Klosterneuburger Immo-Deal: Schmuckenschlagers Schnäppchen
2019 kaufte der Bürgermeister von Klosterneuburg, Stefan Schmuckenschlager, einen riesigen, kommunalen Baugrund in seiner Gemeinde – zum Spottpreis. Verkäuferin war die Gemeinde Gänserndorf. Dort regiert ÖVP-Parteifreund René Lobner.
Einzigartig, exklusiv, wunderschön, sonnig: Die Anzeige auf Willhaben strotzt vor Adjektiven. Sie bietet ein Grundstück zum Kauf an. Es ist ein idyllischer Fleck. Ein sanfter Südhang am Rand von Klosterneuburg. Ruhe, Natur, Wald und nur 30 Autominuten von Wien entfernt. 5.576 Quadratmeter ist das Filetstück groß. Das kostet natürlich. 960.000 Euro will der Eigentümer dafür. Der Eigentümer heißt Stefan Schmuckenschlager. 14 Jahre war er ÖVP-Bürgermeister von Klosterneuburg.
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An Bürgermeister, die in ihrer Gemeinde mit Grundstücken handeln, haben wir uns gewöhnt. Ungewöhnlich ist, wie Schmuckenschlager an das Grundstück gekommen ist – und wie wenig er für die einst kommunale Wiese gezahlt hat.
Doch beginnen wir die Geschichte mit einer Frage: Was hat die Gemeinde Klosterneuburg mit der Gemeinde Gänserndorf gemeinsam? Antworten gibt es viele. Beide Gemeinden haben das Stadtrecht. Beide Gemeinden liegen im Wiener Speckgürtel. Beide Gemeinden werden von der ÖVP regiert. Doch es gibt noch eine andere Antwort, ein fast schon absurdes Detail. Für diese Geschichte ist es erheblich.
Das Erbe
Die Gemeinde Gänserndorf besaß einmal ein Stück Land in der Gemeinde Klosterneuburg. So etwas kommt vor – wenn auch selten. Im Fall von Gänserndorf durch Erbschaft. Am 29. November 2015 trat die Gemeinde das Erbe der Verstorbenen Christine S. an. S. vermachte Gänserndorf ihren Anteil an einer Klosterneuburger Wiese – ein Drittel eines sanften Südhangs. Die anderen zwei Drittel gehörten einem gewissen Herrn Stefan F. Er lebte in Kanada und wollte die Wiese so schnell wie möglich verkaufen.
Das wollte auch die Gemeinde Gänserndorf. Die beiden Eigentümer:innen waren sich schnell einig. Der Anwalt von Herrn F. beauftragte einen Makler, wie wir aus dem Protokoll einer Gemeinderatssitzung vom März 2016 wissen. Der Makler war erfolgreich. Schon im Mai bot eine Privatperson den beiden Verkäufer:innen 250.000 Euro für das Grundstück. F. war einverstanden, wie sein Anwalt der Gemeinde in einer E-Mail, die der WZ vorliegt, mitteilte. Die Gemeinde Gänserndorf war es nicht.
Das Gutachten
Der Preis kam den Gemeinderät:innen zu niedrig vor. Sie wollten mehr für die Bürger:innen herausschlagen. Schließlich ist Klosterneuburg eine der teuersten Gemeinden Niederösterreichs. Die Gemeinde gab ein Gutachten in Auftrag. Es bestätigte den Verdacht: Das Grundstück ist mehr wert als die gebotenen 250.000 Euro, wie ÖVP-Bürgermeister René Lobner in einer Gemeinderatssitzung im Juni 2016 laut Protokoll sagte.
Also versuchten die Gemeinde und Stefan F. die Wiese noch einmal mit höherem Preis unter die Leute zu bringen. Diesmal nahm die Gemeindeverwaltung den Verkauf selbst in die Hand. Sie bestellte die Firma RE/MAX als Makler. Sie sollte das Grundstück um 370.000 Euro verkaufen. Doch dazu kam es nicht. „Die Firma Mietpoint GmbH. (RE/MAX) hat letzte Woche mitgeteilt, dass diese Liegenschaft um diesen Preis nicht zu verkaufen ist“, sagte Lobner in der Gemeinderatssitzung im Dezember 2016. Die Wiese wurde nicht verkauft. Noch nicht. Zwei Jahre passierte gar nichts.
Der Deal
Erst im Juni 2019 poppte der Südhang wieder im Gemeinderat auf. Die Gemeinderät:innen besiegelten seinen Verkauf einstimmig. Die Bürger:innen von Gänserndorf wussten davon nichts. Der Deal wurde im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung beschlossen. Das Protokoll liegt der WZ vor. Überraschenderweise lag der Preis nun weit unter dem Wert des Schätzgutachtens – und unter dem Angebot des ersten Interessenten. Um nur 230.000 Euro erhielt ein bekannter Mann den Zuschlag, der Bürgermeister von Klosterneuburg, Stefan Schmuckenschlager. Ein Glücksgriff für den Bürgermeister: Laut Statistik Austria war ein Klosterneuburger Grund dieser Größe im Jahr 2019 rund 820.000 Euro wert. Im Juli unterzeichnen Schmuckenschlager, Lobner und drei Mitglieder des Gänserndorfer Stadt- und Gemeinderats den Kaufvertrag.
Der Deal zwischen dem Klosterneuburger Bürgermeister und der Gemeinde Gänserndorf wirft Fragen auf. Warum wurde das Grundstück so weit unter dem Wert verkauft? Warum ging es nicht an den Höchstbieter? Und warum erhielt ausgerechnet Schmuckenschlager den Zuschlag?
Schmuckenschlager und Lobner beantworten die Fragen nicht. Schmuckenschlager teilt uns in einer kurzen E-Mail mit, dass der Grund zu zwei Drittel einer Privatperson gehörte. Lobner beantwortet weder E-Mail noch ruft er zurück. Stefan F. war für die WZ nicht erreichbar. Sein Anwalt teilt uns mit, er habe alle Unterlagen und E-Mails bereits gelöscht. Auch der Makler von RE/MAX könne sich nicht mehr an den Fall erinnern. Von der Gemeinde Klosterneuburg wollen wir wissen, ob ihr die Gemeinde Gänserndorf das Grundstück angeboten hat. Der Baudirektor teilt uns mit, dass unsere Fragen „fristgerecht entsprechend dem NÖ Auskunftsgesetz beantwortet“ werden. Die Frist beträgt acht Wochen. Bis dahin herrscht Schweigen in der selbsternannten „Transparenz-Gemeinde“.
Die Verbindung
Fest steht: Bürgermeister Schmuckenschlager und Bürgermeister Lobner kennen einander. Die beiden haben viel gemeinsam. Beide sind Jahrgang 1978. Beide starteten in der Jungen Volkspartei. Beide machten Parteikarriere. Beide sind im Vorstand des Niederösterreichischen Gemeindebundes. Lobner ist seit 13 Jahren Landtagsabgeordneter, seit neun Jahren Bürgermeister. Schmuckenschlager war 14 Jahre lang Bürgermeister von Klosterneuburg, der drittgrößten Stadt in Niederösterreich.
Er galt als mächtiger Mann in der mächtigen ÖVP Niederösterreich. Sein Zwillingsbruder, Johannes Schmuckenschlager, sitzt seit 2008 für die Volkspartei im Nationalrat. Schon ihr Vater war Stadtrat, der Großvater Gemeinderat.
Im Dezember 2023 trat Stefan Schmuckenschlager als Bürgermeister von Klosterneuburg zurück.
Die Nachbarschaft
Nun will er seine Klosterneuburger Immobilie zu Geld machen. Wer sie haben will, muss tief in die Tasche greifen, bekommt aber auch einiges geboten: ein knappes Fußballfeld in bester Lage. In der Gegend von Klosterneuburg, dem Stadtteil Maria Gugging, leben wohlhabende Leute. Ein spektakuläres Holzhaus steht zwischen gediegenen Wochenend-Villen. „Dort oben wohnen Diplomaten“, sagt ein Anrainer und zeigt auf eine Siedlung neben der Wiese.
„Landleben, ohne auf die Annehmlichkeiten der Großstadt zu verzichten“, steht in Schmuckenschlagers Anzeige auf der Online-Plattform Willhaben. Sie schwärmt von einer „malerischen Umgebung“, der „Nähe zur Natur“, „der einzigartigen Möglichkeit, Ihren Wohntraum zu verwirklichen“. Die Möglichkeiten sind vielfältig, die Luxusvilla im Grünen ist genauso denkbar wie ein Genossenschaftsbau. 1.574 Quadratmeter des Grundstücks sind bebaubar. Laut Inserat könne die Wiese auch in drei Bauplätze geteilt und sechs Wohneinheiten mit drei oberirdischen Geschossen realisiert werden. Ein Eldorado für Bauträger:innen.
960.000 Euro will Schmuckenschlager dafür – mehr als das Vierfache des Preises, den er den Bürger:innen von Gänserndorf und Stefan F. für die teils kommunale Fläche gezahlt hat. Und so zählt nun auch Schmuckenschlager zum Kreis einer geschäftstüchtigen Gruppe – der Immobilien-Bürgermeister.
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Infos und Quellen
Genese
Ein Grundstück, das einer Gemeinde vermacht wird, ist selten. Dass einer Gemeinde ein Grundstück in einer anderen Gemeinde vermacht wird, noch seltener. Der Stadtgemeinde Gänserndorf sei genau das passiert, erzählte ein Hinweisgeber. Sie erbte ein Drittel einer Wiese in Klosterneuburg – und verkaufte sie günstig an den damaligen Klosterneuburger Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager. Wir waren neugierig und haben die Geschichte hinter dem „exklusiven Baugrundstück“ recherchiert.
Gesprächspartner
Stefan Schmuckenschlager, Ex-Bürgermeister Klosterneuburg (ÖVP, 2009-2023)
René Lobner, ÖVP, Bürgermeister Gänserndorf, Abgeordneter zum NÖ Landtag, hat auf mehrere Anfragen nicht reagiert
Harald Raffelsberger, Immobilienmakler Re/Max
Peter Neubauer, Baudirektor, Stadtgemeinde Klosterneuburg
Rechtsanwalt Johann Kaltenegger
Gemeindebund-Sprecherin
Daten und Fakten
Laut Statistik Austria kostete 2023 ein Quadratmeter Bauland in Klosterneuburg 745,3 Euro, 2019 kostete er 517 Euro.
Quellen
Grund- und Firmenbuch
Einantwortungsbeschluss
Kaufvertrag zwischen Stadtgemeinde Gänserndorf und Stefan Schmuckenschlager
Öffentliche und nicht-öffentliche Gemeinderatsprotokolle der Stadtgemeinde Gänserndorf
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
noe.orf.at: Ex-Ortschef wegen Grundstücks in der Kritik
derstandard.at: Früherer Stadtchef von Klosterneuburg wegen Grundstückskaufs in Kritik
diepresse.com: Klosterneuburg: Grundstücksdeal von Ex-ÖVP-Bürgermeister sorgt für Wirbel
meinbezirk.at: Neos und SPÖ kritisieren Ex-Bürgermeister Schmuckenschlager
noen.at: Lobner zu Kritik an Grundstücksdeal: „Ich war nie involviert“
profil.at: Diese Regeln könnten Grundstück-Deals von Amtsträgern erschweren
derstandard.at: Türkise Grundstücksdeals am Wörthersee