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Blau und Schwarz wollen den Wirtschaftsstandort Österreich stärken – die Finanzierung versprochener Entlastungen ist fraglich.
„Leistung muss sich lohnen, und wer arbeitet und das System stärkt, dem soll etwas übrig bleiben.“ Das betont der ÖVP-Abgeordnete Kurt Egger auf Anfrage der WZ in seiner Funktion als Generalsekretär des Wirtschaftsbunds. „Ehrliche Leistung muss sich lohnen.“ Das ist auch aus der FPÖ zu hören, in deren Parteiprogramm festgehalten ist: „Wir fördern Leistung in einer Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung, schützen das Privateigentum und stehen für eine gerechte Aufteilung von Beiträgen und Leistungen für die Allgemeinheit.“
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Nicht nur in den Slogans sind sich Freiheitliche und Volkspartei trotz einiger Differenzen recht einig, wenn es um Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarkt und Unternehmertum geht – zumindest ähnlicher, als es die Nun-doch-nicht-Koalitionspartner ÖVP und SPÖ gewesen wären, meint nicht nur Hanno Lorenz, Stellvertretender Direktor der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria. Oliver Picek, Chefökonom des gewerkschaftsnahen Momentum Instituts, sieht gegenüber der WZ sogar im Wirtschaftsprogramm der FPÖ mehr oder weniger eine Kopie jenes der ÖVP. Und in den bisherigen schwarz/türkis-blauen Koalitionen hätten in der FPÖ meist die Wirtschaftsinteressen dominiert.
„Beide Parteien eint, dass sie im Wahlprogramm einen Fokus auf die Erholung der Wirtschaft als Grundpfeiler der Legislaturperiode gelegt haben“, so Lorenz. Sie wollen Österreichs Wettbewerbsfähigkeit stärken und dafür „die Wirtschaft von bürokratischen Fesseln befreien und die Abgaben für Betriebe sowie Beschäftigte reduzieren“. Folgerichtig nennt Wirtschaftsbund-Generalsekretär Egger auf die Frage nach den drei wichtigsten Punkten für die ÖVP „erstens die Senkung der Abgabenquote und steuerliche Entlastungen, um den Wirtschaftsstandort zu stärken, zweitens eine aktive Standortpolitik, die Investitionen fördert und Arbeitsplätze sichert, drittens effektive Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, um die Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten“.
Wahlversprechen ohne Budgetsanierung unerfüllbar
Offen bleibt allerdings, wie das alles in Anbetracht der angespannten Budgetlage finanziert werden soll; weder im Wahlkampf noch danach war dazu etwas zu hören. Eine Pensionsreform, die dabei helfen könnte, dürfte zumindest „keine Herzensangelegenheit“ von FPÖ und ÖVP sein, glaubt Lorenz. Dabei war es eine schwarz-blaue Regierung, damals unter Kanzler Wolfgang Schüssel, die vor etwas mehr als 20 Jahren die letzte große Pensionsreform realisiert hat. Ob es sich Herbert Kickl als Kanzler mit einem guten Viertel der Wählerschaft verscherzen möchte? Eher zweifelhaft.
Sowohl FPÖ als auch ÖVP muss aber klar sein, dass ihre diversen Wahlversprechen ohne eine Budgetsanierung unerfüllbar sind, meint Momentum-Chefökonom Picek. Zum Beispiel sollten laut den Wirtschaftsprogrammen beider Parteien „vor allem die Unternehmen mit Geld überschüttet werden“, wie es Picek formuliert. Doch statt Steuern und Abgaben um insgesamt 15 bis 20 Milliarden Euro zu senken, müssten laut den EU-Budgetregeln in den kommenden Jahren sogar Steuern erhöht oder aber Ausgaben gekürzt werden, und zwar um rund 18 Milliarden Euro. „Das bedeutet, die nächste Regierung muss den Bürger:innen Geld wegnehmen“, stellt Picek fest. Er ortet hier einen Knackpunkt bei den Koalitionsverhandlungen und erwartet „zunächst einmal nur kleine Zuckerl für die Unternehmer:innen, die nicht so viel kosten, etwa eine Senkung der Körperschaftssteuer nur für kleine Unternehmen“. Größere Senkungen dürften ans Ende der Legislaturperiode verschoben werden. Einig sind sich FPÖ und ÖVP zwar, dass die Arbeiterkammerbeiträge und der ORF-Beitrag zu hoch sind, aber den Öffentlichen Rundfunk stattdessen mit Budgetmitteln zu finanzieren, würde dem Haushalt weiter schaden.
Einsparungen bei den Arbeitnehmer:innen
Wo sind nun unter einer FPÖ-ÖVP-Regierung Einsparungen zu erwarten? Picek nennt die Bildungskarenz, den Klimabonus (zuletzt je nach Region 145 bis 290 Euro pro Jahr) und das Klimaticket, das für 18-Jährige gratis und für Personen bis 25 und ab 65 Jahren sowie Familien günstiger ist. Auch Lorenz rechnet mit „einem Ende der Klimaschutz-Euphorie. Europäischer Vorreiter will man hier definitiv nicht mehr sein, und ideologische Ziele werden der praktischen Umsetzbarkeit untergeordnet werden.“
Picek ist jedenfalls überzeugt, dass Einsparungen vor allem die Arbeitnehmer:innen treffen dürften. Er sieht zwar auch Sparpotenzial bei Unternehmensförderungen, „aber da erwarte ich kaum Änderungen, zu stark sprechen die Interessen der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer dagegen, die in dieser Regierung eine große Rolle spielen werden.“
Geht Kickl bei einem „sozialen Kahlschlag“ mit?
Die große Frage ist allerdings, ob und zu welchen Zugeständnissen die FPÖ bereit ist, wenn es um die Gegenfinanzierung etwa von Lohnnebenkosten- und Steuersenkungen für Unternehmen geht, die der ÖVP ein Anliegen sind. Die Volkspartei möchte Beschäftigte bis 67 Jahre arbeiten lassen, das Arbeitslosengeld kürzen und die Beamt:innengehälter (auch bei der Polizei) reduzieren. Wird Kickl bei einem „sozialen Kahlschlag“, den Picek darin sieht, mitgehen oder muss die ÖVP Abstriche machen? Und: „Setzt man im Wirtschaftsbereich wirklich etwas um oder überspielt man das Thema mit möglichst lauter Anti-Migrationspolitik?“
Die FPÖ wiederum liebäugelt offen mit Preiseingriffen, um das Leben leistbarer zu machen. „Das tatsächlich umzusetzen, wäre für die selbsternannte Wirtschaftspartei ÖVP nur schwer zu argumentieren“, vermutet Agenda-Vize Lorenz. Als Knackpunkt sieht er auch das Verhältnis zur EU. Während die FPÖ sich offen gegen „die dort in Brüssel“ positioniert und viele ihrer Wähler:innen einem „Öxit“ zustimmen würden, sieht zwar auch die ÖVP in vielen Belangen die EU als Ursache für die heimischen Probleme, „doch weiß sie auch um die Vorteile des gemeinsamen Binnenmarktes für die Industrienation Österreich“, meint Lorenz. Die Gretchenfrage lautet für ihn, nicht zuletzt mit Blick auf die Energieversorgung: „Wie hält es diese Regierung mit der Ukraine und Russland?“
Interessant ist, dass von der ÖVP auf die Frage, in welchen wirtschaftspolitischen Punkten die FPÖ am weitesten von ihr entfernt sei, keine konkrete Antwort kommt. Stattdessen bleibt Wirtschaftsbund-Generalsekretär Egger recht allgemein, wenn er klarstellt: „Die pro-europäische Ausrichtung, unser Schutz der Souveränität, der liberalen Demokratie und des Rechtsstaats – diese Prinzipien sind für die Volkspartei nicht verhandelbar.“
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Infos und Quellen
Genese
Welche Forderungen der bevorstehenden Koalition sind tatsächlich realistisch durchsetzbar? Diese Frage hat sich die WZ-Redaktion gestellt und Themenbereiche verteilt.
Gesprächspartner
Kurt Egger ist Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbunds und Nationalratsabgeordneter der ÖVP.
Hanno Lorenz ist Stellvertretender Direktor der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria.
Oliver Picek ist Chefökonom des gewerkschaftsnahen Momentum Instituts.
Daten und Fakten
Die FPÖ hat im Sommer die EU-Wahl mit 25,4 Prozent der Stimmen gewonnen. Es folgte die ÖVP mit 24,5 Prozent, dann die SPÖ mit 23,2 Prozent. Die Grünen erhielten 11,1 Prozent, die Neos 10,1 Prozent.
Bei der Nationalratswahl fiel der Sieg der FPÖ deutlicher aus: Die Freiheitlichen errangen 28,85 Prozent, die ÖVP 26,7 Prozent und die SPÖ 21,14 Prozent. Es folgen die Neos mit 9,14 Prozent und die Grünen mit 8,24 Prozent. Eine Koalition der ÖVP mit der SPÖ hätte einen ganz knappen Überhang von einem Mandat gehabt. FPÖ und ÖVP haben mit 108 von 189 Sitzen eine komfortable Mehrheit.
Die heimische Wirtschaftsleistung ist im abgelaufenen Jahr 2024 um 0,9 Prozent zurückgegangen, 2023 waren es minus 1,0 Prozent; damit hat Österreich zwei Rezessionsjahre in Folge erlebt und gehört zu den Schlusslichtern in der EU beim Wirtschaftswachstum. Für das Jahr 2025 erwarten die Wirtschaftsforscher:innen von WIFO (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) und IHS (Institut für Höhere Studien) in ihrer Prognose nur einen leichten Anstieg des BIP um 0,6 beziehungsweise 0,7 Prozent. Die Inflation ist zwar im Jahr 2024 auf etwa drei Prozent stark zurückgegangen, der Anstieg der Stromnetzentgelte trägt allerdings dazu bei, dass die Inflation auch 2025 oberhalb des EZB-Ziels bleibt (laut WIFO 2,3 Prozent, laut IHS 2,6 Prozent). Ohne Konsolidierung steigt das Budgetdefizit im Jahr 2025 auf 4,2 Prozent des BIP, warnt das WIFO. Die sogenannten Maastricht-Kriterien der EU sehen hingegen ein maximales Defizit von drei Prozent des BIP vor. Würde man es auf diesen Wert senken, würde das Wirtschaftswachstum laut WIFO jedoch um 0,5 bis 1 Prozentpunkt sinken.
Quellen
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
ORF: Das Programm der ÖVP
Der Standard: Die FPÖ-Wähler wollen den Öxit