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Arbeiten bis 70, wie geht das?

4 Min
Österreich liegt mit einem Pensionsantrittsalter von 65 Jahren im europäischen Mittelfeld
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Angesichts der steigenden Lebenserwartung und der Budgetkrise wird der Ruf nach einer radikalen Pensionsreform lauter. Ein höheres Pensionsantrittsalter bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich.


    • Regierung plant Maßnahmen zur Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters, aktuell liegt dieses bei 62,2 Jahren (Männer) bzw. 60,2 Jahren (Frauen).
    • Industriellenvereinigung und WIFO fordern Anhebung auf 67 bis 70 Jahre, gekoppelt an die Lebenserwartung nach dänischem Vorbild.
    • Altersdiskriminierung bleibt ein Problem, Initiativen wie „Beschäftigungsinitiative 50+“ sollen ältere Arbeitnehmer:innen besser integrieren.
    • Gesetzliches Pensionsantrittsalter in Österreich: 65 Jahre
    • Tatsächliches Pensionsantrittsalter: 62,2 Jahre (Männer), 60,2 Jahre (Frauen)
    • Dänemark: Pensionsantrittsalter ab Geburtsjahr 1971 auf 70 Jahre erhöht
    • Lebenserwartung (Geburtsjahr 2019): Männer 79,3 Jahre, Frauen 84 Jahre; gesunde Lebensjahre: 63,1 (Männer), 64,7 (Frauen)
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

Die Anhebung des Pensionsantrittsalters ist seit Jahren ein kontroverses Thema. Im aktuellen Regierungsprogramm sieht die Koalition Maßnahmen vor, die das faktische Pensionsantrittsalter erhöhen und die Beschäftigungsquote bei älteren Menschen rasch steigern sollen. Das gesetzliche Antrittsalter liegt aktuell bei 65 Jahren. Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter laut einer Auswertung der Arbeiterkammer aktuell bei Männern bei 62,2 Jahren und bei Frauen bei 60,2 Jahren.

Immer mehr Länder heben Pensionsalter an

Diesen Wert will die Regierung mit der Einführung einer Teilzeitpension im Jahr 2026 sowie die Einschränkung der Korridorpensionen, also dem vorzeitigen Pensionsantritt mit Abschlägen, erhöhen. Ein radikaler Vorschlag kommt jetzt aber von der Industriellenvereinigung. Deren Präsident Georg Knill sprach sich in der „ZiB 2” für ein ähnliches Modell wie in Dänemark aus. Dort wurde das Antrittsalter Ende Mai auf 70 Jahre erhöht.

Dänemark hat sein Pensionssystem an die steigende Lebenserwartung angepasst. Wer nach dem 31. Dezember 1970 geboren wurde, muss bis zum 70. Lebensjahr arbeiten. Dies ist das bisher höchste Antrittsalter in Europa. Der Durchschnitt der EU-Mitgliedstaaten liegt bei 64,7 Jahren. In Deutschland wird das Rentenalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Wie eine Analyse des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) zeigt, ist die Anhebung des Eintrittsalters in vielen Ländern ein Trend. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr empfahl deshalb bereits vor einigen Monaten, auch in Österreich das Antrittsalter auf 67 Jahre zu erhöhen. Er spricht sich zudem für eine Kopplung an die Lebenserwartung aus, wie sie beim dänischen Modell praktiziert wird.

Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt

Angesichts der Schuldenkrise sieht auch der Internationale Währungsfonds (IWF) Sparpotenzial im österreichischen Pensionssystem und schlägt die Anhebung des faktischen Antrittsalters vor. IV-Chef Knill ist mit seiner Forderung nach einer radikalen Reform des Pensionssystems also nicht allein. Dem Wunsch der Wirtschaft nach mehr Beschäftigungsjahren steht jedoch eine andere Herausforderung gegenüber: Ältere Arbeitnehmer:innen haben es am Arbeitsmarkt nicht unbedingt einfach, einen Job zu finden. Das Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) kam bei einer Untersuchung von Bewerbungsprozessen zu dem Schluss, dass 12 Prozent der Bewerbungen von über 50-Jährigen aufgrund des Alters ungleich behandelt wurden.

Eine Maßnahme zur Förderung älterer Erwerbstätiger ist die sogenannte „Beschäftigungsinitiative 50+”, bei der Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen durch öffentliche Gelder finanziert werden. Auch die neue Regierung spricht sich in ihrem Programm gegen Altersdiskriminierung aus, konkrete Pläne liefert sie jedoch noch nicht. Der Pensionistenverband Österreich schlägt als Anreiz für Arbeitgeber:innen ein Bonus-Malus-System vor. Demnach sollen Betriebe, die ältere Arbeitnehmer:innen einstellen, sollen belohnt werden. Jene, die nicht genügend ältere Menschen beschäftigen, sollen sanktioniert werden. Das Momentum Institut empfiehlt, die allgemeine Erwerbstätigenquote zu erhöhen, statt das Pensionsalter anzupassen, sowie altersgerechte Jobs zu schaffen.

Länger leben, mehr arbeiten?

Eine reine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters könnte somit zu neuen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt führen. Um das faktische Alter anzuheben, hat die Regierung einige Hausaufgaben zu erledigen. Neben der Frage, wie sich das Sozialsystem angesichts der Überalterung der Gesellschaft langfristig finanzieren lässt, stellt sich auch die Grundsatzfrage, wie viel man Menschen im Alter zutrauen kann – leben wir nicht nur länger, sondern auch gesünder? Mit der Aussage „Die 70er sind die neuen 50er” machte der IWF im April auf sich aufmerksam. Begründung: „Im Durchschnitt hatte eine 70-jährige Person im Jahr 2022 die gleichen kognitiven Fähigkeiten wie eine 53-jährige Person im Jahr 2000.”

Männer, die 1978 in Österreich geboren wurden, haben eine Lebenserwartung von 68,5 Jahren, davon verbringen sie 52,4 Jahre in guter Gesundheit. Bei Frauen sind es 75,7 Jahre, davon 52,9 Jahre in guter Gesundheit. Wer 2019 geboren wurde, hat eine Lebenserwartung von 79,3 (Männer) bzw. 84 (Frauen) Jahren, davon 63,1 bzw. 64,7 Jahre in guter Gesundheit. Nicht nur der Arbeitsmarkt, sondern auch die Gesellschaft insgesamt wird sich also in den nächsten Jahrzehnten massiv verändern müssen.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • In Österreich werden 2040 laut einer Prognose der Statistik Austria 26,7 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre und älter sein
  • Österreich liegt mit einem Pensionsantrittsalter von 65 Jahren im europäischen Mittelfeld, immer mehr Staaten diskutieren aber die Anhebung des faktischen Antrittsalters
  • Tatsächlich gehen Männer in Österreich durchschnittlich mit 62,2 Jahren, Frauen mit 60,2 Jahren in Pension

Quellen

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