihrem Buch „Das sechste Sterben: Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt“ erzählt.

Früher waren monumentale erdgeschichtliche Ereignisse die Ursache für das Artensterben, heute ist es der Mensch.

Doch das vom Menschen verursachte Aussterben der Menschenaffen ist wie ein Großvater-Mord: Die Menschheit würde damit den Spiegel zerbrechen, in dem der Mensch seine Vergangenheit als Tier betrachten kann, das Band, das uns mit unserer naturgeschichtlichen Vergangenheit verbindet, wäre zerschnitten.

Flirt mit den Orang Utans im Tiergarten Schönbrunn


Wenn Nonja schlechte Laune hat, dann ist der Grund meist Vladimir. Vladimir ist das einzige Männchen im Orang-Utan-Gehege im Zoo von Schönbrunn, und manchmal läßt Vladmir, wie sich das für das Alpha-Männchen gehört, den Macho heraushängen.

Nonja ärgert sich dann, sie geht nach vorne an die Panzerglasscheibe und lässt ihren Frust an den Kindern aus, wenn welche da sind.

Nicht, weil Nonja Kinder nicht gerne hätte, sondern weil Kinder so schön erschrecken, kreischen und aufgeregt weglaufen, wenn Nonja ihre Zähne fletscht und gegen das Glas schlägt. Die Erwachsenen sind da viel cooler, es gibt weniger Reaktion und damit weniger Spaß für Nonja.

Nonja ist eben eine Diva, sie kam am 21. April 1974 im Tiergarten Schönbrunn zur Welt, sie wurde als Malerin bekannt, als sie im Rahmen eines Beschäftigungsprogrammes in den 90er Jahren zu Pinsel und Farbe griff und 250 Gemälde anfertigte. Für ein Bild wurden damals bis zu 28.000 Schilling, umgerechnet rund 2000 Euro, bezahlt.

Stefanie Stenitzer, Pflegerin der Orang-Utans im Tiergarten Schönbrunn kennt Nonjas Marotten. „Wenn es ihr einmal nicht so gut geht, sucht sie den Kontakt zu uns. Mit Reden oder sie ein wenig Kraulen kann man ihr schon helfen“, sagt sie.

Von den Orang-Utans hat eben jeder seinen eigenen Charakter, sagt Stenitzer. Vladimir, das einzige Männchen, das noch den Schein des Alpha-Männchens aufrecht hält, Mota, sie ist schon eine alte Dame, die sich nur mehr wenig den Besuchern zeigt und die 1996 in Schweden geborene Sol – sie ist die jüngste des Orang-Utan-Quartetts in Schönbrunn. Sie ist der Liebling der Besucher. Neugierig, quirlig und fast immer guter Laune.

Sol war so etwas wie das Nesthäkchen. Als sie nach Wien kam, lief bei allen anderen das Kindchenschema-Programm ab: Vladimir hat sie als Ersatz-Tochter adoptiert, Nonja, die sonst zu ausgewachsenen Weibchen „ein zwiespältiges Verhältnis“ hatte, wie Stenitzer sagt, ebenso.

Sol konnte sich alles bei Nonja erlauben, ihr sogar das Essen aus dem Mund nehmen. Doch diese Zeiten sind vorbei, Sol muss ein wenig vorsichtiger agieren, sie ist einfach die Schwächere gegenüber Nonja.

Die Orang-Utans im Zoo von Schönbrunn zu beobachten ist eben etwas anderes als die Zebras oder die Eisbären zu sehen. Sie zeigen komplexes Verhalten, und manchmal scheint es, als wolle die Natur uns in der Gestalt unserer Primaten-Zeitgenossen einen Spiegel vorhalten und uns zuflüstern: „So verschieden, Mensch, bist du nicht.“

Was ja auch stimmen würde: „Sie sind an allem interessiert, neugierig von früh bis spät. Wir geben ihnen manchmal Werkzeug, das wir auch benützen, dann sind sie ewig damit beschäftigt, die Anlage zu ‚säubern‘, wie wir das machen. Naja, das ist eher wie Dreck verteilen, was sie da machen, aber sie bemühen sich, zu kopieren, was wir tun.“

Klingt wie ein kleines Kind, das tun will, was Mama macht. Primaten lernen eben durch Beobachten und Nachvollziehen der Handlungen anderer. Und daher sei es auch schwierig, die Orang-Utans bei Laune zu halten, da sie ständig Input brauchen.

„In gewisser Weise sind wir limitiert: Sie dürfen sich nicht wehtun mit den Beschäftigungen, die wir ihnen geben. Wir könnten ihnen ja alles Mögliche geben, aber wenn sie sich dann mit den Werkzeugen oder Spielsachen verletzen, dann ist das nicht sehr zielführend. Sich da immer wieder etwas Neues zu überlegen, was ihnen Spaß macht und ihnen aber auch nicht gefährlich wird, ist eine Herausforderung“, sagt Stenitzer.

Welchen Rat hat Stenitzer für die Besucher? Am besten ist, man nimmt sich Zeit, setzt sich einfach mit einem Buch vor die Glasscheibe, sagt sie. Nicht zu offensichtlich anstarren, nicht um Aufmerksamkeit heischen, das funktioniert meist nicht. Also eher ein sanfter Flirt und keine Anmache.

Ein Buch lesen, die Haare pflegen, Hautcreme oder Lippenstift auftragen, malen, in der Tasche kramen und bunte, interessante Dinge hervorholen. „Dann kommen sie und schauen, was man da macht. Dann ist das Interesse geweckt, und man kann ihr Herz gewinnen.“