Am Sonntag wählt Österreichs westlichstes Bundesland. ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner gibt sich von Grün nach zwei Perioden enttäuscht und flirtet mit der FPÖ. Wieviel Bundestrend steckt im Ländle?
Worum geht es?
In Vorarlberg wird am Sonntag, den 13. Oktober, wie alle fünf Jahre ein neuer Landtag und damit ein neuer Landeshauptmann gewählt (nur die Neos werden von einer Frau angeführt, damit ist das Geschlecht an der Spitze der Landesregierung vorprogrammiert). Der langjährige Landeshauptmann Markus Wallner – nach dem Wahlsieg der FPÖ bei den Nationalratswahlen auf Bundesebene vor knapp zwei Wochen – hat das Duell um Platz eins ausgerufen.
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Wer wird Erster?
Wallner, der Mann mit dem markanten Grübchen am Kinn, hat sich zwar ein bubenhaftes Aussehen bewahrt, ist aber ein gewiefter Taktierer. Der ÖVP-Politiker ist mittlerweile der längstdienende Landeshauptmann. Er steht der Landesregierung seit 13 Jahren vor, damals hat er von seinem Vorgänger Herbert Sausgruber in der Mitte dessen Legislaturperiode eine ÖVP-Alleinregierung übernommen. Bei den jüngsten Wahlen im Ländle 2019 hat die ÖVP noch immer 43,5 Prozent eingefahren. Jetzt kokettiert Wallner mit einem möglicherweise „knappen“ Rennen und will einen klaren Wähler:innenauftrag. Sehr zum Leidwesen der Kleinparteien, die zwischen den beiden Blöcken – ÖVP und FPÖ – zerrieben werden können. „Ich traue mich, alles darauf zu verwetten, dass die ÖVP wieder auf Platz eins landet“, sagt ein Vorarlberger Politiker zur WZ. Aber mit der vermeintlichen Gefährdung des Führungsanspruchs werden Wechselwähler:innen ins Boot der ÖVP geholt. Darunter leiden Grüne, Neos und SPÖ.
Die Zahlen sprechen für die ÖVP: Bei den Nationalratswahlen hat die FPÖ mit knapp 29 Prozent zwar bundesweit den ersten Platz gemacht; die ÖVP ist auf 26 Prozent zurückgefallen. Aber in Vorarlberg hat die ÖVP ihren ersten Platz mit 29 Prozent – knapp, aber doch – halten können, und lag zwei Prozent vor den Blauen (27 Prozent). Damit ist Vorarlberg im Westen nicht allein: Auch in Tirol und Salzburg hat die ÖVP ihren ersten Platz halten können.
Bei Landtagswahlen schneidet die ÖVP traditionsgemäß immer noch besser ab als auf Bundesebene. Dass die FPÖ diesmal in Vorarlberg deutlich dazugewinnt, steht allerdings auch bei Beobachter:innen außer Zweifel. 2019 lagen sie bei 13,9 Prozent. Die Grünen waren auf dem zweiten Platz mit 18,9 Prozent. Damals war die Wahl allerdings kurz nach Bekanntwerden des Ibiza-Skandals, der den FPÖ-Bundesobmann HC Strache zu Fall brachte.
Wie sieht die nächste Regierung in Bregenz aus?
Vorarlberg hat nun zwei Legislaturperioden mit Schwarz-Grün hinter sich. In anderen österreichischen Bundesländern ist Schwarz-Grün bereits Geschichte. Aber Vorarlberg ist grünes Kernland, hier waren die Grünen erstmals im Landtag. Die Vorarlberger Bevölkerung sieht sich generell als naturverbunden, auch die konservativsten Täler sind stolz auf lokale, biologische Produkte, öffentliche Wiesen werden stets so gemäht, dass etwas Blumiges für die Bienen übrigbleibt.
Doch Bienenwiesen sind das eine, Straßenbau ist das andere. Und hier tut sich eine von zwei großen Differenzen zwischen Schwarz und Grün auf. Vorarlberg ist ein Land der Grenzgänger:innen und des Transits. Es gibt zwischen der österreichischen Autobahn und der Schweizer Autobahn noch keine sogenannte hochrangige Verbindung. Seit Jahrzehnten wird über eine Schnellstraße (S18) als Bindeglied gestritten. Unter der rot-schwarzen Bundesregierung von Werner Faymann wurde 2016 das Bundesstraßenbau-Gesetz dahingehend geändert, dass die Planung der S18 möglich wurde – unter anderem mitten durch ein Naturschutzgebiet. Dabei handelt es sich um eine Verbindung zwischen Dornbirn und der Schweiz inklusive einer Umfahrung Lustenaus. Debattiert wird auch noch, wie viel davon als Tunnel projektiert werden würde. Das würde die Luftqualität in Bodennähe zumindest nicht beeinflussen.
Die noch amtierende grüne Umweltministerin der scheidenden Bundesregierung, Leonore Gewessler, hat das Projekt aber neu evaluieren lassen. Gewessler hat sich diesen Sommer bemüht, dass die S18 nicht gebaut wird, sondern stattdessen eine Verbindung zwischen Österreich und der Schweiz über kleinere, niederrangigere Straßen passieren soll. Die dafür der Bund bezahlen würde. „Wir brauchen neue Straßen“, sagt sogar der grüne Vorarlberger Spitzenkandidat, Daniel Zadra, seines Zeichens auch Verkehrslandesrat in der noch amtierenden Regierung. Er will aber mehrere, kleinere Verbindungsstraßen. Auch bei dem geplanten Mammut-Projekt Feldkircher Stadttunnel für den Transit nach Liechtenstein sind sich Grüne und ÖVP uneins. „Die Grünen haben hier ihre Regierungsvereinbarung nicht eingehalten“, sagte Markus Wallner kürzlich tadelnd bei der „Elefantenrunde“ im ORF. Das habe „Ärger ausgelöst“, der bis heute reiche.
FPÖ-Spitzenkandidat Christof Bitschi präsentierte sich dagegen als Unterstützer der S18.
Auch in einer anderen Frage sind sich ÖVP und FPÖ in Vorarlberg inzwischen näher als die bisherigen Regierungsparteien. Nämlich in Sachen Integration. Vorarlberg hat nach Wien den zweithöchsten Anteil an neu Zugezogenen. Jede vierte im Ländle lebende Person ist nicht in Österreich geboren. Von den rund 410.600 Hauptwohnsitzen besitzen nur 325.600 die österreichische Staatsbürgerschaft. Den größten Anteil machen zwar mit 20.000 Personen Immigrant:innen aus Deutschland aus. Aber Klassen, in denen für die Mehrheit Deutsch nicht die Muttersprache ist, gehören inzwischen auch zum Alltag in Vorarlberg. Der Kampfbegriff „Remigration" wird auch in Feldkirch an die Mauern gesprayed. An Markttagen stehen dann die „Omas gegen Rechts“ zwischen den Verkäufer:innen.
Markus Wallner hat dieses Jahr den „Vorarlberg Kodex“ vorgelegt, der Asylwerber:innen zur gemeinnützigen Arbeit verpflichten soll. Noch sind allerdings nicht genug solcher Arbeitsmöglichkeiten vorhanden.
Das war mit den Grünen nicht umsetzbar.Landeshauptmann Markus Wallner über Sanktionen in Sachen Integration.
Trotzdem wird laut über Sanktionen nachgedacht, wenn ein:e Asylwerber:in eine solche Arbeit verweigern würde. „Sanktionen braucht es“, sagt Wallner. Aber: „Das war mit den Grünen nicht umsetzbar.“
Die Grünen weisen wiederum darauf hin, dass sich die Sanktionen rechtlich maximal auf ein Kürzen des Taschengeldes von 40 Euro im Monat belaufen würde. Grünen-Spitzenkandidat Daniel Zadra ist allerdings nicht gegen eine gemeinnützige Beschäftigung an sich. Er betrauert etwa heute noch das 2016 abgeschaffte Modell der Nachbarschaftshilfe in Vorarlberg. Damals konnten Asylwerber:innen über die Caritas kleine Dienste übernehmen. Ein Modell, das vom SPÖ-Bundesminister Alois Stöger 2016 wegen Lohndumping-Gefahr verboten worden war.
FPÖ-Spitzenkandidat Bitschi hat indessen dieses Jahr schon eine Initiative beantragt, wonach Asylwerber:innen nur noch Sachleistungen statt Bargeld bekommen sollen.
Falls Markus Wallner wieder Schwarz-Grün will, lässt er sich diesmal sichtlich bitten. FPÖ-Mann Bitschi sagt, er wäre jedenfalls dafür, dass die zwei stimmenstärksten Parteien die Koalitionsverhandlungen führen. Die Grünen zittern indessen, ob sich rechnerisch eine Koalition mit ihnen überhaupt noch ausgehen würde.
Neos und SPÖ rechnen im Ländle wie gehabt nur mit einem Oppositionsplatz. Eine Dreier-Koalition gilt als instabil.
Wer in Vorarlberg wählen will, muss sich übrigens beeilen. Die Wahllokale schließen um 13 Uhr. Dafür gibt es am Abend schon verlässliche Ergebnisse.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
Das Ländle ist ÖVP-Kernland. Die Konservativen haben alle Landeshauptmänner in der Zweiten Republik gestellt. Derzeit hat Vorarlberg die einzige noch bestehende schwarz-grüne Koalition auf Länderebene.
Bei den Landtagswahlen 2019 kam die ÖVP auf 43,5 Prozent; die Grünen auf 18,9 Prozent und die FPÖ auf 13,9 Prozent.
SPÖ und Neos sind im einstelligen Bereich. Die SPÖ Vorarlberg hat es zuletzt mit einem internen Problem in die Medien geschafft: Die Sozialistische Jugend Vorarlberg hat bei den Nationalratswahlen zur Wahl der KPÖ aufgerufen.
ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner führt einen Personenwahlkampf, hat aber nach der Wirtschaftsbund-Affäre etwas an Strahlkraft verloren.
Das Thema in der WZ
Der Kreisverkehr im Berg (Verkehrsprojekt Stadttunnel Feldkirch)
Das Thema in anderen Medien
Vorarlberg.orf.at: Keine Gespräche zu neuer S18-Variante
Der Standard: Gewessler will Vorarlberg zur Aufgabe von Straßenprojekt S18 bringen
Vorarlberg.orf.at: Vorarlberg Kodex vorerst ohne Sanktionen