Die jüngsten Ereignisse in Israel und Gaza beschäftigen auch Familien in Österreich. Worauf Eltern jetzt achten sollten.
„Papa, warum bringen die so viele Leute um?“ Welche Antwort gibt man am besten auf diese Frage aus dem Mund eines Achtjährigen angesichts der jüngsten Eskalation im Nahen Osten? Verschweigen kann man diesen Krieg zwischen der Hamas und Israel nicht mehr, zu präsent sind die Nachrichten auch bei uns. Eltern sind also gefordert, ihre Kinder nicht alleine zu lassen mit der Informationsflut, die auf sie hereinprasselt, und das nicht nur in den Sozialen Medien.
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Kindgerechte Sendungen
Die deutsche Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“ rät trotzdem, nach Möglichkeit dafür zu sorgen, dass Kinder nur solche Nachrichtenformate zu sehen bekommen, die auch für ihr Alter gedacht sind: also kindgerechte Nachrichtensendungen wie zum Beispiel „logo!“ im ZDF. „Als Grundregel gilt, dass für Kinder unter zehn Jahren Nachrichtensendungen für Erwachsene ungeeignet sind“, betont die Initiative auf ihrer Website. „Wichtig ist auch, die Kinder und Jugendlichen nicht mit Nachrichten zu überfluten. Besser weniger, dafür aber vertrauenswürdige Quellen“, sagt dazu Oliver Bayer von 147 Rat auf Draht.
Insbesondere jüngere Kinder dürfen nicht mit Darstellungen von Kampfhandlungen und Krieg oder womöglich sogar von Ermordungen, wie sie derzeit in TikTok-Videos kursieren, alleine gelassen werden. Aufgabe der Eltern ist es, sie zu begleiten und zu unterstützen, unterstreicht er. Gerade Kinder neigen dazu, solche Situationen im Kopf dann auch auf sich selbst zu übertragen: „Kann mir das auch passieren? Werden auf unser Haus Bomben fallen?“ So irrational das abgeklärten Erwachsenen auch erscheinen mag – je jünger das Kind, desto größer die Fantasie und desto größer auch die möglichen Ängste, die daraus entstehen können.
Eltern sollten dabei pauschale Aussagen wie „bei uns passiert so etwas nicht“ vermeiden, warnt Bayer. „Denn das kann das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, auslösen. Kinder sind dabei sehr feinfühlig. Stattdessen könnten Eltern ehrlich antworten, dass in Österreich kein derartiger Angriff zu erwarten ist und dass auch weiterhin alles unternommen wird, damit das bei uns nicht geschehen wird.“
Ängste nicht schüren, aber ernst nehmen
Weil Kinder sehr genau spüren, wenn ihren Eltern etwas nahe geht und etwas passiert ist, ist es nicht zielführend, die Geschehnisse vor dem Nachwuchs zu verheimlichen – abgesehen davon, dass dies wahrscheinlich durch die Medienflut ohnehin kaum möglich ist. Die Unsicherheit, die durch ein solches Verheimlichen entstehen würde, würde nur noch mehr Angst erzeugen. „Es ist wichtig, mit dem Kind ehrlich und altersentsprechend darüber zu sprechen und dabei weder zu beschönigen noch zu dramatisieren“, erklärt Bayer. Die Eltern können durchaus auch ihre eigene Betroffenheit äußern, sollten gleichzeitig aber versuchen, ihrem Kind nicht den Eindruck zu vermitteln, dass sie der Situation schutzlos ausgeliefert sind. Denn das würde es erst recht ängstigen.
Kleinreden darf man die Sorgen der Kinder aber natürlich auch nicht. Auch Beschwichtigung wäre der falsche Weg. Stattdessen sollte man ihnen zeigen, dass man ihre Ängste ernst nimmt und konkret fragen, worin genau diese bestehen. „Allein schon dieses Wahrnehmen und das elterliche Interesse sind tröstlich“, schreiben die Expert:innen von „SCHAU HIN!“ auf der Website.
Gefühle ausdrücken
Zurück zur Eingangsfrage, die wahrscheinlich die schwierigste unter allen Fragen ist, die Kinder angesichts des aktuellen Krieges in Nahost stellen: Jene nach dem „Warum?“ Je nach Alter des Kindes kann man versuchen, Erklärungen dafür zu suchen; Hilfe geben hier mehrere Websites. Rat auf Draht empfiehlt zum Beispiel die Kindersuchmaschinen Blinde Kuh und fragFINN, um gemeinsam nach kindgerechten Antworten zu suchen. Unterschiedlich alte Kinder interessieren dabei oft ganz unterschiedliche Aspekte der Ereignisse. Wichtig ist dabei in jedem Fall, dass keine wilden Spekulationen angestellt werden, weil Fantasie und Realität oft noch vermischt werden. Und gerade im Nahost-Konflikt sollte man auch Schuldzuweisungen und Schwarz-Weiß-Denken vermeiden, so unbefriedigend es auch sein mag, wenn am Ende der ehrliche Satz steht: „Ich weiß es nicht. Ich verstehe es selbst nicht so ganz, warum die das tun.“
Ehrlichkeit und Nachrichtenpausen
Hilfreich kann auch sein, das Kind dazu anzuregen, seine Gefühle in einem Bild oder in einer Geschichte auszudrücken. „Ganz wichtig ist auch – nicht nur für Kinder und Jugendliche – sich dazwischen bewusst auch Nachrichtenpausen zu gönnen, um zur Ruhe zu kommen und den Overload an Nachrichten zu verdauen“, meint Bayer. Und wer selbst mit der Situation überfordert ist, kann sich zum Beispiel auf der Elternseite von Rat auf Draht kompetente Hilfe in Form von Videochatberatungen holen. Für Kinder und Jugendliche selbst ist die Notrufnummer 147 rund um die Uhr mit Expert:innen besetzt.
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Infos und Quellen
Genese
Als Familienvater steht WZ-Redakteur Mathias Ziegler vor der Aufgabe, seinem Kind zu erklären, was in unserer Welt da draußen so alles passiert. Daraus ist der vorliegende Artikel entstanden.
Gesprächspartner
Oliver Bayer, Sprecher von 147 Rat auf Draht