Sechs Menschen, sechs unterschiedliche Jobs auf der Bühne der Weltdiplomatie. Eine Reportage aus der Wiener UNO-City.

Text: Sabine Ertl
Fotos: Sabine Ertl & Stanislav Jenis
Gestaltung & Entwicklung: Cornelia Hasil

New York, Genf, Nairobi, Wien. Einer der vier Hauptsitze der Vereinten Nationen steht in der Stadt an der Donau, seit genau 37 Jahren. Im 22. Wiener Gemeindebezirk, Wagramer Straße 5 mit der internationalen Postleitzahl 1400.

Die UNO-City ist das Aushängeschild von Wiens Internationalität und fungiert als glänzendes Parkett für Spitzendiplomaten. Zu Recht, denn sie wirkt von außen betrachtet ehrwürdig und souverän. Doch wer kennt sie von innen, hat jemals hinter die Kulisse geschaut und weiß, was dort passiert, wer dort arbeitet?

Rund 4500 Menschen aus 120 Ländern - ein Drittel davon sind Österreicher - strömen tagtäglich zu ihrer Arbeitsstätte. Zu Fuß, mit dem Auto, dem Bus oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die rote U-Bahn-Linie, die U1, bleibt quasi direkt vor der Haustüre stehen.

Der Weg in die Bürotürme führt durch strenge Sicherheitskontrollen wie am Flughafen. Danach gelangt man ins Haupthaus, dem Gate 1, und befindet sich, nachdem man den großen Platz betreten hat, augenblicklich außerhalb des Landes. Man hat österreichisches Staatsgebiet verlassen. Ein Besuch auf dem exterritorialen Gebiet beginnt.
Ein aufregender Gedanke.

Angekommen ist man am „Memorial Plaza“. Seit 2004 heißt der Platz so, in Gedenken an alle UN-Mitarbeiter, die bei der Ausübung ihrer Arbeit ums Leben gekommen sind. Dort wehen die Fahnen der 193 Mitgliedsländer – in alphabetischer Anordnung – je nach Wind und Wetter. Man ist offensichtlich im Ausland. Das kann man:

Sehen

Manche Damen und Herren tragen Laptoptaschen oder ziehen Trolleys hinter sich her, was eine rege Reisetätigkeit erahnen lässt. Sie queren eilig den Platz, sind büroadäquat, stilvoll elegant in dunklen Anzügen und Kostümen gekleidet. Der westliche Business-Look dominiert allenfalls, doch da und dort stechen auch die Landestrachten von UNO-Mitarbeiterinnen aus aller Welt ins Auge.

Bunte Kleider aus Afrika oder Asien mit den typischen Accessoires, vor allem bei den weiblichen Bediensteten. Abgesehen von den Spitzenzeiten – Dienstbeginn und Büroschluss – wirkt der Platz bisweilen sehr leer.

Hören

Kosmopolitisch ist das Sprachengemisch, das sich in der Sekunde ineinander verliert. Immer wieder schiebt sich eine Besuchergruppe vorbei, die meist dicht an den Fersen des Tourguides hängt. Dann gibt es wieder deutsche oder englische Wortkaskaden zu hören ("Glad to see you here.").

Fühlen

Auf immerhin 17 Hektar erstreckt sich das Gelände, auf dem der UN-Gebäudekomplex steht. Zwischen 1973 und 1979 wurde daran nach den Plänen des österreichischen Architekten Johann Staber gebaut. Markant bildet die Anlage die Grundform eines Ypsilons. Innehaltend bemerkt man diese, sie ähnelt einer Wabenstruktur: Sie bildet eine sechseckige Form und ist so angeordnet, um sich so wenig wie möglich zu beschatten. Ein schöner Gedanke.

Die Spurensuche in den Gefilden der Weltdiplomatie führt durch sämtliche Bürogebäude und trifft auf Menschen, die sich mit Freude für die Vereinten Nationen engagieren.

Es erzählen sechs UNO-Mitarbeiter in sechs unterschiedlichen Gesprächen über ihre Arbeit und ihr Leben. Mit dabei sind ein eloquenter Wild- und Artenschutz-Diplomat, eine temperamentvolle Chemikerin, eine geadelte Astrophysikerin, ein sprachgewandter Konferenzdolmetscher, eine multilinguale Diplomatenanwärterin und eine Grande-Dame des UNO-Untergeneralsekretariats.

Gebäudeplan

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Steckbrief

  • Name: Patricia Musoke
  • Geburtsland: Uganda
  • Aufgewachsen in: Uganda, Kanada
  • Tätigkeit: Projektmanagerin in der Abteilung für Nuklearwissenschaften und Anwendungen bei der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO)

Das Bild von Wissenschaftlerinnen ist gemeinhin ein nüchtern Sachliches. Das Strahlen im Gesicht von Frau Musoke zeichnet ein anderes Bild. „Ja, ich bin sehr emotional. Ich tanze, ich bin mit der Kunst sehr vertraut. Im Gegensatz dazu sind Wissenschaftler immer sehr logisch. Ich bin beides.“

Das Treffen findet paradoxerweise in einem Konferenzraum mit ungezählt 50 leeren Stühlen im IAEO-Gebäude statt. Vor uns auf dem nackten Tisch stehen zwei Gläser Wasser. Noch dazu befindet sich hinter Frau Musoke ein unbeschriebenes Flipchart. Das macht aber nichts. Ihre Persönlichkeit nimmt den gesamten Raum ein.

Die Chemikerin kommt aus Uganda und hat in Toronto studiert. Und hat dort auch ihr halbes Leben verbracht. „Kanada ist so anders als Österreich“, sagt sie. Ein Land mit extrovertierter Kultur. Hier sei man eher introvertiert. Aber sie sei gut angekommen in Wien.

Ihre momentane Aufgabe ist es, die Renovierung von acht IAEO-Laboratories im niederösterreichischen Seibersdorf auf dem Gelände des Austrian Institute of Technology (AIT) zu leiten. Eine wichtige Arbeit. Sie sei immer schon von Jobs mit höherer Verantwortung angetrieben gewesen, deshalb passe die Atomenergiebehörde gut zu ihr.

MOSKITOS STERILISIEREN

Welche Aktivitäten passieren denn in Seibersdorf? Hier wurden beispielsweise im April rund 35 Teilnehmer aus 26 Ländern geschult wie man Zika bekämpft. Man versuche, eine Methode zu finden, mittels Bestrahlung männliche Moskitos zu sterilisieren. Zum Einsatz komme eine „absolut sichere Technik“. Frau Musoke bestätigt: Es gehe um eine Verhütungsmethode.

Im Wesentlichen sei es ihre Aufgabe, Nukleartechnologie zu erklären, ihre Funktionsweise und ihre praktische Anwendung. Und vor allem: Die Idee der friedlichen Nutzung zu kommunizieren.

Ganz im Sinne von US-Präsident Dwight D. Eisenhower. Eisenhower schlug im Dezember 1953 im UN-Headquarter in New York in seiner berühmten „Atoms for Peace“ Rede Rede vor, dass eine Organisation geschaffen werden müsse, die der friedlichen Entwicklung der Atomenergie weltweit dienen solle.

Nukleartechnologie habe gewissermaßen und naturbedingt oft, weil man das Risiko kenne, einen negativen Beigeschmack. Aber die nützlichen Aspekte werden kaum aufgezeigt. Vor allem die Anwendungen im täglichen Leben.

Ein naheliegendes Beispiel sei die Applikation von Kerntechnologie auf das Problem von Verschmutzung von Oberflächen- und Grundwasser. Konkret hört sich das bei Frau Musoke so an: „Schauen Sie nur auf das Glas Wasser hier am Tisch.“

DIE UNO ALS METAPHER

Ob sie denn gerne, um die UNO als Weltorganisation zu beschreiben, eine Metapher verwenden würde? „Ja“, sagt sie. Sie würde die Elemente des Universums wählen. Warum? „Es ist ein Ort, an dem Dinge, die zunächst unmöglich erscheinen, zusammengebracht und ermöglicht werden.“

Wie könnte dieses Bild aussehen? „Das Universum verschränkt die Hände in einander. Hände von unterschiedlichen Hautfarben, nur um zu verdeutlichen, dass – wenn wir zusammenarbeiten – auch einiges erreichen können. Dann kommt die göttliche Kraft dazu und setzt den Rest um.“

Was treibt sie an? Erstens, Teil einer Organisation zu sein, die zum Weltfrieden beiträgt. Zweitens, und das ist für sie eine wahre Herzensangelegenheit: Andere „Persons of Colour“ wahrzunehmen. Frauen, Mütter, Töchter. Diese zu inspirieren und zu pushen, sagt sie mit Nachdruck.

MENTORIN IN UGANDA

Genau das macht Patricia Musoke in Uganda, in ihrer Heimat. Dort ist sie eine Mentorin: Sie launchte vor Ort ein Projekt, das Mädchen für Technologie begeistern soll. Als Gründerin von Shine ist es ihr wichtig, folgende Botschaft zu deponieren: „Mädchen: In der Technologie und Wissenschaft hat man es gut.“

“When we empower girls, we brighten the social and economic future of entire generations, because we can break cycles of poverty in just a single generation.“
Patricia Musoke

Die Augen der 44 Mädchen haben vor Begeisterung geleuchtet, erzählt sie. „Sie alle haben mir versprochen, der Wissenschaft eine Chance zu geben.“ Viel an Emotion begleitet ihre Stimme.

Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen.

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Steckbrief

  • Name: Miriam Baghdady
  • Geburtsland: Österreich
  • Aufgewachsen in: Österreich
  • Tätigkeit: Tourguide

„Vielleicht haben Sie nicht gewusst, dass die Republik Österreich mit 65 Prozent und die Stadt Wien mit 35 Prozent Eigentümer der UNO-City ist. Hauptmieter sind die Vereinten Nationen. Für die Miete wurde jährlich bis 2001 ein Schilling und mit der Einführung des Euro 7 Cent bezahlt. Der Mietvertrag läuft für 99 Jahre.“ So könnte sich eine Passage bei einer Führung in der UNO-City anhören.

Es mag vorstellbar sein, dass den Besuchern ein „Ah“ und „Oh“, „Interessant“ oder sogar die Frage entschlüpft: „Ja, wie ist denn das nach den 99 Jahren?“ Auf solche Fragen müssen die Tourguides der UNO gewappnet sein. Sie werden auch immer wieder erklären müssen, warum der „normale“ Besucher nicht in die hauseigene Kantine essen gehen oder im „Commissary“ einkaufen darf. Letzteres ist der steuerfreie Supermarkt in der UNO-City.

60.000 BESUCHER

Gekleidet sind sie meist in einem dezenten Dunkelblau. Die Herren tragen Anzüge und die Damen Kostüme mit einem Stecktuch. Bei Wind und Wetter holen sie die Besucher vom Gate 1 ab und entführen sie auf internationales Territorium.

Nicht ohne sie vorher gewissenhaft abzuzählen oder die Besucherbadges durchzuscannen und dann wieder sicher zurück nach Österreich zurückzuführen. Montag bis Freitag: 11, 14 und 15.30 Uhr. Letztes Jahr kamen fast 60.000 Besucher.

Eine, die das mit Liebe macht, ist Frau Baghdady. Sie kommt energiegeladen zum Gespräch, im Anschluss danach hat sie eine Führung: „Es ist ein abwechslungsreicher Job“, erklärt sie in einem zu dieser Zeit freien Konferenzsaal von UNIS, dem Informationsdienst der UNO.

SPRACHEN ALS STARTVORTEIL

Aufgewachsen ist sie in Mürzzuschlag in der Steiermark. Zweisprachig. Denn ihre Eltern kommen aus Ägypten. Mittlerweile spricht sie Deutsch, Arabisch, Französisch und Englisch fließend. Das gesamte Team beherrscht sogar über 16 Sprachen, erzählt sie.

Der internationale Aspekt und das wirklich echte Interesse für die Tätigkeit und Werte der Vereinten Nationen sowie am politischen Geschehen seien Voraussetzungen für den Job. Exzellente Kommunikationsfähigkeit und Sprechfertigkeit ebenso

Frau Baghdady lebt die Internationalität der UNO jeden Tag, bis zu 19 Stunden in der Woche. Sie arbeitet studienbegleitend vor Ort. „Besonders, wenn ich in der Früh reinkomme und die wehenden Fahnen aus aller Welt sehe, schlägt mein Herz höher“, sagt sie.

DIE UNO ALS VORBILD

„Manchmal geht man wirklich in die Tiefe, interagiert mit der Gruppe intensiv und erfährt viel über andere Kulturen und Länder. Man kann sich ein eigenes Bild machen und daran arbeiten, wie die Zusammenarbeit in Zukunft noch viel besser aussehen könne“, erzählt sie. Unternehmen können sich sehr viel von der Arbeitsweise in der UNO abschauen, als „best practice“ sozusagen. Diese funktioniere gut, obwohl man so unterschiedlich wie nur vorstellbar sei.

„Grundsätzlich würde mich eine Karriere in der Diplomatie reizen“, sagt sie.

Über einen solchen möglichen Werdegang hat sie sich bereits gut informiert: Bewerbung beim Außenministerium, eine Ausbildung eben dort, ein Stage, also ein Praktikum in einer Auslandsbehörde und ein erfolgreiches Préalable. Dann erst werde man im diplomatischen Dienst eingesetzt, sagt sie und lacht bei diesem Gedanken herzlich. Vielleicht aus Vorfreude.

Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen.

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Steckbrief

  • Name: Lirong Wang
  • Geburtsland: China
  • Aufgewachsen in: China
  • Tätigkeit: Senior-Konferenzdolmetscher in den Arbeitssprachen Chinesisch und Englisch

Sidney Pollack hat mit seinem Streifen „Die Dolmetscherin“ eindrucksvolle Bilder aus den UN-Headquarters in New York geliefert. Er projiziert die essentiell enge Beziehung zwischen Dolmetscher und Delegierten in die Köpfe der Zuschauer. Die Rolle der UN-Übersetzer ist tragend. Auch das kleinste Wort hat eine Bedeutung und muss konkret übersetzt werden. Einer, der dies mit absoluter Präzision und Loyalität macht, ist Lirong Wang.

Treffpunkt ist vor dem Gebäude C. Im Lift geht es empor zum Konferenzsaal und zu den Dolmetschkabinen. Der Weg führt enge Gänge entlang zur Kabine für die Übersetzung Englisch-Chinesisch. Der Blick fällt in einen leeren Konferenzsaal.

„Ein Glück“, sagt er. So können wir später runtergehen und einen Hauch der Atmosphäre von unten erhaschen. Doch vorerst zeigt Herr Wang stolz seinen Arbeitsplatz und erklärt: „Meine Arbeitssprachen sind Chinesisch und Englisch. Wenn ein Delegierter auf Chinesisch spricht, hören wir Chinesischdolmetscher es durch den Originalkanal, und dolmetschen das Gesagte im gleichen Augenblick in den englischen Kanal. Die Kollegen aus den Dolmetscherkabinen für Arabisch, Französisch, Russisch und Spanisch übersetzen dann vom englischen Kanal in ihre jeweilige Sprache.“

Die Vereinten Nationen benutzen schon aus praktischen Gründen nicht alle Sprachen der 193 Mitgliedsländer. Man beschränkt sich auf sechs offizielle Sprachen: Arabisch, Chinesisch, Spanisch, Französisch, Russisch und Englisch. Und was ist mit Deutsch? „Aber ja. Ich habe größten Respekt vor der deutschen Sprache. Sie ist schwierig, sehr philosophisch, sehr präzise“, sagt er und nickt. „Ich spreche Deutsch.“

EINE WELT DER UNTERSCHIEDE

Herr Wang kommt aus Shanghai. Eine westlich orientierte Metropole in einem Land mit einer Bildersprache, einem bildhaften Denken. 3000 Wörter sind unbedingt notwendig für den Alltagsgebrauch. Ist denn Englisch im Gegensatz dazu „einfach“, diese Allerweltsprache? Die klare Antwort von Wang: „Nein.“ Es gebe ja nicht nur das britische oder amerikanische Englisch. Schwierig werde es beim indischen, philippinischen, koreanischen, japanischen Englisch. Wir leben in einer Welt mit vielen kleinen Unterschieden.

Wie es denn zu seiner Faszination für Sprachen gekommen ist? „Als ich noch klein war, wollte ich in den ausländischen Filmen jeden Dialog genau verstehen. Jedes kleinste Detail“, sagt er. Genauso sei es ihm mit ausländischen Touristen in seiner Heimat gegangen. Er habe sie verstehen wollen. „Nach meinem Englischstudium war es dann soweit“, erzählt er. „Ich konnte mich der Welt öffnen und sie verstehen“. Seine Geburtsstadt Shanghai war in den 80ern noch verschlossen. Heute ist sie offen und die Bevölkerung überaus reisefreudig. Ähnlich wie die Familie von Wang, die in der ganzen Welt verstreut lebt.

Aber welchen Wert haben Sprachen denn eigentlich? „Sprachen können die Welt nicht einen, aber sie können die unterschiedlichsten Meinungen vermitteln helfen, die Ansichten eines anderen menschlichen Wesens besser verstehen lernen. Wie dieser die Welt sieht, auf seine Art und Weise“, sagt Wang und nickt bedächtig.

ZUSAMMENHÄNGE VERSTEHEN

Viele Delegierte und Repräsentanten aus aller Welt verwenden ihren eigenen Dialekt, ihre eigene idiomatische Ausdrucksweise. „Man versteht sie nicht immer gut. Also muss man versuchen, den ganzen Kontext zu begreifen, sich selbst gegen fragen und dann entscheiden, welche Übersetzung die richtige ist“, erklärt er. Dafür habe man aber nur einen Bruchteil einer Sekunde Zeit. Man müsse quasi dem Sprecher nachjagen. Und natürlich komme es vor, dass man runtergehen müsse, um nachzufragen.

Das klingt sehr ernst. „Ist es auch. Vor den Sitzungen herrscht meistens große Anspannung. Da die Positionen oft in extremen Kontrast zueinander stehen“, bestätigt er. Aber sobald ein Konsens erreicht sei, werde auch oft gescherzt. „Manchmal wird uns mit einer Schokolade als kleine Aufmerksamkeit gedankt“, sagt Wang und lächelt.

Kann es nervenaufreibend sein? „Ja. Wir arbeiten in einem 3er Team. Wir starten am Tag eines Meetings um 10 Uhr. Jeder übersetzt 20 Minuten lang über drei Stunden hinweg am Vormittag und drei weitere am Nachmittag. Bis 18 Uhr abends. Mit der Zeit wird man immer besser, man gewinnt an Erfahrung, an Routine. Dennoch ist es essentiell, sich vorzubereiten, die Unterlagen mit den Fachtermini genauestens zu studieren. Korrekt zu sein. Präzise und loyal.“ So wie Herr Wang selbst als Person ist.

Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen.

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Steckbrief

  • Name: Catherine Pollard
  • Geburtsland: Georgetown, Guyana
  • Aufgewachsen in: Guyana
  • Tätigkeit: Unter-Generalsekretärin für Angelegenheiten der Generalversammlung und des Konferenzmanagements

Es herrscht geschäftiges Treiben im UN-Konferenztrakt. Ausgestattet sind viele mit einem Namenschild, das auf eine Tagung schließen lässt. Es findet das jährliche „Davos des Konferenzmanagements (IAMLADP)“ statt. Heuer ist es in Wien. „Ja, man trifft sich hier gerne. Ich mag Wien“, bestätigt Pollard.

Wir sitzen in einem für uns freigehaltenen Konferenzsaal, zeitlich zwischen den Meetings getimt. Catherine Pollard ist eine imposante Erscheinung, man darf sie treffend als die „Grande Dame“ der Konferenzdiplomatie bezeichnen. In gelber Bluse unter dem schwarzen Kostüm und mit dezentem Schmuck weiß man sofort, dass sie die zentrale Figur bei diesem Treffen ist.

KONFERENZEN STATT KRIEGE

Warum ist denn Konferenzmanagement eigentlich so wichtig, was kann man sich darunter vorstellen? „Die Gründungsväter haben sich entschlossen, Kriegsschauplätze gegen Konferenzsäle zu tauschen.“ Das mache es aus. Das sei die UNO jetzt. Und deswegen so wichtig in der Welt. Die UNO sei eine erfolgreiche Marke, ein Tempel von Ideen, ohne den die Welt eine schlechtere wäre. Davon ist Pollard überzeugt.

Frau Pollard arbeitet schon seit 1989 für die UNO: „Ich hatte das Glück, in abgeschiedene Länder reisen zu können, um bei der Implementierung einer UNO-Mission dabei sein zu können. So wurde mir völlig bewusst, dass eben nur wir dort sind und niemand sonst“.

Sie selbst ist zufällig zur UNO gekommen. Nach einer zunächst erfolglosen Bewerbung bei den Vereinten Nationen, ist es nach einem Jahr dann doch zu einem Bewerbungsgespräch für ein einjähriges Stellenangebot gekommen. „Ich habe diese Chance wahrgenommen. Ich sagte mir: Besser ein kleiner Fisch, der in einem großen Teich schwimmt, als ein großer Fisch in einem kleinen Teich“.

Sie war und ist viel unterwegs. Jetzt eher zwischen den Headquarters in New York, Genf, Wien oder Nairobi. Aber damals? Wie war das damals? Beispielsweise bei ihrem UN-Außendienst im Kongo? „Ich war in einer der Städte, die sich gerade öffneten. Ich sah Kinder auf der Straße, wie sie herumwanderten, aber mit einer Waffe am Rücken.“

Pollard erzählt von ihrem großen Respekt vor den UN-Mitarbeitern, die vor Ort arbeiteten: „Bei unseren Treffen hatten sie mir gesagt, dass sie normalerweise bis 10 Uhr abends im Büro blieben, da es dort Elektrizität durch ein Stromerzeugungsaggregat gab und sonst nirgends. In ihren Häusern hatten sie kein Licht und sie gingen nur zum Schlafen dorthin. Chapeau!“, sagt sie.

Und wie geht man mit jenen Kritikern um, die meinen, dass die UNO zu bürokratisch ist? Wir arbeiten daran, versichert sie. Wir hinterfragen uns selbst ständig. Bei ungefähr 40.000 Angestellten des UN-Sekretariats, die über die Welt verstreut sind, sei die Größe sinnvoll. Aber: Es gebe Raum für Verbesserung, natürlich. Vielleicht mit dem neuen Generalsekretär, einer Frau vielleicht?

DER BESTE FÜR DEN JOB

Viel Zeit ist nicht mehr, da die Amtszeit des derzeitigen Generalsekretärs Ban Ki-moons mit dem Jahr 2016 endet. „Natürlich wäre eine Frau gut. Aber: Ungeachtet ob Frau oder Mann. Der oder die Beste für diesen Job.“ Die Vereinten Nationen stehen vor großen Herausforderungen.

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Manchmal im Dschungel von Myanmar

Steckbrief

  • Name: Jorge Eduardo Rios
  • Geburtsland: Bolivien
  • Aufgewachsen in: Washington D.C.
  • Tätigkeit: Koordinator im Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) mit dem Spezialgebiet der Bekämpfung von illegalem Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen und illegalen Feldkulturen

Jedes Jahr werden Tiger, Elefanten und Nashörner von Banden bedroht. Betroffen sind fast 7000 Arten. Herr Rios weiß, wie bedrückend es ist, irgendwo im Dschungel ein totes Nashorn liegen zu sehen, dessen Horn abgeschnitten wurde, oder einen toten Elefanten ohne Stoßzähne. „Natürlich bin ich oft an exotischen Plätzen. Und manchmal ist es sehr traurig, was ich dort sehe.“

Rios kennt Armut, Korruption, Umwelt- und Drogenkriminalität in den entlegensten Regionen dieser Welt. Er ist oft genug dort. Der im bolivianischen La Paz geborene Rios arbeitet für UNODC, das Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Er ist auf die Bekämpfung von illegalem Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen spezialisiert. In der internationalen Drogenkontrolle ist er schon seit 24 Jahren tätig.

Sein Büro im Gebäude der UNODC gewährt einen herrlichen Blick auf die Donauinsel. Es ist ein kleines Zimmer, in dem ein Hauch von Welt präsent ist. Rios hat viele Souvenirs aus fernen Ländern mitgebracht: Einen kleinen Elefanten als Andenken an ein Symposium in Kathmandu, einen Jutesack mit organischen Bohnen, eine tibetische Klangschale und kleine Gemälde mit Tiermotiven.

Für das Gespräch nimmt sich der UNO-Diplomat in weißem Hemd, leicht gebräunt und durchtrainiert, ausführlich Zeit. „Ja, ich bin Mitglied in einem Läuferteam in Klosterneuburg“, sagt er und lacht. Er wohnt am Land, in Niederösterreich, in Kierling wie er später erzählt. Das ist weit weg von Washington D.C., wo er aufgewachsen ist und studiert hat. Der Mid-Atlantic-Akzent seines Englisch unterstreicht das. Aber Herr Rios ist glücklich hier.

Er mag das Österreichische und weiß zu schätzen, dass er in Wien das gefunden hat, was in anderen Ländern schlichtweg fehlt: Lebensqualität und Sicherheit. Es macht ihm nicht mal mehr was aus, an Sonntagen nicht Rasenmähen zu dürfen, oder in einem Land zu leben, in dem es eben Ladenschlusszeiten gibt. Nachdem er 1999 das zweite Mal in Wien war, habe er sich immer wieder gewünscht, hier bleiben zu können, erzählt er. „Dieser Traum ging aber in Erfüllung, was sonst ja nicht sehr oft der Fall ist“. Dabei schaut der UNO-Diplomat nachdenklich.

Seine Mission

Kriminelle von der Ausbeutung wertvoller Ressourcen abzuhalten, gegen Korruption und Illegalität anzukämpfen. Sie lässt ihn nicht zu Ruhe kommen und treibt ihn an, noch härter zu arbeiten. Es gilt nationale Strafverfolgungsbehörden zu unterstützen und regionale Netzwerke zur Bekämpfung von Umweltkriminalität zu koordinieren. Man will am Grundübel ansetzen. Den in bitterer Armut lebenden Menschen eine Perspektive bieten. „Drogenanbau wird nicht praktiziert, um Geld zu machen, sondern weil die Menschen ums Überleben kämpfen.“

Was machen die Menschen denn, wenn sie nicht zu essen haben - irgendwo in Laos, Myanmar, Afghanistan oder Madagaskar? Wenn es die einzige Möglichkeit ist, Bäume zu fällen, um so dem Drogenanbau für Mohn oder Kokapflanzen eine Anbaufläche zu geben und gleichzeitig die Nutzfläche für Nahrungsmittel verschwindet? Ist Kakao statt Kokain eine Alternative? Fragen über Fragen.

MÄRKTE LEGALISEREN

„Ja, Kakao, Kaffee, Zitrusfrüchte und fairer Handel sind unsere Themen. Aber das dauert. In Peru schreiben wir eine Erfolgsgeschichte. Rund 40 Jahre arbeiten wir nun mit den Bauern dort zusammen. Wir halfen dabei, Märkte zu erschließen. Und jetzt ist ihre Arbeit legal. Und ihre Verdienste auch. Sie können den Kindern eine Schulausbildung ermöglichen, sie zum Fußball spielen schicken. Auch das gehört zu einem guten Leben“, sagt Rios und schmunzelt.

In kleinen Schritten zum Erfolg? Für eine Welt ohne Korruption kämpfen? Ist das machbar? „Vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß hingegen, wie gut es uns hier geht. Wenn man in Paris, Washington, Berlin oder eben Wien sitzt, vergisst man leicht darauf“.

ORGANISIERTE KRIMINIALITÄT

Oder das Bild in der Wildnis. „Die Situation war außer Kontrolle“, erzählt Rios und greift mit seinen Händen ineinander. Laut dem „World Wildlife Crime Report“ von UNODC vom Mai 2016 ist das Ausmaß des illegalen Handels mit Wildtieren und Holz größer als befürchtet. Profiteure der Wilderei und des Verkaufs ist die organisierte Kriminalität: Sie wildert, schmuggelt und verarbeitet Tiere und Pflanzen zu kostbaren Produkten. Ein Souvenir aus Elfenbein gefällig? „Es sind ernstzunehmende Verbrechen“, sagt Rios. Sie müssen rechtlich auch so eingestuft und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Wovon träumen Sie?

„Sehen Sie sich „Racing Extinction“ an. Ein aufwühlender Film. Aber: Er macht auf das Artensterben aufmerksam und sagt uns ganz genau, was jeder einzelne in kleinen Schritten tun kann. Jeder von uns kann einen Beitrag leisten“, sagt er beim Rausgehen mit Nachdruck und mit einem Hoffnungsschimmer in den Augen.

Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen.

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Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Steckbrief

  • Name: Simonetta Di Pippo
  • Geburtsland: Italien
  • Aufgewachsen in: Italien
  • Tätigkeit: Direktorin des Büros für Weltraumfragen (UNOOSA)

Asteroiden sind kleiner als Zwergplaneten, aber größer als Meteoriden und gasen im Gegensatz zu Kometen in Sonnennähe nicht aus. Nach jüngsten Zahlen gibt es 714.974 im Sonnensystem. Einer davon trägt die Nummer 21887. Er heißt „dipippo“ und kreist irgendwo in der Umlaufbahn zwischen Mars und Jupiter.

2008 hat die Internationale Astronomische Vereinigung (IAU) ihn nach der derzeitigen Chefin der UN-Weltraumbehörde (UNOOSA) benannt. Als Anerkennung für ihr Engagement zur Erforschung des Weltraums. Simonetta Di Pippo freut sich noch immer darüber. „Es ist schon verrückt, aber manchmal denke ich an mich wie ich die Sonne umkreise.“

Di Pippo ist gebürtige Italienerin. Offensichtlich ist, dass sie in der Welt zu Hause ist. Eine Weltbürgerin, für die ein internationales Setting normal ist. Langstreckenflüge sind für sie an der Tagesordnung. „Ich bin gern im Flugzeug, ja. Man kann auch dort sein Wissen erweitern. Und: Immer neue Menschen kennenlernen.“ Ihre Familie lebt in Italien, ihre Freunde sind auf der ganzen Welt verstreut.

In ihrem Büro gibt es viele Pflanzen, es ist ein freundliches Zimmer. Di Pippos geordneter Schreibtisch mit einer „In“ und „Out“ Ablage lassen erahnen, dass sie effizient arbeitet. „Natürlich“, bestätigt sie. Man müsse nur Probleme sofort lösen. Dinge erledigen. Zur Zufriedenheit aller.

Obwohl sie erst von einem Morgenmeeting zurück ins Büro gekommen ist, macht sie nicht den Eindruck, als ob sie eine Art von Stressmanagement bräuchte. „Ich habe eine gute Arbeits-Lebens-Balance. Das kommt auch daher, dass die UNO in Wahrheit eine große Familie ist, mit einem gemeinsamen Ziel.“

WELTRAUMDIPLOMATIE

Di Pippo war in ihrer gesamten Karriere immer führend mit Weltraumagenden betraut. Begonnen hat alles mit einem Abschluss in Physik, Astro- und Weltraumphysik an der Universität von Rom „La Sapienza“. Ihr Lebenslauf ist lang. Die Liste ihrer Publikationen und Aktivitäten ebenso. Sie sagt in perfektem Englisch, mit dem gewissen italienischen Akzent, dass sie immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen sei. Bis sie Ende März 2014 zur Direktorin der UNOOSA bestellt wurde.

Und wie fühlt man sich, wenn man vom ehemaligen italienischen Staatspräsidenten Azeglio Ciampi zum Ritter geschlagen wurde? Überrascht sei sie gewesen, als sie nach einem langen Arbeitstag einen Brief mit einem kleinen Prefix vor ihrem Namen vorgefunden habe.

„Zunächst war ich mir der Bedeutung gar nicht bewusst, aber nach einer Internetrecherche habe ich erfahren, dass ich aufgrund meiner Internationalität und Aktivitäten im Bereich von globalen Weltraumagenden diesen Titel erhalten habe. Bei der Verleihung ist mein Vater, der auch einen Rittertitel trägt, dabei gewesen. Es hat mich sehr berührt.“

SOZIALE MEDIEN NUTZEN

Di Pippo muss in ihrem Job gut vernetzwerkt sein. Sie mag die „Sozialen Medien“. Auf Facebook ist sie genauso gut vertreten wie auf Twitter (@SDiPippo) und auf Pinterest, um ihre Aktivitäten rund um den Globus und im Weltall zu posten.

Aber auch über Länder, die das Potential von Weltraumforschung und –nutzung, ausschöpfen können: “Es ist ein interessantes Feld, vor allem auch für Entwicklungsländer, den Weltraum friedlich zu nutzen.”

Frauen und Weltraum? „Ich fördere gerne Frauen. Gendergleichheit ist eine wichtige Herausforderung, doch müssen immer die besten Leute in Toppositionen arbeiten, egal ob Mann oder Frau.“

Das Thema hat sie auch zum Titel einer neuen Publikation gebracht: „Women Spacefarers: Sixty Different Paths to Space“.

Es ist momentan noch im Druck und erscheint im November. Die Vorfreude ist groß. „So wird es aussehen“, sagt Frau Di Pippo und zeigt das Cover des Buches. Dabei hat sie einen überaus zufriedenen Gesichtsausdruck.

Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen.

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