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AMS streicht Zuverdienst: Sprungbrett oder Sackgasse?

3 Min
"It’s Giving Politics" ist der Titel der neuen Kolumne von Chiara Swaton und Nora Schäffler. Darin schreiben sie im wöchentlichen Wechsel über politische Themen.
© Illustration: WZ / Katharina Wieser

Ab 2026 fällt der Nebenjob zum Arbeitslosengeld weg. AMS-Bezieher:innen dürfen dann in der Regel nicht mehr geringfügig dazuverdienen. Bislang waren 551,10 Euro brutto monatlich erlaubt – ein wichtiges Extra für viele.


    • Die Regierung streicht den Zuverdienst beim AMS, um Anreize für eine schnellere Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu schaffen.
    • Geringfügige Beschäftigung bietet kurzfristige Vorteile, führt aber langfristig zu Nachteilen, besonders bei der Pension.
    • Die Maßnahme verschlankt den Sozialstaat, bedeutet aber weniger Sicherheit für Betroffene und bessere Statistiken für die Politik.
    • Arbeitslosenquote: 7 Prozent, fast 400.000 Menschen betroffen
    • Mit Zuverdienst und AMS-Bezug waren bis zu 1800 Euro netto pro Monat möglich
    • Geringfügig beschäftigte Arbeitslose fanden im Schnitt 3 Wochen später einen Job
    • Vor allem Frauen im Haupterwerbsalter nutzen das Modell häufig
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

Die Absicht dahinter ist klar

Die Regierung will damit vermeiden, dass Menschen länger in Arbeitslosigkeit bleiben. Und ja, bei einer Arbeitslosenquote von sieben Prozent (das sind fast 400.000 Menschen, inkusive Schulungsteilnehmer:innen) freut man sich über Verbesserungsvorschläge seitens der Regierung. Aber ob es diese retten wird? Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer betonte jedenfalls, der Ist-Zustand mit der Möglichkeit zum Zuverdienst sei „leistungsfeindlich”, denn nun wären mit geringfügigem Einkommen und AMS-Bezug bis zu 1800 Euro netto pro Monat rauszuholen. Studien zeigen: Geringfügig- beschäftigte Arbeitslose fanden im Schnitt erst drei Wochen später einen regulären Job. Der „Lock-in-Effekt“. Klingt trocken, bedeutet aber: weniger Anreiz für Vollzeit. Das Ziel der Politik ist unübersehbar: mehr Leistung, schnellere Rückkehr in den Arbeitsmarkt.

Wer profitiert, wer verliert?

Aber das Bild ist komplizierter. Denn von der Geringfügigkeit profitieren nicht nur Arbeitslose. Auch Gastronomie, Handel oder persönliche Dienstleistungen freuen sich über flexible Aushilfen. Für Betroffene bedeutet es zudem volle Krankenversicherung, allerdings ohne Pensionsbeiträge, ein Nachteil, der sich im Alter früher oder später bemerkbar machen wird. Vor allem Frauen im Haupterwerbsalter nutzen dieses Modell häufig. Heißt: kurzfristig Erleichterung, langfristig Einbußen.

Ein weiterer Tritt gegen den Sozialstaat?

Österreich versteht sich als Sozialstaat. Alle zahlen ein, damit im Notfall niemand außen vor bleibt. Arbeitslosengeld soll dabei helfen, Krisen zu überbrücken, nicht sie verfestigen, darin sind wir uns wohl alle einig. Die Frage ist bloß: Wo zieht man die Grenze? Darf der Sozialstaat so großzügig sein, dass man sich bewusst dafür entscheidet? Oder muss er so streng sein, dass er wirklich nur als Brücke taugt?

Statt über bessere Löhne und faire Arbeitsbedingungen zu reden, dreht man lieber an der Schraube bei den Arbeitssuchenden. Vielleicht, weil es einfacher ist, hier Druck aufzubauen? Einfacher als den Druck nach oben weiterzugeben?

Die Realität: kein Urlaub

Oft klingt es so, als ob Arbeitslosigkeit ein erstrebenswerter Zustand sei. Wer aber schon einmal selbst auf AMS-Leistungen angewiesen war, weiß, dass das wenig mit „Chillen auf Kosten der Allgemeinheit“ zu tun hat. Ja, ein paar Ausreißer wird es geben – die gibt es wohlgemerkt immer. Aber für die meisten bedeutet es Unsicherheit, Druck und jede Menge Papierkram.

Zwischen Brücke und Belastung

Die neue Regelung ist verständlich. Verständlich aus arbeitspolitischer Sicht. Aber ein Einschnitt. Ein Einschnitt in ein System, das lange stolz auf seine Großzügigkeit war, von Bildungskarenz bis Nebenjob. Der Sozialstaat bleibt, aber er wird schlanker. Und schlank heißt in diesem Fall: weniger Polster für die einen, ein bisschen schönere Statistik für die anderen. Ob das am Ende ein Sprungbrett ist? Oder ein Tritt ins Leere? Das wird sich zeigen.



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Infos und Quellen

These

Mit 2026 soll das Dazuverdienen bei AMS, mit Ausnahmen, gestrichen werden.
WZ-Redakteurin Nora Schäffler hatte das bis jetzt nicht auf dem Schirm und denkt, für viele wäre das relevant zu wissen.

Daten und Fakten

  • Das AMS wurde am 1. Juli 1994 gegründet, indem die frühere Arbeitsmarktverwaltung (AMV) aus dem Bundesministerium ausgegliedert und als öffentlich-rechtliches Dienstleistungsunternehmen neu organisiert wurde.
  • Neben Schulungen, Beratungen, und Arbeitsvermittlung gewährt das AMS finanzielle Unterstützung, wie Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, und unterstützt Weiterbildungen und Ausbildungen in Berufen mit Fachkräftemangel.
  • Die Grenze der Geringfügigkeit indexiert jedes Jahr.
  • Nebenjob-Weiterführer:innen: Wer vor der Arbeitslosigkeit schon 26 Wochen lang einen geringfügigen Nebenjob hatte, darf ihn behalten.
  • Langzeitarbeitslose: Nach 365 Tagen Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe ist ein geringfügiger Job für maximal 26 Wochen erlaubt.
  • Ältere & Menschen mit Behinderung: Ab 50 Jahren oder mit Behindertenstatus gilt dieselbe 26-Wochen-Regel.
  • Wiedereinsteiger:innen: Nach mindestens einem Jahr Krankheit oder Reha darf man für 26 Wochen geringfügig arbeiten.
  • Die Arbeitslosenquote ergibt sich, indem die Zahl der arbeitslosen Personen ins Verhältnis zum gesamten Arbeitskräftepotenzial gesetzt wird.
  • Das Arbeitskräftepotenzial ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbstständig beschäftigten Personen laut Dachverband der Sozialversicherungsträger.

Quelle

AK: Ab 2026: Geringfügiger Zuverdienst zu Arbeitslosengeld und Notstandshilfe eingeschränkt

AMS: Geringfügigkeitsgrenze

Das Thema in anderen Medien

Der Standard: Regierung einigt sich auf Ende von Zuverdienst beim Arbeitslosengeld

Die Presse: Wer arbeitslos ist, darf nichts mehr dazuverdienen

Der Standard: Mehr Druck auf Arbeitslose mit Zuverdienst: Alles bloß Quälerei?

Das Thema in der WZ

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