Der Rewe-Konzern gibt sich nachhaltig und grün. Die Salate an den neuen Salatbars in Billa-Plus-Filialen werden dreimal die Woche aus Schweden und Belgien importiert – fix, fertig und stilecht in der Einwegverpackung.
Ernährung im Büro ist so eine Sache. Das Schnitzel aus der Kantine liegt ewig im Magen, die Leberkässemmel hängt zum Hals heraus. Gesund ist das nicht. So ein Salat ist die Rettung. Vor allem bewusst nachhaltig lebende Menschen greifen gern an der Salatbar im Supermarkt zu – im Glauben, sich selbst und der Welt Gutes zu tun. Tun sie nicht. Zumindest nicht, wenn sie sich bei einer der neuen Salatbars in den Filialen von Billa Plus bedienen.
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Die Salate sind weder frisch noch nachhaltig. Die Mitarbeiter:innen schnipseln sie nicht – wie viele Kund:innen annehmen – aus dem übriggebliebenen Gemüse der Märkte. Ganz im Gegenteil. Ihre Zutaten werden aus Südeuropa nach Schweden und Belgien gekarrt. Dort werden sie in Lebensmittelfabriken fix und fertig zubereitet und verpackt – um ihre Weiterreise per Lastwagen nach Österreich anzutreten. In gekühlten Metallschalen warten sie hier auf gesund lebende Büromenschen.
Die Komplettlösung aus Schweden
Der Aufwand hat einen Grund. Der Rewe-Konzern, zu dem Billa Plus gehört, hat das Potenzial von fertigem Essen zum Mitnehmen längst erkannt. Ein neues Konzept soll den Umsatz weiter steigern. Billa Plus testet es seit wenigen Monaten. In sechs Filialen – etwa im Billa Corso am Wiener Opernring – stehen hochmoderne, smarte Salattheken. Ihr dezentes Design ist ein Blickfang. Ihr Sortiment ist breit. Es wird auf Displays angeboten. Brokkoli-Salat mit Joghurtdressing, Eisberg-, Gurken-, Karotten-, Rotkohl-, Kraut- und Feldsalat, oder, wer es raffinierter mag, Fenchel-Curry-Salat oder Pesto-Nudelsalat.
Die Theken kommen aus Schweden. Ihr Anbieter heißt Picadeli. 2.000 Stück hat das Unternehmen – laut Website – bereits in Europa und den USA aufgestellt. Es liefert Komplettlösungen. Und so importiert Rewe nicht nur die Bars, sondern auch ihren Inhalt. Die Pressestelle von Rewe bestätigt das der WZ. „Schweden und Belgien“, lautet die lapidare Antwort auf unsere Frage nach der Herkunft der Fertigsalate. So ganz stimmt aber nicht einmal das.
Per Lkw über den Kontinent
Die Salate werden zwar in Schweden und Belgien zubereitet und verpackt. Gewachsen sind sie dort nicht. Wir haben direkt bei Picadeli nachgefragt: „Die Zutaten werden im Winter aus Südeuropa geholt“, sagt Andreas Klinge, Geschäftsführer der Picadeli Deutschland GmbH. „Im Sommer bemühen wir uns, die Wege kurz zu halten und Bauern in Belgien zu finden.“ Eine genaue Auflistung der Zutaten nach ihrem Herkunftsland will uns Picadeli nicht geben. Auch Rewe gelobt Besserung. „Sobald der Test ausgerollt wird, werden teilweise Produzenten in Österreich gesucht.“ Genaueres will Rewe noch nicht sagen.
Fest steht, die Salate kommen dreimal die Woche in Österreich an, wie uns Rewe und Picadeli bestätigen. Verpackt sind sie in „Einwegbehältern“. Die Mitarbeiter:innen müssen sie nur aufreißen und die Theke damit füttern. Das Plastik landet im Müll. „Es ist geplant, auch Mehrwegverpackungen anzubieten, um hier noch mehr Nachhaltigkeit zu schaffen“, heißt es von Rewe.
Die Mär der grünen Kette
„Noch mehr Nachhaltigkeit“ ist ein Euphemismus. Mit der Realität hat er nichts zu tun. Doch Picadeli und Rewe bedienen ihn unbeirrt. Sie geben sich als grüne Firmen mit gutem Gewissen und Verantwortungsbewusstsein für unseren Planeten.
Das Sortiment nimmt „Rücksicht auf Tiere, Menschen und den Planeten Erde (und indirekt auch auf alle anderen Planeten in unserem Universum)“, steht etwa auf der Website von Picadeli. Galaktische Standards. Das Weltall dankt.
Auch dem Rewe-Konzern. Der wird nicht müde, die Regionalität seiner Produkte zu betonen. „Entdecken Sie noch mehr lokale Produkte aus Österreich“, heißt es auf der Website unter dem gelben Logo auf grünem Grund. Oder: „Bei Billa legen wir großen Wert auf Nachhaltiges. Nicht nur bei unserem Sortiment, sondern auch, wenn es um unser Klima und unser gesellschaftliches Engagement geht. Wir arbeiten daran, für uns alle eine lebenswerte Zukunft zu erhalten.“
„Ursprungsland: Kann saisonal variieren“
Wie passen die importierten Fertigsalate aus der Wegwerfverpackung in das grüne Bild, das Billa Plus hier malt? „Gesunde und nachhaltige Lebensmittel ist der Slogan von Picadeli. Technische Lösungen im Hintergrund sorgen für minimale Abschriften an Produkten und vorrausschauende Bestellungen“, antwortet uns der Konzern. Die modernen Bars sollen also die Verschwendung von Lebensmitteln verhindern.
Das System von Picadeli ermöglicht eine genaue Rückverfolgung der Salate mittels QR-Codes. Ihre Irrwege werden minutiös aufgezeichnet – intern versteht sich. Die Kund:innen werden damit nicht belästigt. „Ursprungsland: Kann saisonal variieren“, steht etwa auf dem Display zum Eisbergsalat. Nachsatz: „Verpackt in Belgien“.
Martina hat ihn nicht gelesen. Die Kundin kommt fast jeden Tag in die Filiale am Opernring. Sie holt Mittagessen für ihre halbe Abteilung. „Ich bin fest davon ausgegangen, dass die Salate hier im Markt gemacht werden“, sagt sie. „Ich verzichte weitgehend auf Fleisch, weil ich mir Sorgen mache wegen der Erderwärmung. Aber importierter Fertigsalat kann ja auch nicht gut für die Umwelt sein.“ Martina legt die Salatzange weg. „Ich gehe lieber zum Bäcker.“ Mahlzeit.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner:innen
Anders Klinge, Geschäftsführer Picadeli Deutschland
Rewe International AG
Daten und Fakten
Die Picadeli Salatbars gibt es laut Unternehmenswebsite in rund 2.000 Filialen in Europa und den USA. In Österreich sind aktuell sechs Billa-Supermärkte damit ausgestattet. Laut Rewe werden pro Tag zwischen 80 und 200 Kilogramm Salat verkauft. Das Obst und Gemüse für die Salatbars wird dreimal pro Woche per Lkw aus Schweden und Belgien geliefert. Rewe befindet sich in einer Testphase. „Sobald der Test ausgerollt wird, werden teilweise Produzenten in Österreich gesucht“, heißt es von Rewe.