Umweltschutz statt Heimatschutz: Wie grün ist die FPÖ unter einem Bundeskanzler Herbert Kickl?
Was haben Erneuerbare-Wärme-Gesetz, Klimabonusgesetz, Bundes-Energieeffizienzgesetz oder Umweltförderungsgesetz gemeinsam? Die FPÖ stimmte dagegen. Die Partei hat sich Klimaschutz nicht gerade auf ihre Fahnen geheftet.
- Kennst du schon?: Renaturierung schützt vor Hochwasser
Die Marktforschung wittert bei den Freiheitlichen die meisten Klimawandel-Leugner. Diese kommen aus der Mitte der Gesellschaft, der Mittelschicht. Es sind die im Durchschnitt Älteren, die die Haltung der Rechtspopulist:innen übernehmen. Sie trauern laut Integral-Chef Bertram Barth den guten alten Zeiten nach, in denen der Klimawandel noch kein Thema war.
Wenn die FPÖ gewinnt, ist das sicher nicht das Ende von Klimaschutzmaßnahmen.Christoph Hofinger, Foresight
Aber auch die FPÖ wird im Fall einer Regierungsbeteiligung nach der Wahl im Herbst bestimmte Klimaschutzmaßnahmen mittragen müssen. „Wenn die FPÖ gewinnt, ist das sicher nicht das Ende von Klimaschutzmaßnahmen, aber vermutlich wird es langsamer gehen“, sagt Sozialforscher Christoph Hofinger zur WZ. Tempolimit würde es wohl keines geben, und der Freiheitsgedanke würde stärker gewichtet werden, aber „die Weichenstellungen sind bereits gefallen, die wird die FPÖ auch nicht mehr umdrehen können“.
Der „sogenannte Klimawandel“, wie FPÖ-Chef Herbert Kickl gern betonte, wurde im FPÖ-Narrativ bereits zur „Klimapolitik mit Hausverstand“. „Wichtig ist uns, gegen die überschießende Klimapolitik, die uns von Brüssel auferlegt wird, anzukämpfen und für die Souveränität Österreichs (nicht nur) in Klima- und Umweltfragen einzutreten“, heißt es seitens der FPÖ zur WZ. Doch so frei kann die blaue Partei dann auch nicht agieren. Die Forderung nach keinem Enddatum für Verbrenner wird schwierig, wenn die EU dies verlangt. Auch ein Aus der CO2-Bepreisung, der Klimaneutralität oder der Förderungen für den Ausstieg aus fossilen Heizformen wird nicht so leicht sein. Nicht, wenn man nicht Strafzahlungen und Vertragsverletzungsverfahren einkalkulieren möchte.
Denn: „Der Pfad der Co2-Neutralität wurde bereits beschritten und kann schwer rückgängig gemacht werden. Weder die EU, die Bevölkerung noch die Wirtschaft würden dies zulassen“, sagt Hofinger. „Der Wirtschaft ist es fast egal, wer regiert, sie wird hier nicht nachgeben“, ist der Sozialforscher überzeugt.
Mehr Geld für grüne Finanzierungen
Die Wirtschaft muss sich an EU-Vorschriften halten. Die EU hat mit der EU-Taxonomie eine Verordnung festgelegt, nach der gemessen werden kann, wie nachhaltig ein Unternehmen wirtschaftet. Damit sollen mehr Gelder in grüne Firmen fließen als in solche, die nicht ökologisch wirtschaften. „Aktuell sind grüne Projekte gesetzlich bei der Kreditvergabe noch nicht wirklich bessergestellt. Da Europa den Banken aber vorschreibt, eine sogenannte Green Asset Ratio zu berechnen, werden wohl grüne Finanzierungen prioritär behandelt werden“, heißt es dazu aus der Wirtschaftskammer Österreich zur WZ.
Blau-grüne Zusammenarbeit
Dass selbst die FPÖ aktiv Klimaschutzmaßnahmen setzt, sieht man, wenn man den Blick auf die Gemeinden richtet. Im FPÖ-regierten Wels beispielsweise stellte man sich auf den Klimawandel ein. Der amtierende FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl ließ 2023 gemeinsam mit seinem grünen Umwelt-Stadtrat Thomas Rammerstorfer eine Klimastrategie erarbeiten. Auch in Bruckneudorf-Kaisersteinbruch stellte die FPÖ im vergangenen Jahr einen Antrag zur Gründung sogenannter Erneuerbare Energie Gemeinschaften (EEG). Für Parteiobmann Mario Jaksch stelle dies eine interessante Möglichkeit dar, um die Gemeinde energiepolitisch weiterzuentwickeln.
"Wir lehnen rein politisch beziehungsweise ideologisch motivierte Klimaschutzmaßnahmen ab, da diese letztendlich nicht im Sinne der Bürger erschaffen wurden", sagt FPÖ-Abgeordneter Walter Rauch. Der Ausbau erneuerbarer Energie müsse mit Leistbarkeit und Versorgungssicherheit einhergehen. Diese Zielsetzungen würden die bisher beschlossenen Gesetze vermissen lassen.
Alles rückgängig machen geht also nicht, denn auch die FPÖ muss die Ziele der EU – und somit unsere Ziele – erreichen. Die Einstellung, dass Österreich nur ein kleiner Teil der großen Umweltsünder ist und wir deshalb nichts machen brauchen, wäre hier wohl umgekehrt zu sehen: Wir sind ein Teil davon und deshalb müssen wir. Und damit jede Partei – auch die FPÖ.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Genese
Wenn die FPÖ die Partei mit den meisten Klimawandel-Leugnern ist, was passiert dann mit dem Klimaschutz, wenn diese Partei in die Regierung kommt? Werden dann bereits gesetzte Maßnahmen wieder rückgängig gemacht? Nein, sagt Sozialforscher Christoph Hofinger zu WZ-Redakteurin Ina Weber, aber die Maßnahmen könnten langsamer vorangehen.
Gesprächspartner
Christoph Hofinger, Marktforschungsinstitut Foresight
Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ)
Walter Rauch, FPÖ-Umweltsprecher
Daten und Fakten
Großes Ziel der EU: Emissionsreduktion. Ein Land, das die Ziele nicht erreicht, muss mit Kompensationszahlungen und Vertragsverletzungsverfahren rechnen.
2021: Erneuerbare Ausbau Gesetz Paket: bis 2030 jährlich eine Milliarde Euro für den Erneuerbaren Ausbau. Ziel ist, bis 2030 den Stromverbrauch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken. Die FPÖ stimmte als einzige Partei dagegen.
2023: Beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz ( EWG) – dem Verbot der Wärmebereitstellung auf Basis fossiler Brennstoffe in neuen Baulichkeiten, das bedeutet keine Gasheizungen mehr in Neubauten – stimmt die FPÖ als einzige Partei dagegen.
2023: Klimabonusgesetz: Der Nationalrat beschließt Klimabonus 2023 mit einem Sockelbetrag von 110 Euro – die FPÖ stimmt dagegen.
2023: Bundes-Energieeffizienzgesetz, Nationalrat beschließt adaptiertes Energieeffizienzgesetz mit einfacher Mehrheit, die FPÖ ist dagegen.
2023: Der Nationalrat beschließt neuen Rahmen für Förderungen zur Dekarbonisierung der Industrieproduktion, Umweltförderungsgesetz/Änderung, die FPÖ ist dagegen.
FPÖ sagt Nein zu Tempolimits, Enddatum für Verbrenner, Ökologisierung der Pendlerpauschale, CO2-Preis, Klimabonus, Klimaneutralität, Förderungen für Ausstieg fossiler Heizungen.
FPÖ sagt prinzipiell Ja zu Ausbau der Erneuerbaren, Ausbau Öffentlicher Verkehr. Wie sie im Detail dazu steht, hat sie uns in folgenden Punkten beantwortet:
„Die CO2-Steuer ist eine reine Strafsteuer, die von uns konsequent abgelehnt wird. Folglich bräuchte es ohne CO2-Steuer auch keinen Klimabonus.”
„Ebenso stehen wir den Förderungen für den Umstieg auf nicht mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizungsanlagen kritisch gegenüber. Wir sehen hier zum Beispiel die Gefahr, dass der Umstieg dazu führen kann, dass noch länger nutzbare Anlagen zerstört und vernichtet werden, was letztlich die Steuerzahler über die Förderungen selbst finanzieren müssen.”
„Positiv sehen wir Maßnahmen hinsichtlich des Ausbaus und Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. So ist etwa das eingeführte „Klimaticket“ grundsätzlich zu begrüßen” „Anzumerken ist, dass der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel nicht auf Kosten des Individualverkehrs gehen darf. Die Wahlmöglichkeit, welches Verkehrsmittel benutzt werden soll, muss erhalten bleiben sowie Autofahrer unterstützt und nicht verteufelt gehören.”
„Auch zu Nicht-Wahlkampfzeiten bringt die FPÖ regelmäßig Anträge ein, die unseren Stil einer vernünftigen Umwelt- und Klimapolitik darlegen, wie unter anderem: Klimaschutz mit Hausverstand, Förderung der Entwicklung heimischer Verpackungsalternativen, CO2 durch Humusaufbau binden, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs – Umsetzung Nahverkehrsmilliarde jetzt!, Nachhaltigkeit statt geplanter Obsoleszenz, Bundesreparaturbonus, praktischer Klimaschutz statt ideologiegetriebenem Gesellschaftsumbau
Quellen
FPÖ-Antrag auf Gründung von Energiegemeinschaften in Bruckneudorf
Abstimmungsverhalten: parlament.gv.at
Das Thema in anderen Medien
Der Standard: FPÖ will Kehrtwende in der Klimapolitik