Warum Einigungen bei Klimakonferenzen schwierig sind und wie wir den Klimawandel eindämmen können, erklärt die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter.
Warum ist ein entschlossenes Vorgehen zur Begrenzung des Klimawandels so schwer zu erreichen?
Die Kosten des Klimawandels werden die Kosten seiner Eindämmung auf 1,5 oder maximal zwei Grad übersteigen. Auf Dauer ist es viel günstiger, Maßnahmen zu setzen, als keine zu setzen. Das Problem liegt an der Kurzfristigkeit der Politik. Politiker:innen sind die gewählten Repräsentant:innen der jetzigen Personen und müssen diese bedienen – und das ist auch legitim. Eine Gesellschaft, deren Tun auf fossilen Energieträgern basiert, hat allerdings die Klimakrise erzeugt, die langfristig gelöst werden muss. Und wenn Staaten, die praktisch nur auf fossiler Energie aufgebaut sind, eine Klimakonferenz ausrichten, wird auf Nebenschauplätzen gearbeitet und der Ausstieg aus Fossilen kleingeredet.
Zugleich wird die Klimakrise negiert: Öl ins Feuer einer üblen Lage?
Das Problem ist dringend, es geht um viel, die wissenschaftliche Datenlage ist gut, aber politisch wird dies alles geleugnet. Damit kommt man einer Lösung keinen Schritt näher.
Müssen Wissenschaftler:innen gleichzeitig Aktivist:innen werden, weil sie sonst nicht gehört werden?
Das ist sicherlich eine mögliche Konsequenz. Für die Bevölkerung scheint es in Zeiten hoher Unsicherheit immer die risikoloseste Variante zu sein, bei dem zu bleiben, was man hat. Revolution ist nicht der dominante Modus von gesellschaftlicher Entwicklung. Der dominante Modus ist das Weiterwursteln.
Und das geht beim Klimawandel nicht?
Das vergleichsweise Einfache am Problem des Ozonlochs war, dass es ein Loch war und damit ein begrenzbares, letztendlich gut wahrnehmbares Thema, für das es eine technische Lösung gab, etwa durch Austausch einzelner Substanzen in Haarsprays und Kühlschränken. Das heißt, man musste an der fossilenergetischen Konsumgesellschaft nichts ändern, sondern konnte andere Treibmittel erfinden. Die gesellschaftlichen Infrastrukturen konnten bleiben.
Und jetzt müssen wir unsere „fossilenergetische Konsumgesellschaft“ umkrempeln. Was müssen wir dazu tun, wenn nicht jeder plötzlich in einer Gartenhütte bei Holzfeuer und Kerzenlicht sitzen will?
Die großen Verursacher von Treibhausgasen liegen im Transport. Auch in der Landwirtschaft - mit der weltbesten Lobby überhaupt - ließe sich viel tun, und das würde auch noch Kosten sparen. Wenn wir beispielsweise nur so viel Düngemittel ausbringen, wie der Boden benötigt, und dafür sorgen würden, dass die Gülle auf kluge Weise verwendet wird, würden wir die Lebensqualität sogar verbessern. Wenn wir unsere Ernährung nur ein bisschen ändern würden, wäre sehr viel gewonnen für Klima und Biodiversität. Es ist derzeit gerade noch ein gutes Leben für alle möglich in den Grenzen des Planeten.
Wie gut kann die EU mit ihren nur 450 Millionen Einwohner:innen die nötigen Veränderungen steuern?
Veränderungen lassen sich sehr wohl steuern, wenn die EU nicht jede Umweltregelung bis zur Zahnlosigkeit umreformiert. Denn es gibt zahlreiche Unternehmen, die sagen: Wir gewinnen durch grüne Innovation und daher machen wir sie. Aber die umfragewerteorientierte-wählerstimmenmaximierende Politik bleibt weit hinter den Erwartungen der Industrie, die ja bei entsprechenden Rahmenbedingungen umrüstet, wenn sie das Klimaziel nicht konsequent weiterverfolgt.
Was müssen wir noch tun, um unsere Klimaziele zu erreichen?
Wir dürfen in Europa unter gar keinen Umständen den Green Deal aushöhlen, sondern sollten ihn schärfen. Wir müssen alle Ausstiege weiter betreiben. Die Atomenergie, die hohe Folgekosten für wenig Energiegewinn hat, sollten wir lassen. Sämtliche Investitionsmittel sollten wir in den Ausbau der erneuerbaren Energieträger stecken, das ist der Weg.
Und was noch?
Sauberere Luft, leisere, kühlere Städte, weniger Zivilisationskrankheiten durch gesunde Ernährung und mehr Bewegung. Es gibt jede Menge „green jobs“, das ist keine Steinzeit, sondern eine solartechnische Zukunft. Vor allem aber: Klimaschutz- statt Militärausgaben, das heißt Leben statt Tod, das heißt weniger Angst, Flucht, Vertreibung. Wenn das so kommuniziert würde, fänden sich politische Mehrheiten.
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Infos und Quellen
Gesprächspartnerin
Verena Winiwarter, geboren am 26. Juli 1961 in Wien, ist Umwelthistorikerin und ehemalige Universitätsprofessorin an der Universität Klagenfurt und der Universität für Bodenkultur. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Umweltgeschichte von Agrargesellschaften, die Umweltgeschichte Österreichs und die Wissenschaftstheorie inter- und transdisziplinärer Forschung. Verena Winiwarter ist Österreichs „Wissenschafterin des Jahres 2013“, eine Auszeichnung des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalist:innen Österreichs.
Daten und Fakten
Der UNO-Weltklimagipfel COP28 von 30. November bis 12. Dezember 2023 in Dubai, der Hauptstadt des gleichnamigen Emirats und größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate, musste am letzten Tag in die Verlängerung gehen, weil man zu keiner Einigung kam, was den verbindlichen Ausstieg aus fossilen Energien betrifft.
Quellen
,,Der Weg zur klimagerechten Gesellschaft: Sieben Schritte in eine nachhaltige Zukunft", Verena Winiwarter, 72 Seiten, Picus Verlag 2022, ISBN 978-3-7117-3025-1
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