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Warum man nach Corona leichter krank wird

6 Min
Wer Corona hatte, ist vor anderen Viren weniger gut geschützt.
© illustration: wz, bildquelle: getty images

Das Coronavirus dringt in den Körper ein und beeinträchtigt das Immunsystem nachhaltig. Viele Menschen erholen sich nur langsam und bekommen noch weitere Krankheiten dazu.


Corona hat seinen Schrecken verloren. Leere Straßen, überfüllte Spitäler und Menschen in Schutzanzügen sind weit weg. Kaum jemand hat heute noch Angst, an Corona zu sterben. Dabei ist das Virus immer noch unter uns. Die Zahl der Infektionen steigt − nur kümmert es scheinbar niemanden. Viele Österreicher:innen sind geimpft und Ansteckungen mit derzeit kursierenden Varianten verlaufen zumeist eher mild. Doch die Folgen kommen später: Genesene berichten davon, sich so geschwächt zu fühlen, dass andere Viren mit ihnen ein leichtes Spiel haben.

So wie Peter, ein Jungvater mit zwei Volksschulkindern. „Corona selbst war halb so schlimm. Ich hatte ein bisschen Kopfweh und war am Abend früher müde als sonst, aber ich konnte im Homeoffice arbeiten“, sagt er zur WZ. Nach einer Woche war der Test negativ und die Infektion überstanden.

„Nun ging es aber erst richtig los“, sagt Peter. Mehr als zwei Wochen lang kämpfte er mit Übelkeit und Schwindel. „Ich fühlte mich völlig kaputt und schlief bis zu 16 Stunden am Tag“, berichtet er. „Ich hatte das Gefühl, dass mein Immunsystem nichts gegen all die Viren ausrichten konnte, die derzeit kursieren, und die meine Kinder von der Schule heimbrachten.“ So wie der Nachwuchs hatte auch Peter gleich wieder Husten und Schnupfen, diesmal aber heftiger. Sein Hausarzt diagnostizierte eine Erkältung und bestätigte, dass er nicht der Einzige sei: Die Ordination sei voll mit Personen, die über ähnliche Symptome klagen, nach Corona einen Infekt nach dem anderen bekämen, und dass es auch junge, gesunde Menschen treffe.

Ein Infekt löst den anderen ab

Schädigt Sars-CoV-2 das Immunsystem? Die Antwort ist ja, eine Infektion mit dem Coronavirus kann das Immunsystem beeinflussen. Aber die Impfung hilft.

Allein in der ersten Oktoberwoche waren bei der Österreichischen Gesundheitskasse 287.244 Personen krankgemeldet, davon 87.584 mit grippalen Infekten, 408 mit Influenza und 13.618 mit Covid-19. Die Infektionen können einander ablösen, indem Betroffene einen Infekt nach dem anderen bekommen.

Grafik von Corona Statistik in Österreich
Die Zahl der Corona-Infektionen steigt wieder.
© Bildquelle: abwassermonitoring.at

„Nach der Infektion ist das Immunsystem empfänglicher für andere Viruserkrankungen“, bestätigt die Immunologin Eva Untersmayr-Elsenhuber von der Medizinuniversität Wien im Gespräch mit der WZ. Und wer sich nach Covid-19 mit einer schweren Krankheit, wie Pneumokokken oder den Masern, ansteckt, könne sogar über Monate mit einer Immunschwäche zu kämpfen haben, da die Antikörper, konkret die B-Zellen, herabgesetzt blieben. „Die Folge ist, dass man im Anschluss an eine Infektion leichter krank werden kann“, sagt Untersmayr-Elsenhuber.

Körper bildet weniger Immunzellen

Was genau passiert dabei? Grundsätzlich setzt Covid-19 die Zahl der Immunzellen längerfristig herab. „Der Körper erzeugt noch zehn Monate nach einer Corona-Infektion signifikant weniger Abwehrzellen und kann dadurch womöglich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so gut auf neue Herausforderungen reagieren“, berichtet Winfried Pickl vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der Medizinischen Universität Wien. Selbst nach milden Krankheitsverläufen fänden sich lang nach der Infektion weit weniger Immunzellen im Blut als bei Personen, die kein Corona hatten, sagt er zur WZ.

Zusammen mit Kolleg:innen hat Pickl die Immunparameter von 133 Covid-19-Genesenen und 98 Personen ohne Infektion untersucht. Bei den Genesenen wurden Anzahl und Zusammensetzung verschiedener Immunzellen, der Corona-spezifischen Antikörper und der zuständigen Wachstumsfaktoren gemessen, jeweils zehn Wochen und zehn Monate nach deren Erkrankung. „Auffällig ist der signifikante Abfall aller Immunzelltypen im Körper über viele Monate nach der eigentlichen Erkrankung, eine Veränderung der Wachstumsfaktor-Muster sowie der drastische Abfall der Corona-spezifischen Antikörper-Spiegel“, erklärt Pickl.

Impfung schwächt den Krankheitsverlauf ab ...

Allerdings wurden die Proband:innen für die Studie bereits 2020 rekrutiert, als noch keine Impfung gegen Covid-19 erhältlich war. Das bedeutet, dass die Ergebnisse nicht durch die Wirkung der Impfung beeinflusst sind. Damit wissen wir jetzt grundsätzlich, dass ohne die Impfung das Virus tiefer in die Organe eindringen kann, und womöglich auch ins Knochenmark, das sie zentrale Produktionsstätte von Immunzellen und der üblicherweise sichere Aufenthaltsort für Immun-Gedächtniszellen ist.

Obwohl das Corona-Vakzin eine neuerliche Ansteckung nicht unbedingt verhindert, ist es darauf ausgerichtet, die Tiefe der Infektion und damit die Schwere der Erkrankung abzumildern. Somit verbreitet sich Sars-CoV-2 eher nur in den oberen Atemwegen bei Personen, die bereits einen Immunschutz aufgebaut haben.

… und verklebt das Virus wie ein Kaugummi

„Wenn man so will, trainiert die Impfung den Körper, ähnlich wie Skigymnastik die Oberschenkel vor einer Abfahrt“, sagt Pickl. „Wenn man sich ansteckt, fällt den Abwehrzellen der Einsatz leichter. Die Infektion verläuft weniger schwer und verbreitet sich weniger im Körper und man ist schneller wieder gesund.“

Man kann es auch mit Kaugummi vergleichen. Durch Infektion und Impfung bauen gesunde Menschen einen immer schlagkräftigeren Immunschutz auf. „Mit seinem Spike-Protein dockt das Coronavirus an die Zellen im Nasen-Rachenraum an, um in sie einzudringen. Doch neutralisierende Antikörper legen sich wie Kaugummi über das Spike und verwehren den Eintritt“, erklärt Christine Falk von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, an der MHH Hannover.

„Wie Flöhe und Läuse zugleich“

„Wer sich trotzdem ansteckt, erlebt Husten, geschwollene Lymphknoten und Halsweh als Immunantwort auf die Infektion“, sagt Falk. Allerdings könne es eine Weile dauern, bis diese Corona-spezifischen Antikörper sich wieder beruhigen. Und daher könne man nach Covid-19 „durchaus etwas geschwächt“ sein: „Wenn in dieser Phase ein anderes Virus den Körper befällt, dann kann sich das überlagern und man bekommt Flöhe und Läuse zugleich.“ Dann muss das Immunsystem eine andere Truppe in Gang bringen, diesmal vielleicht gegen einen grippalen Infekt, und erneut ins Rennen ziehen. Und wieder antwortet es mit geschwollenen Lymphknoten, Gliederschmerzen, Husten, Schnupfen, Fieber und Heiserkeit, um diesen neuen Eindringling in den Griff zu bekommen.

Für Peter hieß es diesmal jedenfalls: Ab ins Bett. „Eigentlich hatte ich beim zweiten Mal nicht nur Schnupfen, sondern auch Ohrenweh und Fieber“, beschreibt er die Symptome. Die derzeit kursierenden Corona-Varianten, die unter dem Namen FLiRT zusammengefasst werden, gehen mit Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Fieber oder Schüttelfrost, Husten und Schnupfen, aber auch Bauchgrummeln oder Sodbrennen einher. Wie der Hausarzt bestätigte, hatte Peter tatsächlich eine Zusatzinfektion erlitten.


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Infos und Quellen

Genese

Mehrere Personen aus dem Umfeld der beiden WZ-Redakteur:innen Eva Stanzl und Bernd Vasari erkrankten erneut, nachdem sie eine Corona-Infektion überstanden hatten.

Gesprächspartner:innen

  • Christine Falk ist eine deutsche Biologin und Hochschullehrerin. Sie ist Professorin am Institut für Transplantationsimmunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitglied des Fachkollegiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft für das Themenfeld der Immunologie. Falk war von 2021 bis 2022 Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

  • Winfried Franz Pickl, Vorstand des Departments für Zellimmunologie und Immunhämatologie des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der Medizinischen Universität Wien.

  • Eva Untersmayr-Elsenhuber ist Fachärztin für klinische Immunologie und neben ihrer Anstellung als Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung niedergelassen in einer Ordination tätig, wo sie Patient:innen mit immunologischen Erkrankungen betreut.

  • Peter, Vater von zwei Volksschulkindern

Daten und Fakten

  • Wo gibt es Coronatests?

Bei niedergelassenen Ärzten gibt es Antigen- und PCR-Tests gratis für Risikopatient:innen mit ärztlicher Empfehlung.

In Apotheken sind Antigen- und PCR-Tests außerdem käuflich erwerbbar. Laut Konsumentenschutz (Stand Dezember 2023) kosten Antigentests, die man selbst zu Hause machen kann, pro Einzeltest im Durchschnitt 2,87 Euro und pro Fünferpackung durchschnittlich 10,63 Euro. Präzisere PCR-Tests können mit bis zu 30 Euro pro Mal erheblich teurer sein.

  • Wo kann man sich impfen lassen?

Kostenlos bei niedergelassenen Ärzt:innen oder öffentlichen Impfstellen, etwa in Wien in TownTown, Thomas Klestil Platz 8/2.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien