PodcastGeorg Renner hat sich diese Woche die neue Regelung der Weiterbildungszeit näher angesehen.
Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) hat am Dienstag einen Entwurf für die Nachfolge der Bildungskarenz vorgelegt. In den kommenden Tagen – die Frist für Stellungnahmen ist mit zwei Wochen recht kurz – kann jedermann (auch du!) auf der Website des Parlaments seine Meinung zu dem Gesetz kundtun. Noch im Herbst wird der fertige Entwurf dann dem Nationalrat übergeben und wohl auch beschlossen werden, sodass es ab Anfang 2026 möglich ist, die neue Bildungskarenz, aka „Weiterbildungszeit“ in Anspruch zu nehmen.
- Mehr für dich: Lehrer:innen-Mangel: Wer rettet die Klassenzimmer?
Die neue Regelung ist recht schnell erklärt: Das Konzept ist das gleiche wie bisher – man vereinbart mit der/dem Arbeitgeber:in, sich für zwei Monate bis zu einem Jahr freistellen zu lassen, um sich in dieser Zeit fortzubilden. In den meisten Fällen zahlt der Betrieb dann nichts, stattdessen bekommt man Geld vom AMS, die sogenannte „die Weiterbildungsbeihilfe“.
Wer kann die Weiterbildungszeit nutzen? Die neue Regelung richtet sich gezielt an Menschen mit geringeren formalen Qualifikationen; das ist ein klarer Kurswechsel gegenüber der alten Bildungskarenz, die vor allem von bereits gut ausgebildeten Personen genutzt wurde. Wer die Weiterbildungszeit in Anspruch nehmen will, muss mindestens zwölf Monate beim aktuellen Arbeitgeber beschäftigt sein (in Saisonbetrieben reichen drei Monate). Für Menschen mit Master-Abschluss gelten verschärfte Regeln: Sie müssen zuvor insgesamt mindestens vier Jahre versicherungspflichtig gearbeitet haben. Ein direkter Anschluss an die Elternkarenz ist nicht mehr möglich. Zwischen Elternkarenz und Weiterbildungszeit muss jetzt mindestens ein halbes Jahr regulärer Beschäftigung liegen.
Was sind die Voraussetzungen? Die Weiterbildung muss mindestens 20 Wochenstunden umfassen (bei Betreuungspflichten 16 Stunden) oder bei einem Studium 20 ECTS-Punkte pro Semester. Anders als früher prüft das AMS dann vorab, ob die geplante Weiterbildung arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist – eine verpflichtende Bildungsberatung vor Antragstellung soll dabei helfen. Während der Weiterbildungszeit sind regelmäßige Meldungen beim AMS und Erfolgsnachweise nötig. Das soll verhindern, dass die Förderung als bezahlte Auszeit missbraucht wird. Wie bisher gibt es keinen Rechtsanspruch auf die Weiterbildungszeit – der Arbeitgeber muss zustimmen.
Du bekommst solche Beiträge lieber per Mail? Jetzt Newsletter abonnieren!
)
Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Wie viel Geld gibt es? Hier zeigt sich der „soziale“ Fokus der Reform: Die Mindestbeihilfe steigt auf 1.212 Euro monatlich – fast dreimal so viel wie bei der alten Bildungskarenz. Je nach vorherigem Einkommen kann die Beihilfe bis zu 2.038 Euro betragen. Verdient man über 3.225 Euro brutto, muss sich der Arbeitgeber mit 15 Prozent an den Kosten beteiligen – eine völlig neue Regelung. Für die Republik wird das Modell deutlich günstiger: Statt zuletzt 650 Millionen Euro jährlich sind nur noch 150 Millionen Euro für diese Bildungskarenz budgetiert. Die Einsparungen ergeben sich vor allem durch die strengeren Zugangsvoraussetzungen und den Wegfall der direkten Anschlüsse an die Elternkarenz.
Sprich: Es werden weniger Leute nutzen können, weil das Modell deutlich unattraktiver ist als die bisherige Bildungskarenz. Was ja auch Sinn der Sache ist, wenn man die Probleme der bisherigen Regelung anschaut. Diese wurde in einem Rechnungshofbericht (den hatten wir an dieser Stelle schon einmal, siehe hier) und einer Wifo-Evaluierung ordentlich verrissen . Nur unwesentlich verkürzt gesagt: In den letzten Jahren ihrer Existenz ist die Bildungskarenz vor allem von bereits sehr gut ausgebildeten, gutverdienenden Akademiker:innen in Anspruch genommen worden, um a) relativ günstig eine Auszeit vom Beruf zu nehmen oder b) die Elternkarenz zu verlängern.
Die prinzipiell 2010 eingeführte Bildungskarenz ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden:
Das klingt grundsätzlich gut und nett, nur ist das beträchtliche Wachstum seit 2018 fast ausschließlich auf eine einzige Gruppe zurückzuführen:
Wir sehen hier: Binnen drei Jahren hat sich die Zahl der Frauen, die nach einer Elternkarenz unmittelbar in die Bildungskarenz übergehen, geradezu explosionsartig vervielfacht.
Jetzt kann man lange politisch darüber diskutieren, ob das nicht ein guter Effekt wäre: Einerseits, um mangelnde Betreuungsmöglichkeiten zu übertauchen, andererseits, weil Mütter, die sich in der Bildungskarenz immerhin weiterbilden, ansonsten einfach die normale Karenz verlängert hätten.
Andererseits kann man sagen, dass das für den Steuerzahler relativ kostspielige Modell der Bildungskarenz nicht entwickelt wurde, um bereits gutverdienenden Eltern die Vereinbarkeit leichter zu machen – sondern um dem Arbeitsmarkt zu nützen und langfristig über höhere Einkommen durch die Weiterqualifikation auch mehr Steuereinnahmen zu generieren. Und das war besonders dann nicht der Fall, wenn windige „Institute“ am Ende sogar damit warben, möglichst „billige“ Bestätigungen für Bildung in der Karenz auszustellen.
Zumindest das Elternkarenz-Thema wird mit der neuen Regelung, wenn sie denn beschlossen wird, der Vergangenheit angehören. Spannend wird die Frage, wie es sich auf Geringverdiener:innen auswirkt, für die das neue Modell dank der höheren Mindestförderung attraktiver sein sollte. Wir werden es bei der nächsten Evaluierung in zehn Jahren herausfinden. Oder vielleicht, hoffentlich, schon etwas früher.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen, dir ist ein Fehler aufgefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
- Rechnungshof Österreich: Bildungskarenz
- Parlament Österreich: Arbeitsmarktservicegesetz, Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, u.a., Änderung (46/ME)
- RIS: Begutachtungsentwürfe
- Der Standard: Vier Frauen müssen nach Verfahren zu Weiterbildungsgeld tausende Euro zurückzahlen
)
)
)