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Verantwortungsvolles digitales Verhalten heißt nicht, keine digitalen Medien mehr zu nutzen, sondern abzuwägen, was man dafür zu geben bereit ist, und dort aufmüpfig zu sein, wo es nötig ist. Ein Gespräch mit Netzphilosophin und Autorin Leena Simon.
Leena Simon ist Philosophin mit den Schwerpunkten Internet und Digitalität und plädiert für eine neue Haltung im digitalen Raum: mehr Verantwortung, mehr Grenzen, mehr Mündigkeit. Im Interview erklärt sie, was das bedeutet, was die Plattform Bluesky ist und warum wir uns weniger von Algorithmen gefallen lassen sollten. Ein Plädoyer für Eigensinn und Rebellion in einer vernetzten Welt.
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Man kann auch mündig rauchen, wenn man weiß, was man da tut.Leena Simon, Netzphilosophin und Autorin
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Infos und Quellen
Gesprächspartnerin
Leena Simon ist graduierte Philosophin mit Schwerpunkt Netzphilosophie, IT-Beraterin und Autorin. Sie beschäftigt sich mit digitaler Mündigkeit und Technikpaternalismus, arbeitet für den Verein Digitalcourage, der sich für Grundrechte und Datenschutz einsetzt, und bietet als freie Referentin Vorträge und Fortbildungen an. Ihr Ziel: Menschen befähigen, Verantwortung für ihre digitale Kommunikation zu übernehmen. Im März 2024 erschien ihr Buch „Digitale Mündigkeit: Wie wir mit einer neuen Haltung die Welt retten können“.
Leenas zehn Tipps zur angewandten digitalen Mündigkeit:
- Die 30-Minuten-Regel: Nimm dir zumindest 30 Minuten Zeit, um Probleme zu verstehen, die im digitalen Kontext auftauchen. Klappt es dann immer noch nicht, suche online nach Lösungsvorschlägen oder zieh eine andere Person zur Hilfe hinzu und lass dir den Lösungsweg erklären.
- Sichere Passwörter: Verwende Eselsbrücken, um schwer knackbare Passwörter zu erstellen, und Passwort-Manager, um sie im Zweifel nicht zu vergessen.
- Freie Software & offene Schnittstellen: Für die meisten Anwendungen gibt es Open-Source-Alternativen wie Firefox, Thunderbird oder Linux. Nutze sie.
- AGB prüfen: Auch wenn es oft mühsam ist, solltest du etwas Zeit investieren, um Allgemeine Geschäftsbedingungen zumindest einmal zu scannen. Extrem lange und unverständliche AGB wollen vielleicht gar nicht gelesen werden – möglicherweise ein Hinweis darauf, dass sie Unerfreuliches verbergen.
- Eigensinn verteidigen: Wenn Freund:innen oder Verwandte einen Kommunikationskanal nicht verwenden wollen, gestehe ihnen diesen Eigensinn zu und schließe sie deshalb nicht aus.
- Cloud vermeiden: Anstatt dich auf Cloud-Dienste zu verlassen, kannst du auch eine eigene Cloud betreiben, beispielsweise über den Anbieter Nextcloud, oder dich für kommerzielle Anbieter entscheiden und die Dateien dort in verschlüsselten Containern ablegen.
- Quellen prüfen: Bevor du bei WhatsApp, X, Facebook und Co. einfach etwas „teilst“, informiere dich, woher die Inhalte stammen. Besonders Bilder werden oft verfälscht und/oder in einen falschen Kontext gesetzt.
- Verschlüsseln: Für das Verschlüsseln gibt es verschiedene Methoden – und Messengerdienste wie WhatsApp, Signal, Threema oder Telegram gehen unterschiedlich mit den Daten ihrer Nutzer:innen um, genauso wie Anbieter von E-Mail-Konten. Setze dich damit auseinander.
- Überwachungskapitalismus verstehen: Versuche zu verstehen, wer ein Interesse an deinen Daten hat und mit welchen Geschäftsmodellen daraus Profit geschlagen werden kann.
- Solidarität: Stelle dir öfter die Fragen: Wie sind andere Menschen von meinen digitalen Handlungen betroffen? Schadet mein Verhalten vielleicht anderen Menschen?
Daten und Fakten
Im Digitalen Aktionsplan Austria des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort wird digitale Mündigkeit als ein Pfeiler einer „digitalen Verantwortungsgesellschaft“ genannt. Das Zukunftsbild für den digitalen Standort Österreich 2040–2050 sieht vor, dass Menschen die Digitalisierung in allen Lebensbereichen möglichst eigenverantwortlich nutzen. Zudem sollen Institutionen und Unternehmen Daten im Einklang mit datenschutzrechtlichen Vorgaben bestmöglich nutzen können, während der Einzelne der „Daten-Souverän“ bleibt.
Quellen
Simon, Leena (2024). Digitale Mündigkeit: Wie wir mit einer neuen Haltung die Welt retten können
Das Thema in der WZ
KI – Neue Technik für eine alte Sehnsucht
Die größte IT-Schwachstelle ist der Mensch
KI: Viel Leistung, aber kein Verstand
Das Thema in anderen Medien
Perspective Daily: Der 10-Punkte-Plan zur digitalen Mündigkeit
Netzpolitik.org:
Digitale Mündigkeit im Selbstversuch: Eine neue Art zu leben
Digitale Mündigkeit: WhatsApp? Nein, danke.
Philosophie Magazin: Mit Kant zur digitalen Mündigkeit