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Frauenkörper als gemietete Brutkästen

8 Min
Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zu einem feministischen Thema in der WZ.
© Illustration: WZ

Leihmutterschaft ist kein progressives Anliegen, sondern reproduktive Ausbeutung.


Sowohl der deutsche Spiegel als auch der österreichische Standard übernahmen vor Kurzem folgenden – faktisch falschen – Satz aus einer Agenturmeldung; ersterer gleich als Titel, zweiterer im Text:

„Unfruchtbare oder homosexuelle Paare können in Italien keine Kinder mehr bekommen.“

Grund für die Meldung ist, dass in Italien nun auch die Leihmutterschaft außerhalb des Landes verboten wird. Das bedeutet: Italiener:innen können dafür bestraft werden, wenn sie außerhalb von Italien eine Leihmutter beauftragen möchten. Innerhalb des Landes ist Leihmutterschaft, wie in vielen anderen europäischen Ländern auch, schon lang verboten. Und das mit gutem Grund. Denn hinter der Verpackung als progressives Anliegen verbirgt sich beinharte kapitalistische und patriarchale reproduktive Ausbeutung von Frauen.

Familienglück

Leihmutterschaft ist aktuell medial in aller Munde. Die Klatschpresse erzählt rührende Geschichten über das durch Leihmutterschaft herbeigekaufte Familienglück von Celebrities wie Paris Hilton, Kim Kardashian und Kanye West oder Anderson Cooper, während deutsche Politiker auf Twitter ihre Erfahrungen mit Leihmutterschaft posten, obwohl diese in Deutschland verboten ist. Was Leihmutterschaft eigentlich bedeutet, und zwar für die betroffenen Frauen, die die Kinder austragen, wird selbstverständlich nicht thematisiert. Was Leihmutterschaft eigentlich bedeutet, und zwar für die betroffenen Frauen, die geschwängert werden, ein Kind austragen, und dann dieses Kind anderen überlassen müssen, wollen wir lieber nicht wissen und lieber nicht sehen. Davon wollen wir lieber nichts hören. Das „Mutter“ in Leihmutterschaft ist stumm, es soll bitte lieber unsichtbar und unhörbar bleiben.

Leihmutterschaft ist ein verharmlosender Begriff, der die Degradierung von Frauen zu gemieteten Brutkästen verschleiert. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns nun auch noch über die Gefühle oder etwa sogar – Gott bewahre – über die Menschenwürde des gemieteten Brutkastens Gedanken machen müssten.

Armutsgefälle

Leihmutterschaft kann nur auf Basis eines enormen Armutsgefälles stattfinden. Es sind reiche Menschen, egal ob heterosexuelle Paare, homosexuelle Paare oder Singles, die arme Frauen, meist aus Osteuropa, „mieten“. Leihmutterschaft ist ein globales Geschäft, das auf Menschenhandel und Ausbeutung besonders Vulnerabler basiert. Während Leihmütter aus Osteuropa meist Rominja sind, sind es in Indien Frauen aus den „niedrigeren“ Kasten, oft Frauen, die in tiefer Armut leben, oft Analphabetinnen sind und dennoch Verträge zur Vermietung ihres Uterus unterschreiben. Fast immer sind es rassifizierte Frauen. Immer sind es arme Frauen.

Die Realität

Medial wird Leihmutterschaft gern als ein progressives Anliegen fehletikettiert; und das, obwohl ein paar Seiten weiter, in regelmäßigen Abständen in Form von regelmäßigen Skandalen, die wahren Umstände offenbar werden, unter denen Leihmütter schwanger sein, gebären und dann die geborenen Kinder anderen übergeben mussten.

Letztes Jahr erst flog beispielsweise eine sogenannte „Kinderwunschklinik“ auf Kreta in Griechenland auf. Die zutreffendere Bezeichnung wäre allerdings „Menschenhandelsring“. Zahlreiche Frauen wurden als „Leihmütter“ und „Eizellenspenderinnen“ ausgebeutet, 30 von ihnen wurden, schwanger, bei einer Razzia entdeckt. Aus dem Jahr 2022 sind mindestens 182 Fälle dokumentiert. Die Frauen stammten aus der Ukraine, aus Moldawien, aus Georgien, Rumänien und Bulgarien. Die meisten von ihnen waren Rominja. Alle von ihnen waren arm und wurden unter falschen Versprechungen nach Griechenland gelockt. Die Frauen wurden wie Tiere gehalten, isoliert von der Öffentlichkeit waren sie in Wohnungen „unter erbärmlichen Verhältnissen“, wie der ORF zitiert, untergebracht. „Verdient“ haben sie lediglich 300 bis 600 Euro pro Monat. Für dieses dürftige Honorar mussten sie die körperlich und psychisch zutiefst einschneidende und beschwerliche Prozedur einer künstlichen Befruchtung, Schwangerschaft und Geburt über sich ergehen lassen. Was das für die einzelnen Frauen bedeutet, ist kaum vorstellbar.

Und all das, weil jene Menschen, die das nötige Kleingeld besitzen, denken, sie hätten einen Anspruch darauf, die Körper von Frauen gegen Geld zu benutzen. All das, weil jene Menschen, die das nötige Kleingeld besitzen, denken, sie hätten ein Recht auf ein biologisches Kind. Egal zu welchem Preis. Den wahren Preis zahlen sowieso immer andere.

Altruistisch

In Griechenland, das Land, in dem oben genannter Menschenhandelsring letztes Jahr aufflog, ist Leihmutterschaft, anders als in anderen europäischen Ländern, dann erlaubt, wenn es sich um sogenannte „altruistische Leihmutterschaft“ handelt – ein vor Misogynie triefender Euphemismus. Theoretisch soll dies Menschen, die verwandt oder befreundet sind, Leihmutterschaft ermöglichen. In der Praxis bedeutet altruistische Leihmutterschaft aber, dass Leihmütter für die Ausbeutung ihres Körpers einfach nur weniger Geld bekommen – sie dürfen nämlich maximal 10.000 Euro erhalten, da sie ihren Körper ja nicht aus finanziellen, sondern aus „altruistischen“ Gründen zur Verfügung zu stellen haben. Ein Modell, das die deutsche Ampel-Regierung beschämenderweise auch für Deutschland einführen möchte. Viele Bioethiker:innen und Feministinnen fordern schon lang ein weltweites Verbot. Altruistisch ist an der Leihmutterschaft nämlich gar nichts – in keiner ihrer Formen.

Pseudo-progressive Täuschungsmanöver

Jene Feministinnen, die sich gegen die Leihmutterschaft als Ausbeutungspraxis aussprechen – und für ein Aufrechterhalten des Verbots eintreten –, sind oft mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden homosexuellen Paaren die Elternschaft verwehren wollen. Wenn man diesen Vorwurf wohlwollend liest, wozu ich nicht neige, rührt die Annahme möglicherweise aus einem intellektuellen Unvermögen, rechtskonservative von feministischen Motiven zu unterscheiden und das Ergebnis einer Argumentation von der zugrundeliegenden Weltanschauung. Denn: Selbstverständlich gibt es auch rechte und konservative Kräfte, die ein Verbot von Leihmutterschaft befürworten. Diese tun das in aller Regel aber aus Gründen, die sich von feministischen schwerwiegend unterscheiden. Liest man den Vorwurf weniger wohlwollend, wozu ich eher neige, bleibt nichts übrig, als ihn als leicht zu durchschauendes Täuschungsmanöver zu interpretieren, das dazu angetan ist, besonders einfache Gemüter mit emotionaler Manipulation einzukochen (was leider allzu oft auch gelingt).

Das Unsichtbarmachen von Frauen

Argumentativ ist man damit schnell fertig, also:

Erstens: Leihmutterschaft ist keine homosexuelle Praxis, sondern eine kapitalistische: Die meisten Paare, die Leihmutterschaft in Anspruch nehmen, sind heterosexuell. Sie tun es, weil sie es sich leisten können, nicht, weil sie keine andere Wahl hätten. Leihmutterschaft als LGBTQI+-Anliegen zu framen, geht also an der Realität vorbei.

Zweitens: Anders als in Italien können homosexuelle Paare in Österreich und Deutschland Kinder adoptieren. Ein Verbot von Leihmutterschaft verunmöglicht ihnen also keineswegs die Elternschaft. Selbiges gilt im Übrigen auch für unfruchtbare Heteropaare.

Drittens ist besonders spannend, dass in dieser Definition von „homosexuell“ lesbische Frauen offenbar gar nicht vorkommen. Die brauchen für eine Schwangerschaft nämlich nur ihren besten Freund, den Lieblingsarbeitskollegen oder den Nachbarn um ein Gläschen Sperma zu bitten. Wenn Spiegel und Standard wie eingangs zitiert also titeln: „Unfruchtbare oder homosexuelle Paare können in Italien keine Kinder mehr bekommen“, meinen sie ausschließlich schwule Paare damit, verwenden mit „homosexuell“ aber einen Begriff, der lesbische Paare mitmeinen sollte. Selbst für Italien mit seinem rückständigen Adoptionsverbot ist der zitierte Satz also faktisch falsch. Dennoch ist der angebliche Ausschluss „homosexueller“ Menschen von Reproduktion ein Argument, dem man in der Debatte über Leihmutterschaft oft begegnet. Es ist sehr bezeichnend, dass von jenen, die die misogyne Ausbeutung von Frauen rechtfertigen und versuchen, dabei mit einem pseudo-progressiven Lingo hinters Licht zu führen, Frauen auch noch auf Ebene der Definition von Begriffen, mit denen sie arbeiten, unsichtbar gemacht werden.

Kein Recht auf Ausbeutung

Selbstverständlich gibt es Konservative und Rechte, ein Beispiel hierfür ist die aktuelle italienische Regierung, für die ein Verbot von Leihmutterschaft durchaus auch homofeindliche Ziele verfolgt, nämlich um die, um Giorgia Meloni zu zitieren, „traditionelle Familie“ zu stärken. Das Anliegen von Feministinnen ist hier allerdings ein völlig anderes. Rechten geht es darum, die „traditionelle Familie zu schützen“, Feministinnen geht es darum, Ausbeutung und Gewalt gegen Frauen zu beenden und mit ihr die kapitalistische Kommerzialisierung ihrer Körper und Reproduktionsorgane. Der Versuch, homosexuelle Menschen (die etwa zur Hälfte auch selbst Frauen sind, auch wenn die Proponent:innen der Leihmutterschaft dies nicht im Blick haben) und die Unmenschlichkeit homofeindlicher Diskriminierung und homofeindlicher Ressentiments zu instrumentalisieren, um die kapitalistisch-patriarchale Ausbeutung von Frauen und ihrer Körper zu rechtfertigen, ist sehr schnell als intellektuell besonders faule Manipulationsstrategie entlarvt.

Es gibt kein Recht auf ein biologisches Kind. Für niemanden. Es gibt kein Recht darauf, den Körper von Frauen benutzen zu dürfen – auch nicht gegen Geld. Um es mit den Worten der großartigen Elfriede Hammerl zu sagen: „Familienglück, wie immer es aussehen soll, darf nicht mit frauenverachtenden Mitteln erzwungen werden.“

Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Feminismus. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Zur Autorin

Beatrice Frasl war schon Feministin, bevor sie wusste, was eine Feministin ist. Das wiederum tut sie, seit sie 14 ist. Seitdem beschäftigt sie sich intensiv mit feministischer Theorie und Praxis – zuerst aktivistisch, dann wissenschaftlich, dann journalistisch. Mit ihrem preisgekrönten Podcast „Große Töchter“ wurde sie in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten feministischen Stimmen des Landes.

Im Herbst 2022 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel „Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse und Psyche“ im Haymon Verlag. Als @fraufrasl ist sie auf Social Media unterwegs. Ihre Schwerpunktthemen sind Feminismus und Frauenpolitik auf der einen und psychische Gesundheit auf der anderen Seite. Seit 1. Juli 2023 schreibt sie als freie Autorin alle zwei Wochen eine Kolumne für die WZ.

Quellen

Das Thema in anderen Medien