Radwege, Pfandflaschen, Klima-Demos: Nicht alles hat sich seit den 1980ern zum Negativen entwickelt.
Normalerweise sind meine Kolumnen recht simpel gestrickt – ich finde ein Thema, das mich aufregt, rege mich drüber auf und schaue, dass die Geschichte schön rund wird, der letzte Satz also wieder auf den Anfang referenziert. Dazwischen: viel Wut. Viel „Das geht so nicht, das kann so nicht weitergehen.“ Beispiele hätte ich genug, nächstes Mal werd’ ich sogar ein ganz besonderes Gustostückerl an dieser Stelle präsentieren. Diese Wut - ich fühl’ die wirklich oft. Es geht einfach alles viel zu langsam, wir leben im falschen System, um uns und den Planeten noch zu retten, und überhaupt hass’ ich das ganze Plastik, he.
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Doch irgendwie stimmt das so ja auch nicht. Es passiert auch wahnsinnig viel. Dieser Sommer war für mich wirklich ein „Sommer wie damals“ – ich habe einfach Ferien gemacht, bin nicht groß weggefahren, sondern war in Wien, bei Freunden am Land, im Weinviertel, da baden gehen, dort in der Sonne liegen. Ich holte mir dieses Feriengefühl ganz bewusst her, weil es mit sehr viel Leichtigkeit verbunden ist, und wer kann die grade nicht brauchen, die Leichtigkeit, oder?
Aber es brachte mich auch ins Erinnern, wie es damals im Sommer wirklich war. Zum Beispiel, wie wenige Radwege es gab, als ich Kind und Jugendliche war. Ich fahre schon so lange mit dem Rad durch Wien, dass ich heutzutage immer wieder überrascht bin, wo jetzt schon wieder ein Fahrradstreifen ist, wo vorher keiner war, und gegen welche Einbahn ich jetzt straffrei fahren darf. Da hat sich eindeutig wirklich viel getan in den vergangenen Jahren, und auch wenn Radlobbys immer wieder schimpfen, dass es zu wenig ist: Ich bin dankbar für den Fortschritt. Es sind auch merkbar immer mehr Menschen auf dem Fahrrad unterwegs; gutes Zeichen, oder?
Baumwoll-Beutel statt Plastiksackerl
Ein anderes Beispiel ist das ganze Plastik-Thema. Gut, wenn ich an meine Kindheit denke, dann erinnere ich mich eher an die dunkelgrünen, schweren Mineralwasserflaschen mit den nach innen gestülpten Noppen, die ich immer mit den Fingern nachfuhr. Doch rund um meine Matura-Zeit gehörte es plötzlich zum guten Ton, einen Eistee oder ein Cola in der Halbliter-Plastikflasche in der Tasche zu haben. Heute habe ich eher den Eindruck, dass es zum selben guten Ton gehört, eine wiederbefüllbare Flasche mit Wasser oder Saft drin eingesteckt zu haben. Und zu allem Überfluss kommt ein alter Bekannter aus meiner Kindheit 2025 wieder: das Flaschenpfand! Wie super ist das bitte?
Zugegeben: Ich habe so viele wiederbefüllbare Flaschen zuhause, dass das per se wahrscheinlich schon wieder nicht nachhaltig ist. Selbst gekauft sind davon übrigens die wenigsten: Sie werden sehr gerne bei Presseveranstaltungen in die Goodiebags gegeben. Die Goodiebags selbst sind übrigens inzwischen auch so gut wie immer aus Baumwolle und nicht mehr aus Plastik. Auch da muss ich zugeben: Nachhaltig oder auch nur sinnvoll ist die Menge der Baumwolltaschen, die sich inzwischen in meinem Vorzimmer stapeln, nicht mehr – aber als Signal von den Unternehmen respektiere ich sie. Die geben jetzt mehr Geld aus für Wiederverwendbares, anstatt ein paar Netsch zu sparen und Einwegtaschen herzugeben. Das sehe ich als Fortschritt.
Zugfahr-Videos statt Flug-Trip
Nächstes Thema, das sich seit meiner Kindheit sehr verändert hat: Es gab einen kurzen Zeitraum, in dem es cool war, schnell ein Wochenende zum Feiern nach Mallorca zu fliegen – um die Kosten von zwei bis drei Cocktails pro Richtung. Gut, zugegeben, das Flugaufkommen ist seither sogar noch gestiegen, aber zumindest in meiner urbanen Bubble gibt es wirklich niemanden mehr, der oder die nicht weiß, dass Fliegen nicht sehr super ist und man es so gut wie möglich vermeiden sollte. Menschen, die früher Fotos von exotischen Stränden auf Facebook stellten, posten nun beglückt Zugfahr-Videos durch Österreich auf Instagram. Ja, es ändert den Weltengang nicht, aber es macht etwas mit dem Bewusstsein Einzelner.
Und das Beste kommt zum Schluss: Hätte mir vor 15 Jahren jemand gesagt, dass mal in ganz Österreich, was heißt, auf der ganzen Welt, am gleichen Tag Demos für mehr Klimaschutz stattfinden werden, ich hätte es nicht geglaubt. Hat doch kein Hahn danach gekräht. Dass so viele Menschen sich einig sind und für die Zukunft dieser Welt auf die Straße gehen, wie toll ist das bitte?
Trotz aller Freude über das, was schon da ist, teile ich die Forderungen der Demonstrierenden: Die Leute sind schon soweit, die Politik und die Wirtschaft müssen nun folgen. Es tut sich was, aber es muss dringend schneller gehen. Oh, ich merke, da kommt jetzt doch wieder Wut in mir auf.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
Am 15. September demonstrierten weltweit Menschen für mehr Maßnahmen seitens der Politik und der Großkonzerne gegen den Klimawandel. In Österreich fanden Streiks in 11 Städten statt, in Wien waren es 20.000 Teilnehmer:innen.
Die Hauptforderung an Bundeskanzler Nehammer war und ist die Einberufung eines „nationalen Klimakatastrophengipfels“, bei dem Klimaschutz-Maßnahmen beschlossen werden sollen.
Österreichs Regierung hat sich die Erstellung eines neuen Klimaschutzgesetzes ins Programm geschrieben, aber bisher noch nicht umgesetzt.