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Feministische Worte, antifeministische Taten

5 Min
Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zu einem feministischen Thema in der WZ.
© Illustration: WZ

Die neue Regierung gibt sich, zumindest in Zügen, feministisch. In der Praxis wurden aber bereits Maßnahmen gesetzt, die konkret Frauen schaden.


Sowohl die neue österreichische Frauenministerin (Eva-Maria Holzleitner) als auch die neue Gesundheitsministerin (Korinna Schumann) als auch die neue Justizministerin (Anna Sporer) als auch die neue Außenministerin (Beate Meinl-Reisinger) haben sich in der Vergangenheit als Feministinnen bezeichnet. (Von den männlichen Regierungsmitgliedern gibt es keine solchen Äußerungen.) Manche in jüngster Vergangenheit, manche schon sehr lang. Manche von ihnen haben sogar jahrelanges frauenpolitisches Engagement und feministischen Einsatz auf dem Buckel. Dass das feministische Bewusstsein und das Bekenntnis zu feministischen Werten nicht nur ein Lippenbekenntnis darstellt, sondern ernst gemeint ist, darf man den handelnden Personen also durchaus glauben.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass auch das aktuelle Regierungsprogramm einige feministische Punkte beinhaltet, wenngleich viele davon nur sehr vage ausformuliert und eher Schlagworte als Pläne sind. Das gibt Anlass zur Hoffnung auf frauenpolitischen Fortschritt in diesem diesbezüglich sonst eher stillstehenden bis rückschrittlichen Land.

Trad Wives, Manosphere und die Broligarchy

All das ist insofern überraschend, als Feminismus international aktuell gelinde gesagt nicht gerade en vogue ist. Der verurteilte Straftäter Donald Trump, der von einem Gericht bescheinigt bekam, dass E. Jean Carroll die Wahrheit sagte, als sie von einer Vergewaltigung durch ihn berichtete, hievte patriarchale Männlichkeit mit einer Wucht und einer plumpen und ihresgleichen suchenden Hässlichkeit wieder ins Präsidentenamt der USA. Um ihn versammelt sich die Broligarchy der Tech-Milliardäre. „The Patriarchy is back“ tweetete Andrew Tate damals und er hatte damit, das muss man ihm lassen, nicht Unrecht.

Im Internet erklären er und andere Proponenten der Manosphere indes jungen Männern, wie sie möglichst harte und dominante Ausgaben derselben werden, dabei möglichst erfolgreich Frauen abschleppen und warum Feminismus Schuld daran ist, wenn sie das nicht tun, während junge Frauen von Trad Wives und Clean Girl Aesthetics lernen, wie sie brave Mädchen zu sein haben. Gleichzeitig wird der Ton gegen Frauen bedeutend rauer: Im Internet sowieso, wo, vor allem seit Trumps Wiederwahl, die Sexisten mit gesteigerter Enthemmtheit auf Frauen einprügeln. Aber auch zuhause, wo Männer in sehr wörtlichem Sinn auf Frauen einprügeln, denn häusliche Gewalt ist im Steigen begriffen.

Ein eigener Rechtsruck

Auch Österreich wollte seinen eigenen Rechtsruck. Mit dem Rücken nach rechts hat man hierzulande schließlich Erfahrung, hat man doch mit Figuren wie Jörg Haider den Rechtspopulismus quasi erfunden. Diese Vorreiterrolle möchte man sich nicht nehmen lassen und so machte man im September 2024 die FPÖ zur stärksten Partei bei der Nationalratswahl. Was Österreich eindeutig und nachdrücklich nicht wollte, ist also irgendwas mit Feminismus. Aber Österreich bekam, nach monatelangen und zweifach gescheiterten Regierungsverhandlungen, dann doch den Feminismus. Zumindest in Ankündigungen und Bekenntnissen. Regierungen sollte man ja an ihren Taten messen, heißt es. Allerdings: Legt man das Messgerät an diese Taten an, zeigt sich auch aktuell ein Rechtsdrall, der Zeiger schlägt nicht gerade in Richtung frauenpolitischen Fortschritt aus. Zumindest bislang nicht.

Bildungskarenz

Da ist beispielsweise die Abschaffung der Bildungskarenz. Diese wurde oft von Frauen genutzt, um nach der Elternkarenz, die in der österreichischen Praxis eine Mutterkarenz ist, Zeit freizuschaufeln, um sich weiter um ihre Kinder kümmern zu können. So gab es sogar Angebote, die sich explizit und konkret an Frauen richteten, die die „Babypause“ (die ja keine Pause ist, sondern voll mit unbezahlter Arbeit) auf diese Art und Weise verlängern wollten. Ein ganzes Drittel der Frauen, die eine Bildungskarenz in Anspruch nahmen, war davor in Elternkarenz.

Die Notwendigkeit, die Bildungskarenz für die Betreuung und Erziehung von Kindern nutzen zu müssen, ist ein direkter Effekt davon, dass sich Männer in Österreich weitestgehend weigern, ihre Verantwortung rund um Haushalt und Kinderbetreuung zu übernehmen. Beides bleibt vorrangig bei Frauen hängen und das für sie mit verheerenden Folgen, von enormem Verdienstentgang bis hin zu Altersarmut. Aufgrund der männlichen Arbeitsverweigerung müssen Frauen einspringen, um männliche Zuständigkeitsbereiche zusätzlich zu übernehmen. Die gesetzliche Karenz reicht hierfür schlicht oftmals nicht.

Das Aus der Bildungskarenz trifft also vor allem Frauen.

Und: Bislang ist kein Ersatz in Sicht, der die Effekte abfedert, keine Kampagne, die Männer dazu auffordert, ihre Arbeit und ihre Betreuungspflichten zu erledigen, keine Maßnahme, die sie dazu bringt, das zu tun.

Sparmaßnahmen

Nun ist die Regierung noch nicht lang im Amt. Und: Sie muss sehr viel Geld einsparen. Wie viel genau wird alle paar Tage nach oben korrigiert. An dem Tag, an dem ich diese Kolumne schreibe, liegt das Budgetdefizit bei 22 Milliarden Euro.

Maßnahmen zu setzen, die primär bei Frauen sparen, die sowieso schon vielfältig und in höherem Maß von der sich verschlechternden Wirtschaftslage betroffen sind, ist allerdings eine fragwürdige Entscheidung. Auch das muss man betonen: Es ist eine Entscheidung.

Frauen sind weitaus häufiger von Armut betroffen, sie sind ökonomisch vielfältig diskriminiert. Österreich hat aktuell einen Gender Pay Gap von 18,3 Prozent in Österreich, EU-weit ist er nur in Lettland höher. Es gibt einen Vermögensgap zwischen 23 und 28 Prozent (je nach Berechnung) und einen Pensionsgap von über 40 Prozent. Frauen sind statistisch ärmer als Männer. Frauen sind von Teuerung, Inflation und Wirtschaftskrise deshalb stärker betroffen als Männer. Ihnen nun durch Maßnahmen noch aktiv zu schaden, anstatt vorrangig jene zur Kasse zu bitten, deren Kasse überdurchschnittlich groß ist, ist ein starkes Stück. Und eines, das mit feministischen Selbstbekenntnissen unvereinbar ist.

Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Feminismus. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Zur Autorin

Beatrice Frasl war schon Feministin, bevor sie wusste, was eine Feministin ist. Das wiederum tut sie, seit sie 14 ist. Seitdem beschäftigt sie sich intensiv mit feministischer Theorie und Praxis – zuerst aktivistisch, dann wissenschaftlich, dann journalistisch. Mit ihrem preisgekrönten Podcast „Große Töchter“ wurde sie in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten feministischen Stimmen des Landes.

Im Herbst 2022 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel „Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse und Psyche“ im Haymon Verlag. In ihrem zweiten Buch „Entromantisiert Euch! Ein Weckruf zur Abschaffung der Liebe“ (das Ende April 2025 erscheint) richtet sie ihren kritischen feministischen Blick auf die romantische Liebe. Als @fraufrasl ist Beatrice auf Social Media unterwegs. Ihre Schwerpunktthemen sind Feminismus und Frauenpolitik auf der einen und psychische Gesundheit auf der anderen Seite. Seit 1. Juli 2023 schreibt sie als freie Autorin alle zwei Wochen eine Kolumne für die WZ.

Quellen

Das Thema in anderen Medien