Weiß, männlich, rechts: So lässt sich die Tech-Szene auch im Jahr 2025 beschreiben. Doch einige Frauen gestalten die Zukunft des Internets neu.
Tim Cook, Mark Zuckerberg, Sundar Pichai und Elon Musk haben einiges gemeinsam. Sie sind die CEOs der wertvollsten Unternehmen der Welt, sie waren bei US-Präsident Donald Trumps Amtseinführung dabei, und sie sind vor allem eines: Männer. Die Technologiebranche war nie für ihre Vielfalt bekannt, droht aber noch homogener zu werden. Trump kämpft gegen DEI-Programme (Diversity, Equity and Inclusion), Meta-CEO Mark Zuckerberg schließt sich dieser Strategie an und streicht die Diversity-Offensive im eigenen Konzern. Mit einem der reichsten Männer der Welt, Tesla- und X-CEO Elon Musk, als Schattenpräsident scheint das Internet ein zunehmend feindlicher Ort zu werden.
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Verschlüsselung statt Datenhandel
Doch es gibt Hoffnung, denn die nächste Generation der Tech-CEOs ist weiblicher und setzt sich für ein freieres Internet ein. Eine von ihnen ist Meredith Whittaker, Präsidentin der Signal Foundation, der gemeinnützigen Stiftung hinter dem Messenger Signal. Die langjährige Google-Managerin wurde bei ihrem früheren Arbeitgeber bekannt, weil sie gegen sexuelles Fehlverhalten am Arbeitsplatz protestierte. Bei Signal gibt sie die Strategie für den verschlüsselten Messenger vor: Mehr Privatsphäre, weniger Überwachung. Nach den US-Wahlen seien die Downloads deutlich gestiegen, so Whittaker. Offizielle Zahlen veröffentlicht die Plattform nicht, Schätzungen zufolge sind es mittlerweile 70 Millionen Nutzer:innen.
In einer Welt, in der ihre Kolleg:innen Künstliche Intelligenz offensiv vorantreiben, äußert Whittaker sich skeptisch: „Ich glaube, wir stehen vor einer echten Gefahr. Zum Teil, weil wir diesen Systemen, die Zugang zu den Daten benötigen, so viel Kontrolle geben“, warnte sie Anfang März bei der Technologiekonferenz SXSW in Austin, Texas. Würde Signal sogenannte KI-Agenten integrieren, müsste dafür Zugriff auf die Nutzer:innendaten gegeben werden, und das will die Signal-Präsidentin verhindern.
Mehr Kontrolle für Social-Media-Nutzer:innen
Eine andere Managerin setzt sich in ähnlicher Weise für die Datenschutzrechte der Nutzer:innen ein: Jay Graber ist Geschäftsführerin der Social-Media-Plattform Bluesky. Die App hat ihre Wurzeln bei Twitter, spaltete sich aber vor der Übernahme durch Elon Musk ab. Twitter-Mitbegründer Jack Dorsey hatte damals die Idee eines dezentralen Twitters, bei der Ausgründung von Bluesky übernahm die Softwareentwicklerin Graber die Geschäftsführung. Öffentlich zugänglich ist die App erst seit 2024. Wie Signal konnte auch Bluesky durch die US-Wahl deutliche Zuwächse verzeichnen: Anfang 2024 waren es laut dem Unternehmen drei Millionen Nutzer:innen, Ende Jänner 2025 waren es 28 Millionen.
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Wie Signal-Chefin Whittaker will auch Graber ihrer Community mehr Kontrolle geben. Die Idee: Statt eines intransparenten Algorithmus entwickelt Bluesky einen „Choose your own adventure”-Algorithmus. Damit sollen Nutzer:innen selbst steuern können, welche Inhalte sie im Nachrichtenfeed sehen. Graber will ihr soziales Netzwerk auch „milliardärssicher“ machen. Sollte das Unternehmen von einem Milliardär übernommen werden, könnten die Nutzer:innen ihre Daten einfach transferieren und zu einer anderen Plattform wechseln.
Frauen in der KI-Branche
Nicht nur in der Social-Media-Branche, sondern auch in der KI-Szene machen zwei weibliche Führungskräfte auf sich aufmerksam: Mira Murati war bis 2024 CTO von OpenAI, dem Unternehmen hinter ChatGPT. Vor einigen Wochen kündigte sie ihr eigenes Startup namens „Thinking Machines Lab“ an. Viel ist dazu noch nicht bekannt, nur ihre Mission: „Wir bauen eine Zukunft auf, in der jeder Zugang zu dem Wissen und den Werkzeugen hat, um KI für seine individuellen Bedürfnisse und Ziele zu nutzen.“ Schon jetzt soll Muratis Lab mehr als neun Milliarden US-Dollar wert sein.
Einer der größten Mitbewerber von OpenAI ist Anthropic. Das Startup baut den Chatbot Claude und wurde von Daniela Amodei und ihrem Bruder Dario gegründet. Nachdem sich OpenAI-Gründer Sam Altman in den vergangenen Monaten US-Präsident Trump angenähert hat, wandelt er die Organisation derzeit in ein gewinnorientiertes Unternehmen um. In der Zwischenzeit konnte Amodei das Europäische Parlament als Kunden gewinnen und zeigt damit, dass man als US-Unternehmen mit Fokus auf Sicherheit auch in Europa Vertrauen gewinnen kann.
Alle diese Frauen haben das Potenzial, der nächste Mark Zuckerberg – also der nächste Kopf eines revolutionären Konzerns – zu werden. Ihre Unternehmen befinden sich jedoch noch in der Wachstumsphase, die zu Verkäufen, Insolvenzen oder Börsengängen führen kann. Es ist also nicht unrealistisch, dass eines der Startups von den Big-Tech-CEOs geschluckt wird. Dennoch schüren Meredith Whittaker, Jay Graber, Mira Murati und Daniela Amodei die Hoffnung auf ein nutzer:innenfreundlicheres Internet.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
Der verschlüsselte Messenger Signal und die Twitter-Alternative Bluesky verzeichneten nach der US-Wahl Ende 2024 signifikante Nutzer:innenzuwächse.
Die Chefinnen der beiden Plattformen zeigen sich skeptisch gegenüber KI und intransparenten Algorithmen und wollen mehr Kontrolle für Nutzer:innen.
Anthropic, ein frauengeführter Mitbewerber von OpenAI, hat das Europäische Parlament als Kunden gewonnen.
Das Startup von Ex-OpenAI-CTO Mira Murati wird schon vor dem Launch mit neun Milliarden US-Dollar bewertet.
Quellen
Business of Apps: Signal Revenue & Usage Statistics (2025)
Linkedin: Jay Graber
Signal: President Meredith Whittaker
Youtube: SXSW 2025 Interview mit Jay Graber
thinkingmachines.ai: Thinking Machines Lab
Anthropic Customers: European Parliament
Business Insider: Mira Murati's new AI startup is set to be valued at $9 billion, sources say