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Feigen und Pawpaw statt Äpfel und Birnen

5 Min
Dank der Klimaveränderungen könnten vielleicht bald Ananas statt Äpfeln in Österreich wachsen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Midjourney

Zu heiß, zu trocken: Der Klimawandel bedroht unser heimisches Obst. Dafür gedeihen immer mehr mediterrane und sogar tropische Sorten in Österreich.


Pikant, staubig und grün, bittersüß: Der Duft im Glashaus steigt in die Nase wie eine Urlaubsbrise vom Mittelmeer. Feigenbäume tragen hier Reihe um Reihe Früchte in allen Größen, Farben und Reifegraden − mal sind sie grün, mal gelb, mal violett. Ein freundlicher Mann Mitte 50 führt an diesem strahlenden Hochsommertag durch sein Reich. Harald Thiesz ist der Herr der Feigen. In seinem Glashaus hat es 45 Grad. Hier ist der Klimawandel erwünscht.

Die erste Saat pflanzte er vor 18 Jahren. Der ehemalige Gärtner und seine Frau kauften ein Grundstück im 11. Wiener Gemeindebezirk und zogen vom Zentrum der Stadt an den Rand nach Kaiser-Ebersdorf, um ihr Glück mit dem Anbau von Feigen zu versuchen. „Wir gingen davon aus, dass diese Früchte auch bei uns gedeihen würden“, sagt Thiesz. Die beiden behielten Recht. Rund 300 Feigensorten bauen Harald und Ursula Thiesz heute auf etwa 8.000 Quadratmetern Fläche im Glashaus und Freiland an. „Am Anfang nahmen wir an, das alles ließe sich hobbymäßig betreiben“, erzählt er mit einem Schmunzeln, eilt sogleich einer Gruppe von Topfsetzlingen, die gerade die Blätter hängen lassen, mit einer Gießkanne zu Hilfe, und spricht weiter: „Doch es wurde zum Hauptberuf.“

Die Feigen von Kaiser-Ebersdorf sind nicht allein. Zahlreiche andere mediterrane sowie asiatische Gewächse leisten ihnen Gesellschaft. Zwischen den Baumreihen gedeihen Granatäpfel, Zitrusfrüchte, Maulbeeren, Oliven, Artischocken, Tee, Sichuan-Pfeffer, Pistazien, Guaven, chinesische Datteln und japanischer Ingwer. Es wird biologisch gespritzt, gegen Schädlinge arbeiten Nützlinge. Der Betrieb, der unter dem Namen „Feigenhof“ bekannt ist, verkauft die Gewächse an andere Unternehmen für den Anbau und an Endkunden für den Eigenbedarf.

Ein Foto von Harald Thiesz mit seinen Feigen
Harald Thiesz ist stolz auf seine Feigen, die im Glashaus gedeihen.
© Fotocredit: WZ I Eva Stanzl

Der heimische Obstbau in 20 Jahren

Die Produkte finden reges Interesse: In den zweieinhalb Stunden des Besuchs der WZ muss Thiesz das Gespräch für Kundenanfragen mehrere Male unterbrechen. Denn die trockenen Sommer, die uns der Klimawandel beschert, setzen unserem heimischen Obst zu. Mediterrane und sogar tropische Sorten werden daher immer öfter angebaut − zwar vorerst noch kleinräumig, aber durchaus erfolgreich.

„Bereits in den letzten 20 bis 30 Jahren wurde eine Zunahme der Temperaturen von 1,5 Grad Celsius beobachtet. Das wirkt sich auch auf die Bedingungen für den Obstbau aus“, bestätigt Andreas Spornberger vom Institut für Wein- und Obstbau der Universität für Bodenkultur in Wien. Heuer war das Winterhalbjahr im Alpenraum geprägt von außergewöhnlich milden Temperaturen, und auch der Sommer triumphiert derzeit mit bis zu 35 Grad.

Exoten mögen keine kalten Winter

Könnten sonnengereifte Feigen, Granatäpfel, Orangen, Bananen, Mangos oder auch Ananas in größerer Zahl bald aus Österreich kommen? Mediterranes Obst könne sehr wohl eine Rolle spielen, meint Spornberger. Doch bei aller Liebe zu tropischen Früchten sei der zweite Teil der Vision etwas weit hergeholt: „Die Winter werden zu kalt bleiben, um exotische Tropengewächse großflächig anzubauen.“

Einige Pionier:innen sehen das nicht so. Mitten im Bezirk Weiz in der Steiermark, am „Bio-Hof Köck“, liegt eine Bio-Plantage für Pawpaw, auch „Indianerbanane“ genannt − die Frucht schmeckt nach einer Mischung aus Mango, Maracuja und Banane. Und im Weinviertel, im „Biobeerengarten Hummel“ in Loosdorf nahe der tschechischen Grenze, wachsen Mini-Kiwis auf einer Fläche von rund einem Hektar, ebenso wie Gojibeeren oder Physalis.

Ein Foto aus dem Gewächshaus.
Am ,,Feigenhof" werden die Glashäuser nicht beheizt; hier werden winterharte Sorten gezogen.
© Fotocredit: WZ I Eva Stanzl

Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Nicht jedes Obst und Gemüse kann in Österreich angepflanzt werden, schon gar nicht unter freiem Himmel. Tropengewächse wie Bananen- oder Mangobäume würden die Winter in Österreich nicht ungeschützt aushalten, sondern bräuchten ein Dach über dem Kopf. Beheizte Glashäuser verursachen aber mitunter mehr CO2 als importierte Südfrüchte. Mit diesem Problem sieht sich auch der „Feigenhof“ konfrontiert. Harald Thiesz behilft sich mit winterharten Sorten, die unserem kontinentalen Klima standhalten. Das ist einer der Gründe, warum sein Betrieb erfolgreich ist.

Knowhow für einen großen Markt

Ein anderes Problem ist allerdings die Unberechenbarkeit der Ereignisse, die der Klimawandel auslöst. Er bringt nämlich nicht nur Hitzeperioden mit viel Sonne für eine prächtige Reifung, sondern gleichermaßen Starkregen, Hagel, Sturm und Spätfrost, der seine harte Hand über junge Triebe legt, die die milderen Winter zu früh hervorlocken. „Der Klimawandel hat nicht nur gute Seiten“, bringt Thiesz seine Sicht auf den Punkt: „Gerade heuer hat Spätfrost einen Großteil der ersten Feigenernte vernichtet.“

Obstbauern, die ihr Sortiment im großen Stil anpassen wollen, stehen somit vor vielschichtigen Herausforderungen. „Man muss sich mit neuen Obst-Kulturen intensiv auseinandersetzen und Knowhow für einen großen Markt aufbauen. Das ist nicht trivial“, erklärt Herbert Muster, Leiter des Referats Obstbau der Landwirtschaftskammer Steiermark. Auf der einen Seite haben Obstanlagen eine hohe Lebenserwartung: Viele Gehölze brauchen um die zehn Jahre, um sich voll zu entwickeln, und sollten danach mindestens 20 Jahre stabilen Ertrag liefern. Genau in diesem Punkt kommt den Obstbauern aber der Klimawandel in die Quere. „Wir können uns nicht alle fünf Jahre Gedanken über immer neue Obstkulturen machen. Derzeit passt es vielleicht gut für Feigen, aber wir wissen nicht, ob es in 15, 20 Jahren auch noch so sein wird. Solang die Entwicklungen bei uns von Extremwetter begrenzt sind, ist es schwierig“, fasst Muster zusammen. Expert:innen experimentieren daher auch mit anderen Maßnahmen gegen Hitze und Extremwetter, wie Begrünung am Boden, die Feuchtigkeit speichert und Starkregen aufnimmt, tief wurzelnden Pflanzen, die wenig Wasser benötigen, oder Verbesserungen der Bodenstrukturen.

Maßgeschneiderte Obstpflanzen

Neuen Schädlingen, die die Erderwärmung in unsere Breiten treibt, setzt allerdings auch all dies wenig entgegen. Muster sieht gleichermaßen einen Teufelskreis und einen Wettlauf mit der Zeit: „Wir haben eine Situation in Europa, in der wir aus Umweltschutzgründen immer weniger Pflanzenschutzmittel verwenden sollten, sich aber durch die wärmeren Temperaturen Schädlinge ansiedeln. Wir bräuchten daher genetisch direkt angepasste Sorten. Denn wenn wir alte Sorten mit klassischen Methoden weiterzüchten, würde es 30 bis 40 Jahre dauern, bis neue Varianten einigermaßen so konzipiert sind, dass sie Massenertrag liefern. Diese Zeit haben wir aber nicht“, erklärt der landwirtschaftliche Berater. Seine bevorzugte Lösung wäre die Gen-Schere Crispr-Cas/9, mit der man schnell und gezielt Gensequenzen aus anderen Sorten einbauen könne, um die Pflanzen auf die Umstände des Klimawandels zuzuschneiden, sagt er

Ertragreiche Orangenbäume, die gegen invasive Schädlinge immun sind? Mandelplantagen, an denen sich bisher nicht-heimische Käfer die Zähne ausbeißen? In Österreich dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen nicht ausgepflanzt werden. Sie dürfen jedoch verkauft werden, was wieder neue Probleme bringen könnte.

Ich warte darauf, dass die schönsten, geschmackvollsten Äpfel aus China kommen.
Herbert Muster

„Ich glaube nicht, dass wir aufgrund des Klimawandels unsere Landwirtschaft verlieren, denn jedes Land muss sich an die neuen Gegebenheiten anpassen“, sagt Muster. „Es geht aber sehr wohl darum, welche Länder sich leichter und schneller anpassen können. Ich warte darauf, dass die schönsten, geschmackvollsten, gentechnisch veränderten Äpfel mit ernährungsphysiologischem Mehrwert, die nur die Hälfte kosten, aus China zu uns kommen. Dann wäre die Neigung wohl groß, auf teurere heimische Früchte zu verzichten.”

Am Feigenhof ist das Kilo Feigen je nach Sorte für zehn bis 20 Euro, oder das Kilo Maulbeeren für 38 Euro durchaus nicht für alle erschwinglich. „Es ist eine Frage dessen, was sich rechnet“, sagt Tiesz. „Wir testen laufend, welche Sorten besonders ertragreich sind, aber wenn die gleichen Früchte günstiger aus dem Süden zu uns kommen, wird sich eine größere Produktion wohl nicht lohnen“, sagt er.


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Infos und Quellen

Genese

Diese Idee wurde tatsächlich im Schlaf geboren, sie entstammt nämlich einem Traum, in dem WZ-Redakteurin Eva Stanzl frische Mangos aus dem Burgenland am Markt kaufte. Vielleicht ist das gar nicht unrealistisch, dachte sie, und forschte nach.

Gesprächspartner:innen

  • Harald Thiesz und Ursula Kujal-Thiesz betreiben seit 2006 den ,,Feigenhof”, eine Bio-Feigenplantage im 11. Wiener Gemeindebezirk. Mitten im Wiener Gemüse-Anbaugebiet in Kaiserebersdorf reifen hier neben Feigen auch andere mediterrane Früchte im Glashaus und im Freiland.

  • Andreas Spornberger ist Assistenzprofessor und Gruppenleiter für Nachhaltigen Obstbau am Institut für Wein- und Obstbau der Universität für Bodenkultur in Wien.

  • Herbert Muster ist Leiter des Referats Obstbau der Landwirtschaftskammer Steiermark und berät in diese Funktion landwirtschaftliche Betriebe.

Quellen

  • Studie: CO2-Emissionen der Tomatenproduktion ,,Contrasted greenhouse gas emissions from local versus long-range tomato production"

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