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Wie Gentechnik Pflanzen vor dem Klimawandel schützt

5 Min
Botaniker Jiří Friml arbeitet daran, Pflanzen klimafit zu machen.
© Illustration: WZ, Fotocredit: ISTA

Pflanzen sind enorm anpassungsfähig. Aber der rasch voranschreitende Klimawandel macht ihnen zu schaffen. Die Gentechnik könnte helfen, sagt Pflanzenforscher Jiří Friml im Interview mit der WZ.


WZ I Eva Stanzl

Pflanzen können Entscheidungen treffen und dazulernen: Thesen wie diese sind in Büchern und Doku-Filmen zu finden. Sind Pflanzen intelligent?

Jiří Friml

Es ist eine linguistische Frage. Wenn Intelligenz ist, was Intelligenztests messen, sind sie es nicht, weil sie diese Tests nicht machen können. Wenn wir aber unter Intelligenz verstehen, Informationen aufzunehmen, zu bearbeiten und auf sie zu reagieren, dann sind sie es sehr wohl. Im Bereich rationale Verwendung von Information von außen sind die Pflanzen Weltmeisterinnen. Trotzdem würde ich das nicht als „Intelligenz“ bezeichnen.

WZ I Eva Stanzl

Bäume schützen ihre Kinder und warnen sie vor Gefahr; Tomaten klagen bei Bedrohung und informieren Artgenossen ─ dazu gibt es Feldversuche und Studien. Alles überzogen?

Jiří Friml

Ich spreche, Sie hören mich, Sie reagieren. Aber bei Tomaten haben wir keine guten Beweise, dass das der Fall wäre. Dass die Früchte bei Stress Laute machen können, weil das Wasser, das durch ihre Wurzeln fließt, plötzlich andere Geräusche macht, ist möglich. Allerdings macht das ein Haus auch, wenn das tote Holz, aus dem es gebaut ist, knarrt, und da würde niemand sagen, dass zwei Häuser auf diese Weise kommunizieren. Ich halte das also für eine übertriebene Interpretation von Beobachtungen. Etwas anderes sind Wurzelsysteme. Sie sind extrem komplex, berühren einander und verbinden sich durch symbiotische Bakterien: Über komplexe Wurzelsysteme können Signale übertragen werden. Das aber wiederum als Warnung an die Kinder zu verstehen, halte ich für übertrieben, wenn nicht falsch.

WZ I Eva Stanzl

Pflanzen sind Anpassungskünstler. Wie weit reicht ihre Kunst?

Jiří Friml

Nehmen wir die Weinrebe Cabernet Franc. Alle Pflanzen auf der Welt sind Klone voneinander. Sie sind genetisch ident, ähnlich, wie wenn es mich 100.000-mal auf der Welt geben würde. Die gleiche Pflanze hat überall überlebt, allerdings immer in ähnlichen klimatischen Bedingungen. Anders ist es bei der Kiefer, die verschiedene Umweltsituationen erträgt. Wenn die gleiche Art im Gebirge wächst mit wenig Sonne, viel Wind und wenig Nährstoffen, wird sie zwar vielleicht stark, wächst aber langsam und bleibt klein, damit der Wind sie nicht bricht. 400 Meter weiter unten wäre sie zehnmal größer, hoch und breit: Zwillinge können sich somit völlig anders entwickeln, je nachdem, wo sie aufwachsen.

WZ I Eva Stanzl

Wie funktioniert das? Was genau steuert das Pflanzenwachstum?

Jiří Friml

Pflanzen besitzen ein Hormon, das ihr Wachstum steuert und ihnen sagt, wie sie sich in Antwort auf die Reize von außen entwickeln sollen. Es hat den Namen Auxin. Auxin ist zuständig für die Entwicklungsanpassung, also dafür, wie groß und wie schnell Pflanzen wachsen, oder wie dick oder verzweigt der Stamm wird, und wie viele Blätter wo sprießen.

Wir müssen uns auf transgene Erdbeeren einstellen.
Jiří Friml
WZ I Eva Stanzl

Der Klimawandel bedroht die Umwelt und damit auch die Landwirtschaft. Könnten Sie auf der Basis Ihres Wissens die Pflanzen genetisch so verändern, dass sie mit dem Klimawandel leichter zurechtkommen?

Jiří Friml

Absolut! Wir können die Mechanismen des Pflanzenwachstums so verändern, dass sie neue Klimabedingungen besser ertragen. Wir machen das in Modellpflanzen, die wir genetisch manipulieren. Die Wurzeln werden dann zum Beispiel doppelt so lang, damit die Gewächse Wasser aus den Tiefen saugen können. Die Landwirtschaft nützt unsere Erkenntnisse, etwa um Reis zu erzeugen, der längere Wurzeln ausbildet.

WZ I Eva Stanzl

Welche Eigenschaften müsste eine Pflanze haben, die zwei oder drei oder sogar vier Grad Erwärmung überleben kann?

Jiří Friml

Das testen wir an der Acker-Schmalwand. Der Vorteil dieser Schotenkresse ist, dass sie in verschiedensten Bedingungen wächst, etwa im Himalaya, in salzigen Lacken, auf sonnigen Wiesen. Es ist immer die gleiche Pflanze, aber sie gedeiht fast überall. Seit Jahrtausenden mutiert sie und passt sich immer besser an. Und wir können ganz genau sagen, was den Unterschied ausmacht, Mutationen vergleichen und festmachen, in welchen Genen die Anpassungen passiert sind. Dadurch wissen wir, an welchen Genen wir drehen müssen, damit die Pflanze beispielsweise unter höheren Temperaturen gedeiht. Dieses Wissen können wir dann in Reis oder Weizen einsetzen, da sie ähnliche Mechanismen und Gene haben. Man kann also die gleichen Veränderungen wie an der Ackerschmalwand in Weizen einführen, damit dieser mehr Hitze erträgt.

WZ I Eva Stanzl

In Österreich dürfen genetisch veränderte Pflanzen nicht ausgepflanzt werden. Aber kommt angesichts der Wetterextreme die Landwirtschaft an genetischen Veränderungen überhaupt vorbei?

Jiří Friml

Rein theoretisch könnte man afrikanische Sorten, die mit Hitze und Trockenheit zurechtkommen, durch komplizierte und langfristige Züchtungsprozesse in europäische Sorten hineinkreuzen. Das wird auch gemacht, aber gute Ergebnisse können Jahrzehnte dauern. Denn Weizen aus Afrika ist zwar an die Hitze angepasst, aber er wirft weniger Ertrag ab als unserer. Was wir brauchen, sind unsere Erträge mit dessen Hitzeverträglichkeit. Ohne genetische Adaption wäre das sehr schwierig.

WZ I Eva Stanzl

Gilt das auch für Obst und Gemüse?

Jiří Friml

Es gilt auch für Obst und Gemüse. Wenn wir weiterhin Erdbeeren hier wollen, müssen wir entweder viel mehr Wasser zum Gießen verbrauchen, oder uns auf transgene Erdbeeren einstellen, die keine spezielle Behandlung brauchen. Es ist wahrscheinlich ökologischer, genetisch optimierte Pflanzen zu essen, die man weniger düngen, weniger spritzen und weniger gießen muss.

WZ I Eva Stanzl

Was fasziniert Sie an der Pflanzenforschung?

Jiří Friml

Pflanzen sind genial, sie adaptieren sich komplett an die Umgebung. Wir Menschen können das nicht! Wir können uns zum Beispiel keine neue Hand wachsen lassen oder ein Organ neu bilden, aber sie können etwas Derartiges sehr wohl. Es gibt grundsätzlich andere Entwicklungsmechanismen in Pflanzen als in Tieren, sie funktionieren ganz anders als wir. Für mich ist das so, als würde ich Leben auf einem anderen Planeten entdecken.

WZ I Eva Stanzl

Wie meinen Sie das?

Jiří Friml

Sie haben eine andere Lebensstrategie. Sie haben nicht die Option, umzuziehen, sondern sind verwurzelt an einem Standort und müssen dort überleben, sind also in ihrer Entwicklung widerstandsfähiger als wir. Sie haben sich hunderte Millionen Jahre optimiert, um das Beste daraus zu machen. Und der Universalbote, der ihnen sagt, wie sie anhand von der Umgebung wachsen sollen, ist das Hormon Auxin.

WZ I Eva Stanzl

Pflanzen sind sehr wohl umgezogen zu Urzeiten, als sie vom Wasser aufs Land wuchsen.

Jiří Friml

Was war die ursprüngliche Rolle von Auxin in der Evolution, als primitive Pflanzen das Land kolonisierten? Und wie überzeugt Auxin die Zellen, etwas anderes zu tun – also vom Wasser aufs Land zu gehen, oder mehr oder weniger zu wachsen? Diese Rätsel treiben mich um.


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Infos und Quellen

Genese

Ursprünglich wollte WZ-Redakteurin Eva Stanzl mehr über die schon von Evolutionsforscher Charles Darwin postulierte Intelligenz der Pflanzen wissen und fragte ein Interview mit Österreichs führendem Botaniker Jiří Friml an. Das Gespräch führte zu Pflanzenevolution, Klimawandel und gentechnischen Möglichkeiten, Erträge in der Landwirtschaft zu sichern.

Gesprächspartner

Jiří Friml, geboren 1973 in Uherské Hradiště, ist ein tschechischer Botaniker und Pflanzenphysiologe am Institute of Science and Technology Austria im niederösterreichischen Klosterneuburg. Er studierte Biochemie an der Masaryk-Universität in Brünn und an der Universität zu Köln und habilitierte in Genetik an der Universität Tübingen. Seit 2012 ist er Professor und Forschungsgruppenleiter am Institute of Science and Technology Austria (Ista). Jiří Friml ist bekannt für seine Arbeiten zum Pflanzenwachstum. 2024 wurde er mit dem Wittgenstein-Preis, der mit bis zu 1,7 Millionen Euro höchstdotierte Preis der Republik Österreich im Bereich der Wissenschaften, ausgezeichnet.

Daten und Fakten

Auxine sind eine Gruppe von Wachstumsregulatoren, die zu den Phytohormonen gehören, und die nahezu alle Aspekte des Pflanzenwachstums steuern.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien