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Auf Social Media wird fast jede Woche zum Kaufstopp eines neuen Produkts aufgerufen. Dabei wird Konsum zu einem Machtinstrument stilisiert, das er nicht ist.
Eine Sache vorneweg: Ich kann die Sache mit den Warenboykotten/Kaufaufrufen auf Social Media durchaus nachvollziehen. Täglich brechen die Nachrichten mit neuen Katastrophen über uns herein, die Klimakrise sitzt uns wie eine unbezahlte Klarna-Rechnung im Nacken und wenn nicht gerade ein Rechtsextremer samt Waffen und NS-Materialien Hops genommen wird, bringt ein Mann seine Partnerin um. Internationale Konzerne wirken übermächtig, halten sich ungern an rechtliche Vorgaben und noch weniger an moralische oder ethische Standards. Und dann sind ihre CEOs auch noch so verdammt unangenehm.
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Den Möchtegern-Römer Elon Musk spare ich in diesem Text zum seelischen Wohle aller aus. Aber auch der Spotify-Chef Daniel Ek investierte erst vor kurzem um die 600 Millionen Euro in ein Rüstungsunternehmen. Kritik ist man bei Spotify ehrlicherweise schon gewohnt. Die gibt es dort nämlich laufend, sei es wegen der ganzen KI-Songs, die momentan die Plattform fluten, oder wegen der schlecht bezahlten Musiker:innen. Letztes Jahr hat die britische Sängerin Lily Allen erzählt, dass sie mit Fuß-Fotos, die sie auf OnlyFans postet, mehr Geld verdient als mit ihrer Musik auf Spotify. Kein Wunder also, dass ein erster Reflex für viele Konsument:innen lautet: Bloß weg von da.
Von Spotify zu Amazon und wieder zurück?
Aber wohin? Zu Amazon Music? Der Konzern bekämpft in den USA gerade seine Angestellten, die eine Gewerkschaft gründen wollen. Apple Music? Das Unternehmen sieht sich immer wieder mit dem Vorwurf der Steuerflucht konfrontiert. Erst 2024 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass Apple 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen muss. Und wie emanzipatorisch ist es am Ende, von einem Multimilliarden-Konzern zum anderen zu wechseln?
Der deutsche Philosoph Theodor W. Adorno hat einmal gesagt: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. In erster Linie braucht es für die oben genannten Problemlagen politisches Engagement. Arbeits- und Menschenrechte, einen fairen Umgang mit Künstlicher Intelligenz, anständige Steuerabgaben für Milliardenkonzerne. All das kann man sich nicht erkaufen. Konsum ist in vielen Fällen nicht das Machtinstrument, zu dem wir ihn stilisieren.
Eine bessere Welt ist möglich. Es gibt sie aber nicht im Kaufregal, sondern auf der Straße.
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Infos und Quellen
Genese
Die WZ-Journalistinnen Eva Sager und Sandra Vučić haben sich mit den Warenboykotten in den sozialen Medien beschäftigt.
Daten und Fakten
- Laut der Ö3-Jugendstudie 2025 sehen 80 Prozent der 16- bis 25-Jährigen die Zukunft der Welt eher pessimistisch.
Quellen
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
- Deutschlandfunk: Wenn Verbraucher nicht verbrauchen
- Die Zeit: „Bei Boykotten schießt man sich immer ein bisschen selbst ins Bein“
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