Der Vater und der Sohn

In der Einflusssphäre Russlands

Seit 26 Jahren befindet sich Transnistrien in der Schwebe. Damit blockiert es auch den Weg der Republik Moldau in die Europäische Union. „Die Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind zwar unabhängig, aber gehören nach wie vor zur unmittelbaren Einflusssphäre Russlands“, sagt Hannes Meissner vom Kompetenzzentrum Schwarzmeerregion.

Im Falle einer Angliederung an Russland lasse sich ein verschärfter Konflikt mit der internationalen Staatengemeinschaft laut Meissner nicht vermeiden. Ion Manole von Promo Lex beschreibt den Konflikt wie folgt: „Moldau ist die Geisel Russlands, Transnistrien nur die Kette.“

Halbierung der Population

Vielleicht ist ja gerade die fehlende Zukunftsperspektive der Grund, warum die Bevölkerung lieber in der Vergangenheit verharrt, als an Morgen zu denken? Das führt dazu, dass immer mehr junge Menschen abwandern. Seit 1989 hat sich die Population von 750.000 auf 400.000 beinahe halbiert. Doch die Regierung kommuniziert die Zahlen nicht öffentlich.

Laut dem Journalisten Sergej Ilcenco ist die Einwohnerzahl Transnistriens ein „Staatsgeheimnis“. Niemand wisse, wie viele Menschen wirklich gegangen sind. Ilcenco hat sich jahrelang kein Blatt vor den Mund genommen. Einmal veröffentlichte seine Zeitung einen Hintern auf ihrem Cover mit der Überschrift: „Das ist das Bild von Transnistrien in der Welt.“

Im Exil

Später wurde er dem Präsidenten ein Dorn im Auge. Für drei Monate wanderte der 57-Jährige damals ins Gefängnis. Heute wohnt Ilcenco mit seinem Sohn Nicolai im Exil in Chişinău. Das Flüchtlingsheim, in dem Vater und Sohn leben, liegt in einer Plattenbausiedlung in der Nähe des Flughafens. Außer einem Fußballplatz und einer Spelunke gibt es nicht viel zu sehen.

Vater und Sohn sind östlich des Dnister als Unruhestifter bekannt, unter anderem deswegen, weil sie am Maidan in der Ukraine protestiert haben. Die KGB-Beamten parkten über Tage vor ihrem Haus. Ilcenco klopfte an die Scheibe und fragte, ob er den Beamten vielleicht einen Kaffee bringen könnte? Von da an war die „Schonphase“ vorbei.

Bei der nächsten Ausreise nach Odessa wurde der Journalist lange und gründlich gefilzt. In der Zwischenzeit brach jemand in seine Wohnung ein, knackte sein Computer-Passwort und durchsuchte seinen Skype-Account. Bevor Ilcenco seine Sachen packen konnte, wurde er verhaftet.

Jetzt gibt es für ihn kein Zurück mehr. Er möchte in Europa um Asyl ansuchen, um wieder als Journalist Fuß zu fassen. „Aber davor will ich noch etwas versuchen“, schmunzelt Ilcenco, während er über den Fußballplatz schlendert. Er möchte Präsident von Transnistrien werden.

Zur Wahl am 11. Dezember will er sich als erster pro-europäischer Kandidat aufstellen lassen. Die Leute fragen, ob er verrückt geworden ist, wenn er ihnen von dieser Idee erzählt. Dann zuckt Ilcenco die Schultern. Es ist sein letzter Versuch der Welt zu zeigen, dass wir es östlich des Dnister mit keiner Demokratie zu tun haben.