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EU-Wahl: Von „Nur wir fürs Klima“ und anderen Polarisierungen

6 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© Illustration: WZ

Damit sich etwas bewegt in Sachen Klima, müssen alle Parteien dazu beitragen.


Europawahl also. Ergebnis: Die Grünen verlieren 19 von 71 Sitzen im EU Parlament. Rechte Parteien werden gestärkt. Jetzt mal abgesehen davon, dass das angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre keine Überraschung ist: Für Klimapolitik ist das ein verheerendes Signal.

Wie schon vor einigen Wochen an dieser Stelle geschrieben: Vor allem jüngeren Wähler:innen wird das Klimathema zusehends egaler. In Deutschland ist die Watsche des Wahlvolkes noch um einiges schallender gewesen als in Österreich, dort haben die Grünen bei den jungen Wähler:innen (zwischen 18 und 24) sage und schreibe 23 Prozentpunkte Stimmenanteile verloren. Das ist in etwa so viel, wie die SPÖ in Österreich insgesamt erreicht hat am Sonntag. Auch die inhaltlichen Analysen bestätigen das Bild der zurückgehenden Relevanz: Der Klimawandel wurde als wahlentscheidendes Thema zurückgedrängt. Wichtiger wurden Themen wie Kriminalität und Migration.

Keine Partei steht so sehr für den Kampf für die Umwelt wie die Grünen. Das Thema, das über allem stehen sollte, weil es unser aller Zukunft betrifft, ist mit einer Parteifarbe „punziert“. Wer gegen den Klimawandel ankämpfen will, muss grün wählen, eigentlich ganz logisch. Es war immer gut und wichtig, dass es die Grünen gibt, die sich das Thema ganz oben auf ihre Fahnen hefteten. Aber: Diese Punzierung wird immer kritischer. Der Kampf gegen den Klimawandel muss in Wahrheit weit über Parteigrenzen hinausgehen.

Reparieren mit der FPÖ

Kleine Anekdote: Kürzlich postete eine sehr gute Freundin von mir ein Plakat der FPÖ auf Facebook und amüsierte sich drüber, dass für die Abschlusskundgebung der Freiheitlichen am Viktor Adler Markt dazu aufgerufen wurde, alte Kleidung mitzubringen – sie würde vor Ort von einer mobilen Schneiderin repariert werden. Meine erste Reaktion war ein „Was zur Hölle?! MEIN Herzensthema, nachhaltige Textilien, bei den FPÖ? Echt?“ Und bei der gleichen Veranstaltung stellt sich dann Spitzenkandidat Harald Vilimsky womöglich noch hin und zweifelt im Vorbeigehen den menschengemachten Klimawandel mal wieder an? Wie waaaahnsinnig glaubwürdig. Hauptsache, Kleidung reparieren. Genau.

Doch dann kam mir der Gedanke: Ja warum eigentlich nicht? Wenn man sich das Thema Nachhaltigkeit nur in der linken Reichshälfte aneignet, kann das doch sowieso nicht funktionieren, es braucht doch viel mehr Bewusstsein für Nachhaltigkeit! Ist ja gut, wenn die ganzen jungen Wähler: innen der Freiheitlichen (und man muss einfach wieder drauf hinweisen: Derer es viele gibt, viel mehr als junge Grün-Wähler:innen) auch auf das Thema nachhaltige Kleidung gestoßen werden. Es rettet natürlich nicht den Planeten, aber es platziert ein Thema in einer vorher dafür vielleicht noch nicht empfänglichen Gesellschaftsschicht. Die FPÖ spielt fast ausschließlich mit Emotionen statt Fakten. Vielleicht ist es nicht das Schlechteste, wenn die FPÖ Emotionen rund um Nachhaltigkeit nicht nur noch negativ framed.

Vor vielen, vielen Monden war ich Pressesprecherin bei GLOBAL 2000. Damals war ein gewisser Norbert Hofer Umweltsprecher bei der FPÖ. Mehr als nur einmal fiel mir auf, dass er sich thematisch an Aussendungen von uns anhängte und am selben Tag zum selben Thema aussendete, und hin und wieder fand ich ganze Sätze, die ich in unsere Presseaussendungen geschrieben hatte, in seinen schriftlichen Stellungnahmen. Damals fand ich es jedes Mal peinlich und war unangenehm berührt, meine Formulierungen zärtlich abgeändert in FPÖ-Aussendungen wiederzufinden. Heute nährt genau diese Erfahrung meine klitzekleine Hoffnung, dass es auch ein paar Menschen bei der FPÖ gibt, die die Bedrohung durch den Klimawandel ernst nehmen. Und genau bei denen muss man nun ansetzen und sie an ihren eigenen Aussagen messen.

Hauptsache, dagegen, egal, was der politische Gegner sagt.

Ich hoffe, nun nicht falsch verstanden zu werden: Die FPÖ ist und bleibt eine rechtspopulistische Partei. Sie bieten den Menschen das Gefühl, gehört zu werden in ihrer Abneigung gegen „die da oben“, aber nach echten Lösungsangeboten kann man lange suchen. „Die da oben“, das sind die, die jetzt im Ministerium sitzen, Klimatickets verlosen, anstatt neue Straßen zu bauen, die es am Land in ihren Augen bräuchte, und den Menschen neue CO2-Steuern aufs Aug drücken. Und da fragen wir uns nicht, ob nicht ein guter Anteil des Klimazweifelns der FPÖ schlicht aus der Tatsache kommt, sich dem diametral entgegenzustellen, um Unzufriedenheiten abzuholen? Die Rechten brauchen also nur zu ernten, und müssen sich wieder nicht drum kümmern, echte Lösungen anzubieten? Hauptsache dagegen, weil die Grünen so sehr dafür sind? Klingt fetzendeppert, aber meine Damen und Herren: So funktioniert Populismus. Hauptsache, dagegen, egal, was der politische Gegner sagt. Und dass das funktioniert, zeigt das Wahlergebnis.

Die Grünen haben in ganz Europa an Einfluss verloren. Das Klimathema wird immer weniger bestimmend im politischen Diskurs. Das ist brandgefährlich – im wahrsten Sinne des Wortes (ob diesen Sommer wieder Kanada oder doch Südeuropa brennt?). Der Schwung der Fridays for Future ist völlig abgeebbt, und die Suppenschmeißer und Klimakleber der letzten Generation lösen auch keine Begeisterungsstürme unter Klimaschützer:innen mehr aus.

Es bleibt ein bitteres Fazit: Damit sich etwas bewegt in Sachen Klima, auf politischer und gesellschaftlicher Ebene, müssen alle dazu beitragen. Die nun gestärkten Rechtsparteien müssen sich des Themas annehmen, und der gefühlte Alleinanspruch auf das Thema von grüner Seite muss enden. Doch wie begegnet man dieser Problematik der kommunizierenden Gefäße von rechts und links?

Von „Nur eine Stimme für die Grünen ist eine Stimme fürs Klima“ muss man weg. Es macht es den Rechten zu einfach, denn im Umkehrschluss heißt das nur, dass man die Rechten einfach schnell mal wählen kann, wenn man genervt ist von den unbeliebten Entscheidungen in Sachen Klimapolitik der Grünen. Und solche unbeliebten Entscheidungen, die noch sehr viel massiver in unser Leben eingreifen werden als die CO2-Steuer und der zugehörige Klimabonus, werden wir angesichts der derzeitigen Temperaturanstiege noch einige vor uns haben.

Unbeliebte Allianzen

Vor kurzem erschien im Standard ein Interview mit dem von mir höchst bewunderten Franz Vranitzky, ehemaliger Bundeskanzler und einer der letzten wirklichen Elder Statesmen in diesem Land. Er sagte, das Wichtigste seiner Amtszeit war, dass er den Rechten standgehalten hat. Ich gebe ihm recht und bin ihm dankbar dafür. Aber beim Thema Klima wird es ohne solche unbeliebte Allianzen nicht funktionieren. Wer wirklich etwas bewegen möchte, dem muss klar sein, dass das angesichts der politischen Gemengelage nur mit den Rechten geht. Das bedeutet auch: Den Rechten muss der Wind aus den „Hauptsache Dagegen“-Segeln genommen werden. Sie WISSEN, dass der Klimawandel Tatsache ist. Sie sind nicht deppert. Sie leugnen es nur, weil sie damit auf den Gefühlen der Wähler:innen hübsch herumorgeln können.

„Nur eine Stimme für die Grünen ist eine Stimme fürs Klima“ polarisiert nur und reicht schon lange nicht mehr. Denn Klima geht uns alle an. Wird Zeit, dass es die Rechten auch kapieren. Selbst wenn es nur mit reparierter Kleidung anfängt.


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Infos und Quellen

Genese

Am 9. Juni fanden die Wahlen für das Europaparlament statt. In Österreich landete die FPÖ erstmals in der Geschichte der zweiten Republik auf dem ersten Platz, knapp gefolgt von ÖVP und SPÖ. Die Grünen setzten voll auf das Klimathema und verloren einen Sitz im EU-Parlament.

Quellen

Das Thema in der WZ

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