Die Wahl ist vorbei, die FPÖ stimmenstärkste Partei. Doch die Bildung einer neuen Regierung wird schwierig werden. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten auf das, was jetzt auf uns zukommt.
Muss der Bundespräsident die stärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragen?
Nein, das steht nirgendwo geschrieben, auch nicht in der Verfassung. Es ist aber Tradition in Österreich, dass der Bundespräsident die Partei, die als stärkste aus der Wahl hervorgegangen ist, damit beauftragt. Er kann auch jemand anderen betrauen, wenn er das Gefühl hat, dass dessen Chancen auf Erfolg größer sind. Er kann aber auch gar niemanden betrauen und eine Regierung ernennen.
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Prinzipiell braucht es für die Entstehung von Gesetzen 92 der insgesamt 183 Mandate. Die meisten Gesetze werden mit einfacher Mehrheit beschlossen, auch eine Regierung kann mit einfacher Mehrheit abgewählt werden. Eine Minderheitsregierung lebt also mit der ständigen Gefahr, von der Parlamentsmehrheit abgewählt zu werden, und sie braucht für alle Gesetze wechselnde Mehrheiten. Verfassungsgesetze brauchen überhaupt eine Mehrheit von zwei Drittel der Stimmen im Nationalrat, dazu müssen sich die meisten Regierungen zusätzlich Unterstützung von einer Oppositionspartei suchen.
Kann der Bundespräsident einen Kanzler verhindern?
Er kann sich theoretisch weigern, eine bestimmte Person zum Kanzler/zur Kanzlerin zu ernennen. Grundsätzlich ernennt der Bundespräsident den/die Kanzler:in und dann auf dessen/deren Vorschlag die Minister:innen und Staatssekretär:innen. Der Bundespräsident kann aber bestimmte Minister:innen verhindern und andere Vorschläge einfordern. Das ist in der Vergangenheit schon geschehen, etwa, als Thomas Klestil im Jahr 2000 die Politiker Hilmar Kabas und Thomas Prinzhorn (beide FPÖ) nicht angelobte. Dass ein Bundespräsident eine Koalition, die eine Mehrheit im Parlament hat, ablehnt, wäre theoretisch möglich. Allerdings wäre dann eine Staatskrise die Folge – das hat es in der Zweiten Republik noch nie gegeben.
Hat ein Bundespräsident schon jemals einen Kanzler verhindert?
Nein. Legendär ist aber die eisige Miene, mit der der damalige Bundespräsident Thomas Klestil am 4. Februar 2000 die ÖVP-FPÖ-Regierung angelobt hat. Klestil war vehementer Gegner einer Regierungsbeteiligung der FPÖ, war aber in dieser Frage machtlos.
Was steht in der Verfassung zur Regierungsbildung?
Laut Artikel 70 B-VG ernennt der Bundespräsident den/die Bundeskanzler:in und auf dessen/deren Vorschlag die einzelnen Minister:innen. Das kann er jederzeit tun, er ist dabei nicht an Wahlen gebunden. Auffällig ist, dass die Bundesverfassung nur ganz wenig zur Regierungsbildung sagt.
Das Parlament hat keine Mitsprache bei der Regierungsbildung, der Nationalrat kann aber der Regierung das Vertrauen verweigern. Einen solchen Misstrauensantrag gibt es zwar immer wieder, er war allerdings erst einmal in der Zweiten Republik erfolgreich: am 27. Mai 2019, als die Bundesregierung im Gefolge des Ibiza-Skandals abtreten musste.
Wer stellt den Nationalratspräsidenten/die Nationalratspräsidentin?
Die mandatsstärkste Partei hat im Nationalrat das Vorschlagsrecht auf den ersten Nationalratspräsidenten/die erste Nationalratspräsidentin, die zweiten beziehungsweise dritten Nationalratspräsident:innen werden von den jeweils nächstkleineren Parteien vorgeschlagen. Bisher ist es üblich, dass die anderen Parteien hier mitgehen und die jeweils vorgeschlagenen Mandatar:innen mit ihren Stimmen unterstützen. Das muss aber nicht so sein. Im jetzigen Fall könnte es zum Beispiel so sein, dass eine Mehrheit der Nationalratsabgeordneten einen FPÖ-Nationalratspräsidenten verhindert. Ein:e Nationalratspräsident:in ist hinter dem Bundespräsidenten offiziell die zweitmächtigste Person im Staat. Der neue Nationalrat tritt übrigens unabhängig von der Regierungsbildung zusammen: Der Bundespräsident muss ihn innerhalb von 30 Tagen nach der Wahl einberufen. Heuer wird die sogenannte konstituierende Sitzung des Nationalrats am 24. Oktober stattfinden.
Wie laufen Koalitionsverhandlungen ab, was passiert da?
Es geht darum, in Sondierungsgesprächen irgendwie eine Mehrheit zu finden. Deshalb führen die verschiedenen Parteien Gespräche und schauen, ob sie miteinander können. Der Bundespräsident soll dabei über die Fortschritte auf dem Laufenden gehalten werden. Im Anschluss an die Sondierungsgespräche gibt es Koalitionsverhandlungen zwischen den Partner:innen, wo am Ende eine Koalitionsvereinbarung geschlossen wird, in der die Vorhaben der Regierung bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode umrissen werden. Eine Gesetzgebungs- oder Legislaturperiode dauert in der Regel fünf Jahre.
Wie lang dauert es, bis es eine neue Regierung gibt?
Die durchschnittliche Dauer von Koalitionsverhandlungen seit 1945 beträgt in Österreich 62 Tage. Seit 1999 beträgt die Dauer durchschnittlich 90 Tage. Expert:innen wie der Politologe Peter Filzmaier rechnen damit, dass es diesmal angesichts der verfahrenen Lage noch länger dauern könnte, etwa sechs Monate.
Ist es undemokratisch, wenn Herbert Kickl nicht Kanzler wird und die FPÖ nicht in die Regierung kommt?
Der Standpunkt der FPÖ lautet, dass damit der Wähler:innenwille, der die FPÖ eindeutig zur stärksten Partei gemacht hat, nicht respektiert würde. Auf der anderen Seite hat die FPÖ nicht die absolute Mehrheit an Stimmen – also mehr als 50 Prozent – bekommen. Dann ginge sich eine Alleinregierung aus, was allerdings schon lang nicht mehr vorgekommen ist (zuletzt von 1971 bis 1983 unter SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky). Wenn sich eine Mehrheit im Parlament gegen die FPÖ formiert, wäre das demokratisch legitim. Dann wäre Herbert Kickl nicht Kanzler und die FPÖ nicht in der Regierung, sondern als stimmen- und mandatsstärkste Partei in der Opposition.
Wer regiert in der Zwischenzeit?
Die aktuelle Bundesregierung bietet dem Bundespräsidenten ihren Rücktritt an. Der akzeptiert das traditionell und bittet die aktuelle Regierung gleichzeitig, die Verwaltung fortzuführen, bis eine neue Regierung angelobt ist.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
Regierungsbildungen: Am längsten, nämlich 129 Tage, mussten die Österreicher:innen 1962/63 warten, bis ÖVP und SPÖ – widerstrebend – zum letzten Mal vor der Phase der Alleinregierungen einig wurden. Die zweitlängste Regierungsbildung gab es vor 25 Jahren, nach dem bis 2024 größten Wahlerfolg der FPÖ unter Jörg Haider. Insgesamt 124 Tage dauerte es, bis die erste schwarz-blaue Regierung unter Wolfgang Schüssel (ÖVP) stand.
Wählerströme: Die FPÖ hat ihren historischen Wahlsieg 2024 zu einem guten Teil ehemaligen Wähler:innen der ÖVP zu verdanken. 443.000 von ihnen wanderten im Vergleich zum Jahr 2019 zu den Freiheitlichen, wie eine Wählerstromanalyse von ORF/Foresight zeigt. Damals wählten etwa 1,8 Millionen Menschen die Volkspartei, heuer nur 1,3 Millionen. Die FPÖ hingegen steigerte ihre Wahlstimmen von 773.000 auf 1,4 Millionen. 258.000 Stimmen holten die Blauen aus dem Lager der Nichtwähler:innen.
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