Roller Riot

Vollkontakt auf Rollschuhen:
Das Heimspiel der Wiener Roller Derby Mannschaft –
eine Reportage

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Punkrock dröhnt in voller Lautstärke aus den Lautsprechern, als Knock Out Nora, Karma Kalashnikov und ihre Kolleginnen einrollen. Jede der jungen Frauen auf Rollschuhen trägt Helm, Leggings, Mundschutz.

Die Kriegsbemalung an den Wangen soll die Gegnerinnen einschüchtern, die Frontfrau schwenkt die Vereinsfahne.

Das Logo: eine Mucki zeigende Amazone, von deren Bizeps ein Paar Rollschuhe herabbaumeln. Es ist das dritte Heimspiel der Vienna Roller Derby Mannschaft der Saison.

In Wien-Liesing treten sie gegen die Roller Girls aus Dresden an. Zu Beginn des Matches ziehen die Spielerinnen beider Teams erhobenen Hauptes in die Sporthalle ein, begleitet von Pfiffen und Jubel von der Zuschauertribüne.

Die ausgelassene Wettkampf-Atmosphäre zieht sofort in ihren Bann, 60 Minuten lang wird das unübersichtliche Spektakel mit großen Augen mitverfolgt – und den Blick von diesen starken, oftmals tätowierten Kämpferinnen zu lassen, ist fortan sowieso keine Option mehr.

Die punkige Inszenierung gehört zum Derby-Style dazu und vernebelt im ersten Augenblick den Blick auf das, was Roller Derby ausmacht: Hinter dem angriffslustigen, körperlich anstrengenden Sport steckt viel Training, hinter dem augenscheinlich unübersichtlichen Tumult viel Taktik und Strategie.

Knie gebeugt, Oberkörper nach vorne gelehnt: Zehn Frauen harren in Angriffspose aus, bis ein scharfer Pfiff ertönt. Das Spiel beginnt, es wird gerempelt, gerangelt und gestoßen, was das Zeug hält. Die Szene erinnert an Rugby oder American Football, aber Roller Derby, dieser Vollkontaktsport auf Rollschuhen, wird ohne Ball gespielt.

Eine der Frauen boxt sich durch, wie so oft ist es die Jammerin Victoria Siempre, die in der ovalen Bahn davonskatet.

Jede Mannschaft besteht aus je einer Jammerin und vier Blockerinnen. Die Jammerin macht Punkte, indem sie die gegnerischen Spielerinnen überholt. Für jede Gegnerin, an der sie vorbeiflitzt, gibt es einen Punkt. Die Gegnerinnen versuchen, sie aufzuhalten.

Dabei ist vieles erlaubt, aber nicht alles: Mit der Hüfte oder der Schulter darf geblockt werden, Rücken, Arme und Beine sind tabu. Schön langsam versteht man, warum das Regelwerk über 70 Seiten umfasst. Ein Bout – so heißt das Match – besteht aus zwei Halbzeiten und dauert, Pause nicht mitgerechnet, 60 Minuten.

Aus den Lautsprechern dröhnt „Bad Reputation“ von Joan Jett, zwei Frauen am Mikro heizen mit ihren Durchsagen die Stimmung zusätzlich an. Jeder Durchgang, Jam genannt, dauert maximal zwei Minuten, kann aber von der Leadjammerin aus taktischen Gründen früher abgebrochen werden. Es folgt eine halbe Minute Pause, anschließend wird neu aufgestellt, und neue Spielerinnen kommen auf das Spielfeld.