Die ganze Welt stößt noch immer zu viel CO2 aus. Wie gut schlägt sich Österreich im Kampf gegen die Treibhausgas-Emissionen?
Die „Letzte Generation“, ein für österreichische Verhältnisse fast schon radikaler Ableger der Klimabewegung, hat ihre Auflösung und damit das Ende ihrer Proteste angekündigt (übrigens auch per Newsletter). In ihrer Aussendung erklärt die Organisation das damit, dass sie in ihren Aktionen – darunter Straßenklebeaktionen, Vandalismus oder Veranstaltungsstörungen – „keine Perspektive für Erfolg“ mehr sieht:
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Die Regierung glänzte in den letzten zwei Jahren mit kompletter Inkompetenz. Menschen aus der Bevölkerung haben sich für die fossile Verdrängung entschieden. Wir sehen ein, dass Österreich weiter in fossiler Ignoranz bleiben will und damit in Kauf nimmt, für den Tod von Milliarden von Menschen mitverantwortlich zu sein.
Ob das jetzt ernst gemeint ist und die „Letzte Generation“ ihr Vermögen wirklich nur noch zur Bewältigung laufender Prozesse einsetzen wird oder ob die Auflösung bloß eine weitere Aktion auf der Suche nach Aufmerksamkeit ist, wird sich erst zeigen – aber gepaart mit der neuerlichen Hitzewelle ist es ein guter Anlass, wieder einmal zu reflektieren, wie es Österreich denn so geht im Kampf gegen die Treibhausgas-Emissionen, die Ursachen der Klimakrise.
Entwicklung der Emissionen
Fangen wir aber davor mit der Gesamtsicht an – darauf, wie sich die Emissionen, gemessen in Tonnen CO2, weltweit in den vergangenen 50 Jahren entwickelt haben. Denn naturgemäß ist dem Weltklima, das sich durch die Gase in der Atmosphäre immer weiter aufheizt, wenig geholfen, wenn sich die Emissionen nur verlagern. Die exzellente britische Datenplattform Our World in Data hat die Visualisierung zu dieser Entwicklung:
Wir sehen: Während Europa seinen CO2-Ausstoß seit drei Jahrzehnten kontinuierlich reduziert, stagniert er in Amerika und Afrika – in den Boomstaaten Asiens, allen voran in China, wächst er aber dramatisch. (Beim Pro-Kopf-Ausstoß sind die USA immer noch weltweiter Spitzenreiter, aber China holt kräftig auf.)
Macht die Weltpolitik weiter wie bisher, wird sich das auch noch eine Weile so fortsetzen:
Der orange Pfad in dieser Grafik zeigt, dass der weltweite CO2-Ausstoß erst zwischen 2050 und 2060 gipfeln wird, bevor er langfristig fällt. Der blaue Strich zeigt, wie es gehen sollte, wenn die Staaten ihre bei UN-Klimakonferenzen eingemeldeten Zusagen und Ziele einhalten: Auch das wird noch immer zu wenig sein, um das gemeinsame Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu beschränken, zu erreichen.
Was uns nach Österreich bringt. Hier haben wir, weil ein im Regierungsprogramm zwar vereinbartes, aber mangels Konsenses zwischen ÖVP und Grünen nie umgesetztes Klimaschutzgesetz derzeit nicht existiert, auf nationaler Ebene aktuell keinen verbindlichen Zielpfad, entlang dem wir unsere Emissionen reduzieren wollen. Was es gibt, ist ein rein politisch angekündigtes Ziel der Klimaneutralität bis 2040 (übrigens kein ganz schwerer Kompromiss: Auch die ÖVP hatte 2019 Klimaneutralität bis 2045 in ihrem Wahlprogramm).
EU-Klimazielpfad
Was es allerdings gibt, ist ein europäischer, auf Österreich heruntergebrochener Zielpfad nach der Effort-Sharing-Richtlinie. Die hat, vereinfacht gesagt, das Ziel, die EU-weiten Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um rund ein Drittel zu senken; weil die Mitgliedstaaten aber von unterschiedlichen Niveaus starten, gibt es maßgeschneiderte Ziele für jeden Staat. Nicht unter diese Richtlinie fallen jene Emissionen, die unter den Emissions-Zertifikatehandel der EU fallen, der ohnehin eine marktwirtschaftliche Reduktion des Ausstoßes vorsieht – das sind vor allem die der Industrie.
Und so schaut das für Österreich aus:
Wir sehen hier erstens, dass die Gesamtemissionen in Österreich (hier ist nicht nur CO2 enthalten, sondern auch andere klimaschädliche Emissionen wie Methan oder Lachgas) seit 2003 kontinuierlich sinken – zu langsam, aber doch signifikant. Zweitens: 2022 – das letzte Jahr, zu dem es vollständige Daten gibt – waren wir knapp besser, als es uns der EU-Pfad vorschreibt. Und auch 2023 sollte die Republik diese Vorgabe eingehalten haben, schätzt das Umweltbundesamt.
Immer spannend ist die Entwicklung der Treibhausgase nach Sektoren:
Wie überall auf der Welt machen Industrie und Energie – Kraftwerke, Heizungen usw. – den größten Teil unserer Emissionen aus. Ein besonderes österreichisches Problemkind ist aber der Verkehr: Hier sind wir noch immer auf dem Emissionsniveau von vor 20 Jahren – auch wenn in den vergangenen Jahren durch Covid, Inflation und Technologie endlich ein Rückgang eingetreten ist. (Für mehr Details empfehle ich das ausgezeichnete Klima-Dashboard des Umweltbundesamts und die jährlichen Klimaschutzberichte.)
Man muss also sagen: Die Lage ist nicht gut – die ganze Welt stößt noch immer zu viel CO2 aus, und wir sind noch lang nicht am Peak angelangt –, aber die ostentative Hoffnungslosigkeit der „Letzten Generation“ passt eher nicht zu den Trends in Österreich. Klar, wichtige Gesetze für die kommenden Jahre fehlen – neben dem Klimaschutzgesetz oder technisch wichtigen Hebeln wie dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz –, aber die Republik ist derzeit immerhin besser unterwegs als es die gemeinsamen EU-Ziele vorsehen.
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
Our World in Data: CO₂ and Greenhouse Gas Emissions
Umweltbundesamt: Dashboard Klimadaten
bmk.gv.at: Treibhausgas-Emissionen: Österreich weiter auf dem Zielpfad
Umweltbundesamt: Klimaschutzbericht 2023