Ein Unternehmen verkauft „Eiszeitwasser aus den Alpen“ in der Dose. Das ist auf vielen Ebenen bemerkenswert.
Es gibt in der PR einen Stehsatz, der nicht zwingend immer stimmt, den man trotzdem immer im Hinterkopf haben sollte: Jede PR ist gute PR. Heißt: Selbst wenn man ein Unternehmen öffentlich kritisiert – man tut es immer noch öffentlich. Und damit bringt man den Namen des Unternehmens in die Köpfe der Menschen.
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Ich weiß also nicht genau, ob ich dem Unternehmen, um das es gleich gehen wird, einen Gefallen tue. Ich hoffe, dass am Ende dieses Unternehmen konnotiert wird mit völligem Wahnsinn, gegen den sich viele aussprechen werden.
Stellt euch vor, ihr lebt in Wien - gut, das müssen sich viele von euch zum Glück nicht nur vorstellen. Stellt euch vor, ihr trinkt ganz selbstverständlich genauso wie ich regelmäßig Liter von dem Wasser, das direkt aus der Leitung kommt. Und ihr wisst, was für ein Luxus das ist. Es ist nämlich so ziemlich das beste Leitungswasser der Welt, Hochquellwasser vom Semmering (ich finds ja ein bissl absurd, dass ich bei mir zuhause im Altbau mit demselben Wasser mein Klo spüle, aber das ist bei Neubauten inzwischen glücklicherweise eh schon häufig anders geworden).
In der Dose befindet sich das gleiche Wasser, das in Wien aus der Leitung kommt.
Stellt euch vor, ihr interessiert euch für Nachhaltigkeit und Mode. Ihr geht auf die Fashion Week, weil ihr wisst, dass so viele der heimischen Designer:innen sich wirklich um faire und ökologische Produktion bemühen. Auf dem Gelände der Fashion Week bekommt ihr Geschenke der Sponsoren – und eines davon ist eine blau- und silberfarbene Aludose. Wieder ein neuer Energydrink?, denkt ihr euch. Nein!
In der Dose befindet sich „Eiszeitwasser aus den Alpen“. Und sonst gar nix. Soll heißen: In der Dose befindet sich genau das gleiche Wasser, das ihr in den meisten Bezirken Wiens aus der Leitung trinken könnt. Auf der Dose stehen noch andere seltsame Dinge. Abstruse Geschichten, wie Wasser die Welt rettet, und eine noch abstrusere Argumentation, wie nachhaltig Alu-Dosen denn nicht sind.
Aludosen belasten die Umwelt
Kleiner Crash-Kurs zu Aludosen gefällig? Die Produktion von Aluminium ist stark umweltbelastend, da dabei ein hochgiftiges Nebenprodukt als Abfall entsteht: der Rotschlamm, auch Bauxitrückstand genannt. Dieser Rotschlamm ist aufgrund seiner hohen Natronlaugen- und Schwermetallanteile toxisch und ätzend. 2010 kam es in Ungarn zu einem Zwischenfall, bei dem mehrere Menschen aufgrund eines Dammbruchs durch Kontakt mit dem Rotschlamm starben. In Brasilien wurde Rotschlamm in einen großen See eingeleitet, in dem daraufhin die gesamte Flora und Fauna starb. Der See ist inzwischen komplett verschlammt, das Wasser eines angrenzenden Flusses kann seither nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden. Bei der Alu-Produktion entsteht übrigens nicht nur ein bisschen Rotschlamm, sondern sogar mehr als Aluminiumoxid selbst.
Zwar sind Aluminiumdosen – sofern sie nicht durch Beschichtungen oder Legierungen massiv verunreinigt sind – sehr gut recycelbar (und in Österreich haben wir auch laut WKO eine recht hohe Recyclingquote von etwa 70 Prozent), doch das Recycling ist, genauso wie die Neuproduktion von Aludosen, sehr energieintensiv und wer mit offenen Augen durch die Straßen geht, wird feststellen: Aludosen gehören zu den Produkten, die ebenso häufig wie Plastikflaschen achtlos weggeworfen werden. Kurz: Nein, Aludosen und ihr Recycling werden die Welt nicht retten.
Musterbeispiel dafür, dass man wirklich ALLES vermarkten kann.
Aber nein, sagt die betreffende Marke, Alu ist total super, viel besser als Plastik, und deshalb schützt diese Marke ja total die Umwelt, weil sie Plastikflaschen den Kampf ansagt! Hey, ich bin noch nie einen SUV gefahren und bin auch nicht einmal in der Nähe davon, jemals einen zu fahren, aber hey! Mit meinem kleinen Twingo schütze und rette ich die Umwelt! Merkt ihr´s? Gleiche Logik.
Ich begann zu recherchieren und fand recht schnell eine andere Firma, die – noch dazu in den USA, Transport kam also auch noch dazu – österreichisches Hochquellwasser verkaufte (inzwischen nutzen sie wenigstens Wasser direkt aus den USA). Diese Firma hat, das muss ich zugeben, absolut geniales Marketing. Mit viel Humor, viel Augenzwinkern, viel Grips dahinter. Das Wasser wird, höchst gefährlich klingend, „Liquid Death“ genannt, und wahrlich: Eltern freuen sich, dass Kinder endlich Wasser trinken, und Kinder freuen sich, weil Liquid Death uuuur verboten klingt. Nicht blöd. Aber auch ein Musterbeispiel dafür, dass man wirklich ALLES vermarkten kann.
Für die Dose gefeiert
Ich erinnere mich gerade: Nestlé wird seit Jahren – und das völlig zu Recht – angegangen, dass sie Wasser in Plastikflaschen abfüllen und die lokale Bevölkerung dann das Plastikwasser trinken muss, weil sie selbst nicht mehr zu den Quellen darf, denn die gehören ja Nestlé. Liquid Death wird gefeiert dafür, Wasser in Aludosen abzufüllen, und verzeichnet dreistellige Millionenumsätze.
Wo die beste Vermarktung in meinen Augen aber zur rechten Hand des Teufels wird: Wenn mit Nachhaltigkeit geworben wird, wo keine ist. Leitungswasser in Dosen abfüllen ist NICHT nachhaltig. Aluminiumdosen sind NICHT so nachhaltig wie allgemein getan wird. Wer uns was anderes vermittelt, macht sich mit Anlauf des Greenwashings schuldig.
Abschließend ein Appell, und jetzt kommt er, der Firmenname: Wenn ihr die silbernen „Blue Bomb“-Dosen seht, fragt den Supermarkt oder das Lokal, warum sie die anbieten. Kritisiert sie. Sorgt dafür, dass wir nicht Teil einer Marketingkampagne auf Kosten der Umwelt werden. Danke.
Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
Kaum ein Material ist so umstritten wie Aluminium. Energieintensiv in der Produktion und mit giftigen Nebenprodukten, sind Aludosen fast zu 100 Prozent recyclebar. Wichtig ist, sie richtig zu entsorgen – Getränkeverpackungen haben leider den größten Anteil am Littering, der achtlosen Entsorgung von Müll in der Umwelt.
Zusätzlich werden Aludosen zum Schutz der Lebensmittel und Getränke häufig innen mit Epoxidharz beschichtet, das die Chemikalie Bisphenol A enthält. Bisphenol A wirkt im Körper wie das weibliche Hormon Östrogen und kann aus den Beschichtungen in geringen Mengen auch in die Getränke gelangen.
Quellen
Das Thema in anderen Medien
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