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Der Nachwuchs aus dem Gefrierschrank

7 Min
Fehlende Partner, Karriere oder Unsicherheit über die eigene Zukunft: Für das Einfrieren von Eizellen gibt es viele Gründe.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

Späte Mutterschaft ist heute kein Problem mehr: Mit „Social Freezing“ einfach die Eizellen einfrieren und zum selbst gewählten Zeitpunkt wieder auftauen. Ganz so einfach gestaltet sich der Vorgang dann doch nicht.


Geht Carina heute an einem Spielplatz voller Kinder vorbei, ist sie innerlich entspannt. Das war nicht immer so: Jahrelang löste das aufgeregte Stimmgewirr und die vermeintliche familiäre Idylle innere Unruhe in ihr aus - würde all das auch Teil ihrer Zukunft sein? Vorstellen konnte sie es sich nicht. Das Hadern mit der Situation war trotzdem da, der Partner fehlte, ein Entschluss musste her. Carina war Anfang 30, als sie sich dafür entschied, ihre Eizellen einfrieren zu lassen, denn der richtige Zeitpunkt für die Familiengründung war einfach noch nicht gekommen. „Es war keine einfache Entscheidung, ich habe lang über den Schritt nachgedacht“, sagt die Britin, die den Eingriff in England durchführen ließ. Dort ist das Prozedere weniger kompliziert als in Österreich. In Österreich ist dieser Eingriff nur bei einer medizinischen Indikation, wie etwa bei Krebserkrankungen oder Endometriose, erlaubt. Die Familienplanung aus rein persönlichen Gründen nach hinten zu verschieben, wie etwa Carina es tat, ist hierzulande kein Grund.

Studien zeigen, dass das Einfrieren von Eizellen – auch „Social Freezing” genannt – immer stärker nachgefragt wird. 2019 ließen zum Beispiel in der Schweiz – für Österreich gibt es diese Zahlen nicht – insgesamt 841 Frauen einige ihrer Eizellen einfrieren, drei Jahre später waren es bereits 1.903. Die Motivationen hinter dem Eingriff sind vielfältig: der fehlende Partner, die Karriere oder die Unsicherheit über die eigene Zukunft.

Familienplanung auf Eis gelegt

Was genau Social Freezing ist, weiß die Reproduktionsmedizinerin Maria Röthlisberger: „Social Egg Freezing bezeichnet das Verfahren, bei dem Eizellen eingefroren werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt aufzutauen, zu befruchten und in die Gebärmutter einzusetzen. Diese Methode ermöglicht es Frauen, den für sie besten Zeitpunkt für eine mögliche Schwangerschaft selbst zu wählen“, sagt sie zur WZ. Dennoch sind eingefrorene Eizellen keinerlei Garantie für eine Schwangerschaft und unkomplizierte Familiengründung in der Zukunft. Sollten sie später verwendet werden, geschieht dies im Rahmen einer künstlichen Befruchtung.

Social Freezing ermöglicht, den besten Zeitpunkt zu wählen.
Maria Röthlisberger

Österreicherinnen, die sich für „Social Freezing“ entscheiden, können nur die Vor- und Nachbehandlung in Österreich durchführen. Die Eizellen selbst werden im nahegelegenen Ausland abgenommen. Kliniken in Tschechien oder Deutschland werden häufig aufgesucht. Günstig ist der Eingriff allerdings nicht: Frauen müssen mit Kosten von 7.000 bis 8.000 Euro rechnen, für die Lagerung der unbefruchteten Eizellen werden jährlich nochmals etwa 300 Euro berechnet. Das kann sich also nur eine bestimmte Klientel leisten. Und selbst wenn „Social Freezing“ wegen einer medizinischen Indikation notwendig sein sollte, gibt es von der Krankenkasse keine finanzielle Unterstützung.

Volle Ladung Hormone

Bevor Eizellen entnommen werden können, müssen sich Frauen einer Hormonbehandlung unterziehen. Diese ist notwendig, um die Eierstöcke anzuregen, nicht nur eine, sondern gleich mehrere Eizellen gleichzeitig reifen zu lassen. Sie ist aber auch einer der größten Sorgenpunkte von Frauen, die sich für „Social Freezing” entscheiden. Bei Carina war das nicht anders: „Die Hormonbehandlung war furchtbar. Es war kein Problem für mich, mir die Spritzen zu verabreichen, das war idiotensicher. Aber die emotionale Wirkung der Hormone war auffallend stark. Es gab Tage, an denen meine Stimmung so schlecht war, dass ich kaum arbeiten konnte“, erinnert sie sich.

Frauen reagieren individuell auf Hormonbehandlungen. Die Sozialwissenschaftlerin Johanna Kostenzer, die zum Thema „Social Freezing” geforscht hat, bestätigt Carinas Aussage. Dennoch erleben nicht alle Frauen die Behandlung auf diese Weise: Reproduktionsmedizinerin Röthlisberger berichtet, dass ihre Patientinnen die Hormone gut vertragen würden und sie oft das Feedback bekomme, dass diese „weniger schlimm als gedacht” seien. Die Hormonbehandlung dauert im Schnitt zehn Tage, dann wird der Eisprung ausgelöst.

Hürdenlauf zur Mutterschaft

Carina ist nicht die Einzige, die ihre Eizellen vorerst auf Eis legen möchte. In Österreich steigt die Nachfrage stetig. Auch Sabrina Krobath, die sich nach einer gescheiterten Beziehung mit Ende 30 über alternative Wege zur Mutterschaft informierte, wollte den Eingriff vornehmen lassen. Ihr Vorhaben scheiterte an der wenig liberalen Gesetzeslage in Österreich. Alleinstehende Frauen dürfen nämlich hierzulande weder ihre Eizellen einfrieren noch sich künstlich befruchten lassen. „Es kann ja nicht sein, dass in Österreich Dritte darüber entscheiden, was eine Frau mit ihrem Körper macht“, sagt die Unternehmerin im Gespräch mit der WZ. Dieser Umstand motivierte sie dazu, die Bürgerinitiative „Zukunft Kinder“ zu gründen, die sich für die Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes einsetzt. „Die Hauptforderung der Initiative ist, dass das Einfrieren von Eizellen bis 35 Jahre ohne medizinische Indikation erlaubt werden soll. Man soll für diesen Routineeingriff nicht mehr ins Ausland fahren müssen.“

Es kann nicht sein, dass Dritte über den Körper einer Frau entscheiden.
Sabrina Krobath

Ein Blick in die Statistik zeigt, dass sich eine Gesetzesliberalisierung wohl lohnen könnte, wenn mehr Kinder gewünscht sind. Denn die Österreicherinnen werden immer später Mütter. Im Jahr 1992 waren Frauen bei der ersten Geburt durchschnittlich 25,3 Jahre alt, 2022 lag das Durchschnittsalter bereits bei 30,3 Jahren. Dadurch gibt es auch weniger Kinder: Frauen werden mit einem begrenzten Kontingent an Eizellen mit unterschiedlicher Qualität geboren. Mit jeder Regelblutung geht mindestens eine ab, wobei am Anfang eher die besseren zur Befruchtung gelangen, am Ende der Fruchtbarkeit eher die schlechteren. Irgendwann ist der Vorrat erschöpft, die Fruchtbarkeit endet. Daher wird es mit zunehmendem Alter immer schwieriger, schwanger zu werden, da weniger gute und fruchtbare Eizellen übrig sind. Die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Weg schwanger zu werden, beträgt mit 20 Jahren 86 Prozent und sinkt mit 40 Jahren auf 36 Prozent. Idealerweise sollten sich Frauen ihre Eizellen vor ihrem 35. Geburtstag entnehmen lassen, wenn sie „Social Freezing“ machen wollen.

Karrierefrau – ein falsches Klischee

Frauen, die sich für „Social Freezing“ entscheiden, sind meist gut gebildete Akademikerinnen und stehen mitten im Leben, sind sich Expert:innen einig. Das Klischee von der um jeden Preis karriereorientierten Frau, die das Kinderkriegen willentlich dem Beruf opfert, entspreche allerdings nicht der Realität, betont die Sozialwissenschaftlerin Kostenzer: „Die Karriere mag ein Faktor sein, aber es ist ein viel breiteres Set an Gründen, zum Beispiel, dass der passende Partner fehlt oder man zuerst finanzielle Sicherheit erreichen möchte. Jedoch kann man bei all der Planung normalerweise eines nicht nach hinten verschieben: die Grenzen der Biologie.“ Für genau dieses Problem bietet „ Social Freezing” einen Ausweg, indem es Frauen ermöglicht, sich zuerst selbst abzusichern und dann Mutter zu werden.

Die Traumvorstellung vieler betroffenen Frauen ist dennoch das konventionelle Familienmodell: ein genetisch eigenes Kind und eine stabile Partnerschaft. Wenn sie mit Ende 30 merken, dass es mit der Partnerschaft nicht klappt, kann es durchaus zu panischen Reaktionen kommen. „Panic Partnering“ nennt sich die Suche nach einer geeigneten Bindung unter hohem Druck – oft ohne Erfolg. Davon kann auch Sabrina Krobath von „Zukunft Kinder” ein Lied singen: „Mit Ende 30 und einem Kinderwunsch, den man offen kommuniziert, einen Mann zu finden, ist eine Sache der Unmöglichkeit.“ Das Klischee der um jeden Preis karriereorientierten Frau stimmt also auch hier nicht. „Aus mehreren Studien geht hervor, dass die Hauptmotivation für das Einfrieren der Eizellen das Fehlen eines geeigneten Partners ist”, sagt Sozialwissenschaftlerin Kostenzer.

Aus heutiger Sicht ist sich Carina nicht sicher, ob sie das Prozedere ein weiteres Mal über sich ergehen lassen würde – bereuen tut sie es aber nicht. Sollte sie den Wunsch verspüren, Mutter zu werden, warten ihre Eizellen auf sie – im Gefrierschrank in Großbritannien, auf minus 196 Grad heruntergekühlt.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner:innen

  • Carina, Betroffene, Name ist der Redaktion bekannt

  • Sabrina Krobath, Unternehmerin und Initiatorin der Bürgerinitiative „Zukunft Kinder

  • Johanna Kostenzer, Sozialwissenschaftlerin. Sie hat an der Erasmus Universität Rotterdam zum Thema Social Egg Freezing geforscht.

  • Maria Röthlisberger, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtenhilfe, Klinik Wunschkind

Daten und Fakten

  • Vor dem Einfrieren der Eizellen durchläuft die Frau eine Hormonstimulation, um mehrere Eizellen zu produzieren. Diese werden dann in einem medizinischen Verfahren entnommen und mittels Vitrifikation (einer schnellen Einfriertechnik) bei sehr niedrigen Temperaturen gelagert.

  • Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Social Freezing variieren stark zwischen Ländern.

  • Die Eizellen werden in Kryo-Tanks, die mit flüssigem Stickstoff gefüllt sind, bei einer Temperatur von -196 Grad eingefroren. In diesen Tanks können die Eizellen so lange gelagert werden, bis sie zu einem gewünschten Zeitpunkt wieder aufgetaut werden sollen.

Quellen:

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