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Moderne Zuhälterei durch OnlyFans-Agenturen?

7 Min
Auf OnlyFans können Menschen mit expliziten Inhalten Geld verdienen - zwielichtige Agenturen wollen davon profitieren.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Schnelles Geld, minimaler Aufwand: Dieses Versprechen erhalten immer mehr junge Frauen auf Instagram. Dahinter stecken fragwürdige Agenturen, die sie auf die Erotikplattform OnlyFans locken wollen. Das große Geld machen aber nicht die Frauen.


„Was du auch machen solltest, ist halt eben Brüste zeigen, weil wir können sonst keine Skala aufbauen.”

Das erzählt mir Linda* (Name geändert) nicht mal neun Minuten nach unserem ersten Kennenlernen im Zoom-Call. Sie arbeitet für eine OnlyFans-Agentur und macht die Erstgespräche mit den sogenannten Models. Wenige Minuten später weiß ich auch, warum diese Skala so wichtig ist. Meine Einnahmen sind vor allem deren Einnahmen: 70 Prozent davon soll ich monatlich an das Management abgeben.

Aber von Anfang: In den vergangenen Monaten habe ich mehrmals diese Art von Nachrichten erhalten:

Hey Sandra!
Was hältst du davon, anonym mehrere Tausend Euro auf OnlyFans zu verdienen, ohne dass die Möglichkeit besteht, gefunden zu werden?

Auf jede davon reagiere ich gleich: Nachricht löschen und Profil blockieren. Ich schicke meinen Freundinnen einen Screenshot der Nachricht. Schnell wird klar, dass nicht nur mir solche Agenturen in die DMs sliden. Keine von uns hat besonders viele Follower oder freizügige Bilder auf ihrem Profil. Wie werden Agenturen auf unsere Profile aufmerksam?

Eine Chatnachricht auf Instagram von einer Onlyfans Agentur an eine potentielle Kandidatin.
© Copyright: WZ

Was ist OnlyFans?

OnlyFans ist ein soziales Netzwerk, das 2016 in Großbritannien gegründet wurde. Ähnlich wie auf anderen Social-Media-Plattformen kann man Creator:innen folgen, Posts liken und mit ihnen per Direct Message kommunizieren – mit dem Unterschied, dass Nutzer:innen für die Inhalte zahlen müssen. Auf OnlyFans kann jede Art von Content gepostet werden, bekannt ist die Plattform aber für pornografische Inhalte. Nutzer:innen, die einen Kanal abonnieren, können mit der Person chatten und sich bestimmte Bilder oder Videos wünschen. Sowohl für Creator:innen als auch für Nutzer:innen ist die Nutzung von OnlyFans ab 18 Jahren erlaubt. 2022 zählte die Plattform 239 Millionen registrierte Nutzer:innen.

Diese persönliche Interaktion unterscheide OnlyFans von anderen Pornoanbietern, erklärt Medienwissenschaftlerin Lisa Andergassen: „Für viele Nutzer geht es eigentlich um sowas wie eine parasoziale Beziehung, also die Vorstellung, dass man mit einer Person, mit der man im echten Leben nicht in Kontakt ist, eine Beziehung führt, die natürlich innerhalb von bestimmten Bedingungen stattfindet – man muss dafür zahlen.“

Boom in der Pandemie

Während der Pandemie erlebte OnlyFans einen regelrechten Boom: Sexarbeiter:innen konnten trotz Lockdowns Geld verdienen. OnlyFans selbst verdient an den Inhalten der Creator:innen mit. Monatlich gehen 20 Prozent der Einnahmen an die Plattform.

Freie, selbstbestimmte Sexarbeit, ohne auf die Porno-Branche angewiesen zu sein – so wird OnlyFans oft dargestellt. Auf YouTube gibt es zahlreiche Videos, in denen junge Frauen erzählen, wie sie das große Geld mit OnlyFans gemacht haben, und Tipps geben, wie es auch andere junge Frauen schaffen können.

Ist OnlyFans vielleicht gar eine feministische Plattform? „Nein“, sagt Lisa Andergassen. Creator:innen können zwar über ihre Inhalte selbst bestimmen und diese Art der Sexarbeit ist unter Umständen sicherer als Prostitution. Dennoch: OnlyFans verfolgt ein Businessmodell, das mit sexuellem Content Dritter Geld verdient. Feministisch ist das nicht.

Wie kommt es jetzt aber, dass meine Freundinnen und ich ungefragt Anfragen von Agenturen auf Instagram bekommen?

Geschäftsmodell OnlyFans

Um OnlyFans haben sich weitere Geschäftsmodelle gebildet. Ein Teil davon: Agenturen und Managements. Die versprechen jungen Frauen das große Geld, schnell und einfach. Dafür geben die “Models” den Großteil ihrer Einnahmen ab. Dass das durchschnittliche Einkommen einer Only-Fans Creator:in bei 165 Euro im Monat liegt, wird nicht erwähnt.

Die Agentur, die mich angeschrieben hat, verspricht auf ihrer Website Großes: „Schließ dich uns heute an und lass uns dir helfen, dein volles Potenzial auszuschöpfen.“ Wie genau das gehen soll, steht nicht dabei. Laut Impressum ist der Firmensitz in Oakland, Florida.

Ich will mehr wissen und antworte der Agentur auf Instagram:

Eine Chatnachricht einer Onlyfans Agentur an eine potentielle Kandidatin.
© Copyright: WZ

Wenige Stunden später habe ich einen Video-Call mit Linda*. Sie zeigt mir eine PowerPoint-Präsentation und erklärt mir, was meine Aufgaben sind, was die Agentur für mich übernimmt und wie viel ich damit verdienen könnte. Selber nachdenken müsste ich dabei nie. Über eine Telegram-Gruppe würde ich eine Liste mit meinen Aufgaben bekommen. Mein einziger Job: Fotos und Videos produzieren. Je expliziter der Content, desto größer seien auch die Einnahmen, erzählt Linda.

Du kannst dir das ungefähr so vorstellen wie Instagram
Linda* OnlyFans-Managerin

Dann kommen wir zum Geld. Linda erzählt mir, dass die Agentur 70 Prozent meiner Einnahmen als Provision einnimmt. Schließlich bauen sie mein komplettes Profil auf und müssen ihre Mitarbeiter:innen fair bezahlen. Ich muss schlucken, versuche mir aber nichts anmerken zu lassen. Sie zeigt mir eine Beispiel-Rechnung: Bei 30.000 Euro Umsatz würden mir 8.000 Eurobleiben. Kurz nach unserem Call schickt sie mir einen Mustervertrag.

Eine Werteskala auf Onlyfans zu Posen & Nacktheitslevel und welche Geldbeträge dadurch zu erwarten sind.
OnlyFans Werte-Skala: Je expliziter der Content, desto größer sind auch die Einnahmen, erzählt Linda* von der Agentur.
© Copyright: WZ

OnlyFans-Agenturen: Ist das legal?

Den Vertrag lege ich Medienrechtsanwalt Johannes Öhlböck vor.

Er erkennt darin problematische Elemente: Die Aufteilung der Nettoeinnahmen hat eine Schieflage zugunsten der Agentur. Außerdem wird von dem Model verlangt, alle geeigneten und zumutbaren Maßnahmen für die Content-Produktion zu ergreifen.

Die Agenturen können nicht sicherstellen, dass keine minderjährigen Personen angeschrieben werden. Laut Johannes Öhlböck würde Minderjährigenschutz nur dann greifen, wenn die Agenturen gezielt Minderjährige anschreiben oder ihnen zumindest bewusst ist, dass sie das tun. In diesem Fall könnte der Tatbestand der Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen nach § 208a StGB erfüllt sein, der mit mehrjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.

Was sagt OnlyFans?

Ich bitte OnlyFans um eine Stellungnahme und erhalte nach zwei Tagen eine Antwort.

“Wir befürworten keine Agenturen dieser Art. Creator:innen müssen sicherstellen, dass sie sich an unsere Nutzungsbedingungen halten, während sie ihre Konten so verwalten, wie sie es für richtig halten. Nur Einzelpersonen können Creator:in sein. Alle Creator:innen durchlaufen umfangreiche Identitätsprüfungen, bevor sie Inhalte auf die Plattform hochladen können. Das bedeutet, dass wir die Identität aller Mitglieder der Plattform kennen. Alle Zahlungen von OnlyFans erfolgen direkt auf die Bankkonten der Ersteller. Zahlungen von der Website werden niemals an unbeteiligte Dritte oder an Personen geleistet, die vorgeben, im Namen des Urhebers zu handeln.”

Laut OnlyFans sollten Geschäftsmodelle wie die der OnlyFans-Agenturen also gar nicht möglich sein.

Ich rufe die Agentur an. Dieses Mal spreche ich mit dem Manager. Ich lege offen, dass ich Journalistin bin. Er sagt, das Impressum der Firma sei in Amerika, weil er selbst in Amerika lebe. Die Gewinnverteilung von 70/30 hält er für gerechtfertigt. Die Agentur würde am Anfang mehr Geld in den Aufbau der Accounts investieren. Bis sich das rentiere, dauere es. Er erzählt mir außerdem, dass in den USA offener mit OnlyFans umgegangen wird. In Deutschland und Österreich sei die Plattform noch in Verruf.

Wir telefonieren fast eine halbe Stunde. Am Ende des Gesprächs wird mir klar, warum er so ruhig alle Fragen beantwortet hat. Bis zur letzten Sekunde ging er davon aus, dass ich Interesse hätte, seiner Agentur beizutreten. Er war fast ein bisschen sauer, als ich das Angebot ablehnte.


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Infos und Quellen

Genese

Rechercheansporn war die Nachricht einer Agentur, die die Autorin auf Instagram bekommen hat. Am Anfang der Recherche stieß sie zusätzlich auf einen Video-Beitrag von „reporter“ aus dem Jahr 2023, das Format gehört zum öffentlichen rechtlichen Rundfunk in Deutschland.

Gesprächspartner:innen 



  • Lisa Andergassen: Medienwissenschaftlerin mit Fokus auf Porn Studies



  • Dr. Johannes Öhlböck: Rechtsanwalt



Daten und Fakten



Was ist OnlyFans?

OnlyFans ist ein soziales Netzwerk auf dem Beiträge, Fotos und Videos geteilt werden können. Um die Inhalte zu sehen, müssen Nutzer:innen eine monatliche Abogebühr bezahlen. Bekannt ist die Plattform vor allem für pornografische Inhalte.

Quellen

Das Thema in anderen Medien