Die Faustregel besagt: Bist du eine Frau, kümmerst du dich mehr um den Haushalt. Wenn du in Teilzeit bist, noch mehr − und zwar überproportional.
„Es wird schon irgendwie gehen“, sagt Julia und es klingt wie ein Mantra. Sie hatte gerade wieder eine Diskussion mit ihrem Partner über die Aufteilung bei Haushalt, Kinderbetreuung und dem Recht auf Freizeit. Julia hat abermals den Kürzeren gezogen. Der Job ihres Partners geht vor. Vollzeit, du verstehst. Dafür ist Julia in Teilzeit. Für die Kinderbetreuung. Und das bisschen Haushalt, das damit halt einhergeht. Bist eh zuhause. Da geht sich in den 24 Stunden, die ein Tag zu bieten hat, locker alles aus. Weil du ja am Tag nur vier oder sechs Stunden Lohnarbeit verrichtest.
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„Ganz lang ist man davon ausgegangen, dass Frauen mehr Hausarbeit machen, weil Frauen eben durchschnittlich weniger Stunden arbeiten“, sagt die Soziologin Nadine Zwiener-Collins von der Universität Salzburg, die zu den Themen Geschlechtergerechtigkeit forscht, zur WZ. In Studien wurde versucht, herauszufinden, ob es daran liegt, dass Frauen mehr Zeitressourcen zur Verfügung haben, weil sie Teilzeit arbeiten. Oder hat es mit den finanziellen Ressourcen zu tun? Der Mann verdient mehr, beteiligt sich vielleicht auf diesem Sektor der Lohnarbeit mehr – und die Frau geht in Teilzeit?
Beide Faktoren spielen eine Rolle, sagt Zwiener-Collins, aber jeder für sich genommen nur eine untergeordnete. Es gibt einen stärkeren Faktor, der bestimmt, wie viel Hausarbeit geleistet wird, unabhängig von Zeit und Einkommen. Nämlich das Geschlecht. „In einer heterosexuellen Beziehung, in der beide Partner gleich viel arbeiten, übernimmt die Frau trotzdem mehr Hausarbeit“, erklärt Zwiener-Collins im Gespräch mit der WZ.
Es wurden auch in Studien jene Beziehungen untersucht, in denen die Frau Vollzeit arbeitet und der Mann Teilzeit. Da mache der Mann im Durchschnitt schon mehr Hausarbeit als ein Vollzeit arbeitender Mann. Aber dieser Teilzeit-Mann übernimmt nicht so viel Hausarbeit, wie es umgekehrt der Fall wäre. Und dann gilt: „Wenn man eine Frau ist und in Teilzeit arbeitet, macht man besonders viel Hausarbeit“, sagt Zwiener-Collins.
Ein Männerproblem oder ein Frauenproblem?
Woran liegt das? Ist das ein Problem der Frauen oder der Männer? Sprich, machen die Frauen von sich aus zu viel? Oder die Männer von sich aus zu wenig?
Ein bisschen beides, meint Zwiener-Collins. Sie sieht die Ursachen in der ungleichen Entwicklung. Vor zwei, drei Generationen waren in einer bestimmten Schicht der Gesellschaft die Rollen noch klar verteilt. Der Mann war Vollzeit in der Erwerbsarbeit; die Frau Vollzeit daheim mit Haushalt und Kindern. Dann kamen die Frauen in den Lohnarbeitsmarkt – und die Männer fingen an, etwas von der Hausarbeit oder Pflege- und Sorgearbeit zu übernehmen. Aber nicht im gleichen Ausmaß. Die Frauen haben mehr Erwerbsarbeit gemacht. Die Männer im Gegenzug ein bisschen mehr im Haushalt. „Das hat dazu geführt, dass wir jetzt die stärkere Belastung von Frauen haben. Weil wir Frauen arbeiten nachweislich mehr.“
In den vergangenen Jahren haben Expert:innen immer mehr davor gewarnt, dass moderne Errungenschaften – wie ein Diensthandy oder Homeoffice – die Gefahr mit sich bringen, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Feierabend zunehmend verschwimmen. Genug ist schließlich genug, man müsse auch mal den Stift fallen lassen, so der mehrheitliche Tenor.
Das kostet Julia, oder Sarah, oder Lara, oder Lisa – und wie die Frauen alle heißen – ein müdes Lächeln und ein Augenrollen. Frauen, deren Mütter und Großmütter sind seit Generationen gewissermaßen im Homeoffice der Hausarbeit. Hier wird kein Stift fallen gelassen. Wäsche kann man auch um Mitternacht in die Maschine werfen und auf sieben Uhr in der Früh programmieren.
„Wir beobachten eine höhere psychische Belastung mit mehr Stress bei Frauen“, sagt Zwiener-Collins. Denn: Die Mehrarbeit zuhause lässt sich nicht abstellen und die Kinderbetreuung endet nicht Freitagnachmittag um 17 Uhr. Kinderbetreuung kann bei kranken Kindern auch in der Nacht sein. Bereitschaftsdienst, quasi. Haushaltssachen können um den Job herum gelegt werden. Wenn dagegen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit klar sind, ist der Feierabend klar umrissen. Aber in der Haus- und Pflegearbeit ist das nicht der Fall.
Rollenkonflikte: Bereiche wabern ineinander und blockieren
Da ist es nicht verwunderlich, wenn der Bereich Lohnarbeit und der Bereich Familienleben einander beeinflussen. Das nennt man einen Rollenkonflikt, sagt Zwiener-Collins. Auch von dem berichten Frauen häufiger als Männer.
„Frauen sagen viel häufiger: Meine familiären Pflichten, die Kinderbetreuung – das beeinflusst, wie konzentriert ich im Job bin, wie gut ich meine Aufgaben erledigen kann.“ Aber das gelte auch umgekehrt: Frauen kommen nachhause und sind noch immer gestresst von der Arbeit und deswegen zuhause nicht so präsent, wie sie es gern sein möchten. Den Rollenkonflikt sähe man bei Frauen deutlicher als bei Männern.
Bei Männern wird der Rollenkonflikt – sieht man von Einzelfällen ab – nur spürbar, wenn sie Väter sind. Bei Frauen ist es dagegen egal, ob sie Kinder haben oder nicht. Der Rollenkonflikt ist immer da. Der Haushalt wartet immer. Kinder sind ein Verstärker.
Was wäre, wenn es mehr Kinderbetreuung gibt? Damit die Frauen Vollzeit in den Arbeitsmarkt können, wie allseits gefordert wird. Potenzial endlich heben, heißt es dann. Kinderbetreuung hilft den Müttern natürlich, sagt Zwiener-Collins, aber das allein reicht nicht. „Wir wissen: Wenn man Kinder hat, geht es nicht nur um die Betreuung. Es fällt auch zusätzlich mehr Hausarbeit an.“
Bessere Kinderbetreuung allein reicht also nicht, sagt Zwiener-Collins. Es müsste mehr geben. Andere Strukturen. Andere Einstellung. Aber dann wird es schwierig. „Wir wissen, dass vieles damit zu tun hat, wie wir Rollenbilder wahrnehmen. Mit welchen Geschlechterrollen wir sozialisiert worden sind.“ Um das aufzubrechen, wird es noch eine Weile dauern.
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Infos und Quellen
Genese
WZ-Redakteurin Konstanze Walther ist eine Frau und hat sich in ihren Netzwerken umgehört, wie es mit Job, Haushalt und Care-Arbeit so läuft.
Gesprächspartnerinnen
Nadine Zwiener-Collins beschäftigt sich mit Fragen der Diversität und (Geschlechter-) Ungleichheiten und ist Sprecherin der Feministischen Theorie und Geschlechterforschung der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie.
Gespräche mit zahlreichen Frauen über ihren Alltag.
Daten und Fakten
Frauen und Mädchen arbeiten im Schnitt täglich vier Stunden unbezahlt. Männer und Buben zweieinhalb Stunden. Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria
Statistisches Bundesamt (Deutschland): Frauen leisten 44,3 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer.
Das Thema in der WZ
Unbezahlte Arbeit: Gleichberechtigung? My Ass! | Wiener Zeitung
Das Thema in anderen Medien
Orf.at: Frauen arbeiten mehr als Männer
Bertelmannstiftung: Frauen am Arbeitsmarkt: Deutschland großes, ungenutztes Potenzial