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Der Mensch im Wettbewerb mit Künstlicher Intelligenz

7 Min
Karriereplanung im Zeiten von KI: Wer sich für Technik interessiert, ist klar im Vorteil.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images und Stable Diffusion

KI macht sich auf dem Arbeitsmarkt breit. Doch Schulen, Fachhochschulen und Universitäten bereiten uns nur unzureichend darauf vor. Welche Qualitäten gefragt sein werden, um im Arbeitsprozess zu bestehen.


Für die Matura musste Alexandra den Prüfungsstoff möglichst auswendig können. Das war 2010, als Social Media ein Novum waren und Künstliche Intelligenz ein akademisches Fachgebiet ohne massentaugliche Anwendung war. Elf Jahre später, im Jahr 2021, schloss Alexandra ihren Master im Fach Translation mit Schwerpunkt Konferenzdolmetsch an der Uni Wien ab. Die Digitalisierung hatte in dieser Zeit einen gigantischen Sprung nach vorn gemacht: Weltweit besaß fast jede:r immer leistungsstärkere Smartphones, und Algorithmen konnten auf Social Media nahezu alle Lebensbereiche beeinflussen. Trotzdem räumten die Uni-Lehrenden digitalen Technologien keinen Stellenwert ein. „Wir lernten, dass Übersetzungsmaschinen nicht verlässlich seien und ihr Einsatz in ferner Zukunft läge, und dass wir Online-Wörterbücher nicht brauchen würden“, sagt Alexandra zur WZ.

Weit gefehlt, könnte man sagen. Ende 2022 betrat ChatGPT die Weltbühne und bringt heute, als Künstliche Intelligenz für alle, jeden Satz ziemlich präzise in andere Sprachen. Mit jeder neuen Version verbessert der Chatbot seine Fähigkeiten, laufend vervollständigt er sein Wissen in allen Fachgebieten. Er überholt die Lehrpläne der Institutionen, indem er auf immer neue und unerwartete Weise Information in Wort, Ton und Bild liefert.

Wer dagegen Lehr- und Studienpläne modernisieren will, braucht Geduld. Neue Technologien müssen erst von den Lehrenden geübt und von Arbeitsgruppen in Unterrichtskonzepte übersetzt werden. Erst danach wird das Ergebnis durch die Curricular-Kommission und den Senat genehmigt. Laut der Österreichischen Hochschul-Ombudsstelle können „Überarbeitungen und Änderungen bestehender Lehrpläne mehrere Monate dauern“.

Massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Angesichts der Zeitspannen wundert es zwar nicht, dass viele bestehende Ausbildungen junge Menschen derzeit noch nicht auf den Umgang mit Künstlicher Intelligenz im Berufsalltag vorbereiten. Geschwindigkeit wäre jedoch ein Gebot der Stunde. „Schon mit dem ersten Aufkommen von ChatGPT Ende 2022 hätte das Bildungssystem gut daran getan, zu reagieren. Man hätte sofort überlegen müssen, wie man mit diesen Möglichkeiten schon ab der Volksschulbildung umgehen will“, sagt Angela Fessl, Stellvertretende Forschungsbereichsleiterin am Know Center, ein Innovations- und Forschungszentrum für vertrauenswürdige KI in Graz, zur WZ.

Eine Studie der Unternehmensberater McKinsey zeigt, dass bis 2030 rund 30 Prozent der heute geleisteten Arbeitsstunden durch KI automatisiert werden könnten. Zwar bedeute das nicht immer, dass Arbeitsplätze verloren gehen, aber Verschiebungen werde es nahezu überall geben, heißt es in dem Papier. „KI ist die nächste große disruptive Technologie seit dem Internet, mit massiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Sie wird mittel- und langfristig in alle Arbeitsprozesse eingreifen“, betont Markus Fallenböck, Vizerektor für Personal und Digitalisierung der Universität Graz, im Gespräch mit der WZ.

Prognosen, welche Sparten sich wie verändern sollen, ergeben allerdings ein vermischtes Bild. Etwa sollen laut McKinsey die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, Bildung und Management vom Einsatz Künstlicher Intelligenz betroffen sein. Hingegen erwarten die Unternehmensberater:innen von Goldman Sachs die meisten Veränderungen bei administrativen Tätigkeiten und im Rechtswesen. Auch in Design, Medien, Medizintechnik oder Finanzberatung stünde der Mensch im Wettbewerb mit Künstlicher Intelligenz. Am wenigsten automatisiert würden manuelle Tätigkeiten in Handel, Gastronomie oder Pflege.

Was heißt das hier und heute für uns? „Niemand kann sich präzise darauf einstellen, wie es weitergehen wird. Die Probleme bleiben momentan die gleichen, hinter den Lösungen werden noch einige Jahre Menschen stehen. Aber die Menschen müssen mit KI-Systemen umgehen können und sich dieses Knowhow aneignen“, sagt der Informatiker Robert Rainer, Mitbegründer der Wiener Bewerbungsplattform Onlyfy, zur WZ.

„Auch in Zukunft werden wir Basiswissen und Fachkenntnisse benötigen. Aber wir müssen lernen, Maschinenlernen und Sprachmodelle grundlegend zu verstehen, es geht um AI Literacy“, erklärt Angela Fessl: Kaum jemand werde es sich künftig leisten können, ein KI-Analphabet zu sein.

Zahlreiche Fortbildungsinstitute bieten Grundausbildungen in dieser AI Literacy an. Beispielhaft sei die Uni Graz genannt, wo im Herbst ein „Micro Credential Künstliche Intelligenz“ startet. Diese Grundausbildung wird im Rahmen von Wahlfächern angerechnet und soll Bachelor-Studierende dazu befähigen, ,,mit KI-Technologien grundsätzlich umgehen zu können”, erklärt Vizerektor Fallenböck. Die vier Module bestehen aus den Fächern Technik/Methoden, Rechtliche Fragestellungen, Wirtschaft/Arbeitswelt und Ethik/gute wissenschaftliche Praxis.

Kombination aus technischen und nicht-technischen Fähigkeiten

Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich KI-Tools weiterentwickeln, stellt sich aber auch die Frage, welche Berufsausbildungen künftig am meisten Sinn ergeben werden. „Während früher, als Berufe noch klarer definiert waren, laufende Weiterbildung durch das sogenannte ,lebenslange Lernen‘ die Jobperspektiven verbesserten, stellt sich heute die Frage, ob es den gewählten Beruf in einigen Jahren überhaupt noch geben wird“, sagt Julian Stahl, Arbeitsmarktexperte beim internationalen Jobs-Netzwerk XING.

Für eine Antwort befragen wir den, der es am besten wissen muss: „Um sich im modernen Arbeitssystem, das zunehmend durch Künstliche Intelligenz (KI) geprägt ist, erfolgreich zu behaupten, benötigen Bewerber eine Kombination aus technischen und nicht-technischen Fähigkeiten“, antwortet ChatGPT und liefert ein facettenreiches Anforderungsprofil. Bewerber:innen benötigen grundlegende Programmierkenntnisse, ein Verständnis von Datenstrukturen und Algorithmen, die Fähigkeit, große Datensätze zu analysieren und Muster zu erkennen, und Kenntnisse in Statistik, um die Ergebnisse korrekt interpretieren zu können, erfahren wir in der Gratis-Version des Chatbots in geschliffenem Deutsch. Die KI instruiert uns auch, wie wir uns dabei zu verhalten haben: Auf der persönlichen Seite seien Problemlösungs-, Kommunikations- und Teamfähigkeit gefragt sowie die Fähigkeit, kritisch zu denken und kreative Lösungen zu entwickeln. Eher selbstbezogen sieht der Chatbot das Thema Kreativität, die er als „Einfallsreichtum bei der Anwendung und Entwicklung von KI-Technologien auf verschiedene Geschäftsprobleme“ definiert.

Technik-affine Menschen sind also im Vorteil. Der deutsche Technologiejournalist Thomas Ramge übersetzt dies in Umschulungen auf dem Arbeitsmarkt. Sie sollten künftig Technikaffinität fördern. Nicht die Jobs selbst würden verschwinden, sondern vielmehr würden „tech-affine Verkäufer, Anwälte und Ärzte jene Kollegen ersetzen, die KI nicht als Entscheidungsassistenten intelligent zu nutzen wissen“, schreibt Ramge in seinem Buch „Mensch und Maschine. Wie Künstliche Intelligenz und Roboter unser Leben verändern".

Führungsqualitäten, Sozialkompetenz und Emotionen

Und wo bleiben hier die persönlichen Talente? „Das Zwischenmenschliche wird, insbesondere wenn KI einige Arbeitsschritte übernehmen kann, im Job noch wichtiger. Man sollte andere gut führen, mitnehmen und anleiten können, und gerade in unsicheren Zeiten einen sozialen Stil einnehmen können“, sagt Julian Stahl. In einer Umfrage der Daten-Plattform Statista, der Arbeitgeber-Vergleichsplattform kununu und XING waren 86 Prozent der Befragten der Ansicht, dass Führungsqualitäten, Sozialkompetenzen und Emotionen zukünftig an Bedeutung gewinnen werden.

Last but not least ist Medienkompetenz gefragt. „Junge Menschen brauchen ein Bewusstsein dafür, was eine KI können und dürfen soll, und benötigen andererseits Kompetenz im Erkennen von Fake News und Deep Fakes sowie die Fähigkeit, kritisch zu denken und Quellen zu hinterfragen und zu vergleichen“, betont Fessl.

Damit so früh wie möglich trainiert werden kann, sollen auf Initiative des Bildungsministeriums ab dem Wintersemester bis zu 100 Schulen in Österreich zu Pilotschulen in Sachen Künstlicher Intelligenz werden. Mit einem eigenen Projektbudget sollen sie zusätzliche Lernsoftware anschaffen und testen, bevor die Ergebnisse evaluiert werden. Die Schulen sollen auch die besten Eingaben für die Bedienung von ChatGPT sammeln, um die besten Antworten zu erhalten. Und die Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte in diesem Bereich wird verstärkt.

Zurück zum Beruf der Konferenzdolmetscher:in: Hier lassen sich Menschen mittlerweile zumindest teilweise ersetzen. Wer heute in dem Fachgebiet arbeiten will, muss neben dem Handwerk auch die entsprechende KI-Software einsetzen können, um maschinelle Übersetzungen effizient nachzubearbeiten, oder das Arbeitspensum mit einer KI teilen.


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Infos und Quellen

Genese

Seit Künstliche Intelligenz mit ChatGPT massentauglich ist, werden Studien zu den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gemacht. Sie gehen mittlerweile ins Zahllose. Mangels Praxis bleiben die Prognosen vorerst aber abstrakt. WZ-Redakteurin Eva Stanzl wollte wissen, inwieweit junge Menschen sich tatsächlich auf die neue Arbeitswelt vorbereiten können, und ob KI bereits Teil der Schul- und Hochschulbildung ist. Ihre Bekannte Alexandra, die hier genannt ist, wusste nämlich aus eigener Erfahrung, dass dem nicht so ist.

Gesprächspartner:innen

  • Markus Fallenböck ist Vizerektor für Personal und Digitalisierung sowie Universitätsprofessor für Technologie- und Innovationsrecht an der Universität Graz. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der rechtlichen und wirtschaftlichen Umsetzung der digitalen Transformation. Zuvor verantwortete er die Bereiche Finanzen, Personal und Recht an der Universität für Weiterbildung Krems und war geschäftsführender Gesellschafter beim Fintech Sunrise. Markus Fallenböck hat an der Universität Graz und der Yale Law School Rechtswissenschaften studiert.

  • Angela Fessl ist Stellvertretende Forschungsbereichsleiterin & Senior Researcher im Bereich Data-driven Business am Know Center, einem Innovations- und Forschungszentrum für vertrauenswürdige KI in Graz. Zugleich forscht sie am Institut für Interaktive Systeme und Data Science der Technischen Universität Graz. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen (betriebliches) Lernen, Bildungstechnologien, digitale Transformation und digitale Kompetenzen.

  • Robert Rainer ist Informatiker und Gründungsmitglied der Bewerbungsplattform Prescreen, das in Wien als Startup seinen Ausgang nahm, später vom internationalen Jobs-Netzwerk XING übernommen wurde und heute unter dem Namen Onlyfy firmiert.

  • Julian Stahl ist Arbeitsmarkt-Experte bei XING, einem sozialen Netzwerk mit Sitz in Hamburg, in dem die Mitglieder vorrangig berufliche Kontakte und Zugriff auf Stellenausschreibungen haben. Es hat mehr als 21,5 Millionen Nutzer in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Daten und Fakten

  • Die Idee, dass sich die Vorgänge des menschlichen Denkens automatisieren lassen, ist nicht neu. Als früheste Quelle wird zumeist Julien Offray de La Mettrie und sein 1748 veröffentlichtes Werk „L’Homme Machine“ genannt. Als Gründungsveranstaltung der Künstlichen Intelligenz als akademisches Fachgebiet gilt allerdings die Dartmouth Conference im Sommer 1956, ein sechswöchiger Workshop der Rockefeller-Stiftung, im Rahmen dessen ein Grundsatzpaper herausgegeben wurde.

  • Im November 2022 stellt das US-Software-­Unternehmen OpenAI mit ChatGPT einen Chatbot vor, der in der Lage ist, mit Nutzer:innen über textbasierte Nachrichten und Bilder zu kommunizieren. Die Grundlage ist ein sehr leistungsfähiges Sprachmodell, das mit einer Vielzahl von Textdokumenten trainiert wurde (Large Language Model).

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien