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Mosambik: Die Kinder der Rebellen

6 Min
Die 22-jährige Nora hat ihre Ausbildung zur Schneiderin fast fertig.
© Fotocredit: Mango Sound & Film

Mosambik ist eines der ärmsten und gleichzeitig jüngsten Länder der Welt. Wie geht es jungen Menschen vor Ort und welche Rolle spielt Österreich?


Die 22-jährige Nora sitzt konzentriert über ihrer Nähmaschine, ihre Augen auf das bunte Material gerichtet – es soll ein Kleid werden. Nora ist als zehntes von insgesamt zwölf Kindern einer sehr armen Familie zur Welt gekommen – mittlerweile ist sie selbst Mutter einer sieben Monate alten Tochter. „Es ist unglaublich schwer, in meiner Gegend einen Job zu bekommen. Mein Mann findet keine Arbeit, wir sind zuhause extrem viele Leute, die unter einem Dach leben. Ich will diese Ausbildung abschließen, damit ich dann überhaupt Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe,” erzählt Nora, ehe sie ihre Augen wieder auf den bunten Stoff richtet. Vier Monate von dem insgesamt sechsmonatigen Kurs hat sie schon hinter sich, außer ihr erlernen hier 30 weitere Stipendiat:innen ein Handwerk.

Ein Foto von Joao, der das Tischlerhandwerk erlernt.
Der 25-jährige Joao lernt im „Young Africa“-Ausbildungszentrum das Tischler-Handwerk − er ist Sohn eines ehemaligen Renamo-Kämpfers.
© Fotocredit: Mango Sound & Film

Ein bisschen fühlt man sich hier so wie auf einem Uni-Campus aus dem Bilderbuch: ein großer Komplex aus bunten Häusern, in der Mitte ein Hof, überall junge Menschen, die entweder in Grüppchen zusammensitzen, lachen, reden, oder zu ihrem nächsten Kurs eilen. Auch in den Innenräumen des „Young Africa“-Schulungszentrums in der mosambikanischen Provinz Beira ist viel los: Hier werden junge Menschen aus unterprivilegierten Verhältnissen ausgebildet und in den Arbeitsmarkt integriert − letztes Jahr waren es fast 600. Ob eine Ausbildung zum Koch, zur Schneiderin, zum Tischler: Möglichkeiten gibt es viele. Die Finanzierung dafür kommt aus Österreich und der EU.

Konflikte, Krieg und Kolonie

Der Campus ist nicht repräsentativ, die Zukunftsaussichten für junge Menschen in Mosambik sind grundsätzlich eher katastrophal.

Mosambik ist eines der ärmsten Länder der Welt, die Bevölkerung extrem jung: Das durchschnittliche Alter beträgt 17 Jahre, die Lebenserwartung liegt bei 59. Der Großteil der Menschen geht keiner geregelten Beschäftigung nach. Vor allem die ländliche Bevölkerung ist mehrheitlich in der Landwirtschaft (großteils aber für den Eigenverbrauch) oder als Tagelöhner tätig – mit den erwartbaren Folgen: Fast ein Viertel der Menschen in Mosambik hat nicht genügend zu essen. Über 60 Prozent der jungen Frauen werden vor ihrem 18. Lebensjahr schwanger, die Geburtenrate ist enorm hoch. Bildung erscheint demnach unter diesen Lebensumständen, in denen es vorrangig ums Überleben geht, als sekundär. Auf dem Human Developement Index liegt Mosambik ganz weit unten (mehr dazu liest du in den Infos und Quellen).

Die Konflikte in Mosambik machen keine Pause: Im Norden des Landes wüten seit Anfang Februar bewaffnete islamistische Kämpfer, die vor allem Minderjährige rekrutieren, es kommt in der Region Cabo Delgado im Norden des Landes immer wieder zu Anschlägen. Rund 70.000 Menschen wurden gewaltsam in andere Provinzen vertrieben, klagt das UNHCR.

Die Geschichte Mosambiks ist bei weitem keine leichte: 1975 erlangte Mosambik nach fast 500 Jahren Kolonialherrschaft durch Portugal seine Unabhängigkeit. 1977 entfachte ein Bürgerkrieg zwischen Anhängern der Widerstandsgruppe Renamo und der Regierungspartei Frelimo − der Krieg kostete etwa eine Million Menschen das Leben. 1992 wurde der erste Friedensvertrag unterzeichnet, trotzdem kam es in den Folgejahren seitens Renamo immer wieder zu Kämpfen und Anschlägen innerhalb des Landes. 2019 wurde der letzte Friedensvertrag unterzeichnet: Dieser sah die Entwaffnung und Re-Integration der Rebellen vor.

„Allein mein Nachname war schon ein Hindernis”

Obwohl man sich von staatlicher Seite um die Eingliederung der ehemaligen Renamo-Kämpfer in die Gesellschaft bemüht, gestaltet sich dies in der Praxis schwierig.

Schwierig, aber nicht unmöglich: Der 25-jährige Joao lernt hier das Tischler-Handwerk – er ist Sohn eines ehemaligen Renamo-Kämpfers. „Als Kind eines ehemaligen Kämpfers hast du es nicht leicht, überhaupt eine Stelle zu finden. Allein mein Nachname war schon ein Problem. Umso dankbarer bin ich für diesen Ausbildungsplatz”, erzählt er. Es gebe immer noch Benachteiligungen für ehemalige Rebellen und deren Angehörige, vor allem am ohnehin schwierigen Arbeitsmarkt. Nicht verwunderlich, die Wunden sind noch frisch: Erst im Juni 2023 wurde das letzte Rebellen-Camp in Gorongosa geschlossen.

Was viele nicht wissen: Aus Überzeugung haben nur wenige gekämpft; viele der Kämpfer wurden zwangsrekrutiert, waren damals minderjährig oder hatten einfach keine andere Möglichkeit, als sich der Renamo anzuschließen. Das Projekt DELPAZ Sofala ist Teil des EU-finanzierten Programms, das die Rehabilitierung und nachhaltige Entwicklung von durch die militärischen Konflikte betroffenen Gebieten fördert – gemeinsam mit der Austrian Development Agency (ADA). „Es geht vor allem auch darum, dass die jungen Menschen hier Berufe erlernen, die sie in Zukunft ausüben können, angepasst an die lokalen Bedürfnisse”, erklärt Michael Butschek, Teamleader von DELPAZ Sofala.

Die Re-Integration der ehemaligen Renamo-Kämpfer steht im Fokus der Entwicklungs-Projekte: So auch im Dorf Canda, wo DELPAZ gemeinsam mit der ADA durch den Einsatz von Bewirtschaftungssystemen und Anbautechniken die Landwirtschaft ankurbelt, etwa durch den Einsatz von Bio-Pestiziden aus Seife und Knoblauch. In Canda leben einige ehemalige Renamo-Kämpfer gemeinsam mit ihren Familien. Der 19-jährige Samuel, der den Betrieb der Wasserpumpe demonstriert, ist Sohn eines ehemaligen Kämpfers. Seine Familie gehört zu den sogenannten „DDR-Beneficiaries” (DDR steht hier für Disarmament, Demobilization and Reintegration)“-Prozesses. Sprich: Die Waffen der ehemaligen Kämpfer werden an die Streitkräfte der mosambikanischen Regierung übergeben, die Kampfeinheiten der Renamo aufgelöst, und die Ex-Kämpfer werden in die Gesellschaft reintegriert.

In Canda wird versucht, die großteils zwangsrekrutierten Kämpfer vorrangig in der Landwirtschaft zu beschäftigen und ihnen zu ermöglichen, sich ein neues Leben aufzubauen. Klar wird: Entwicklungszusammenarbeit ist hier in vielen Lebensbereichen notwendig, vor allem in abgeschotteten Communities, wie dem Dorf Pungue – auch hier leben Menschen, die im Rahmen der Kämpfe vertrieben wurden.

Ein Foto von Ines, einer Bewohnerin des Dorfes Pungue beim Wasserholen.
Das Wasserholen wird immer noch als Aufgabe der Frauen angesehen.
© Fotocredit: Mango Sound & Film

Zwei Stunden lang – jeweils eine Stunde in eine Richtung – war hier der Fußweg zum nächsten Fluss, um Wasser zu holen. „Und oft ging man mehr als nur einmal täglich hin, außerdem war der Fluss verseucht“, erzählt Ines Julio nüchtern. Und auf die Krokodile musste man auch aufpassen, es kam schon mal vor, dass jemand vom Wasserholen nicht zurückkehrte. Das Wasserholen war großteils Aufgabe der Frauen. Das ist jetzt auch noch der Fall, aber seitdem im Dorf eine manuelle Wasserpumpe steht, fallen nicht nur mehrere Stunden „Arbeitsweg“ weg – man beginnt auch, die Gender-Rollen umzudenken. Man wolle Frauen mehr in das wirtschaftliche Leben der Communities miteinbeziehen – die Männer, zumindest in Pungue, scheinen dies zu unterstützen.

Die Reisekosten für diese Reise wurden zu einem Teil von der ADA getragen.


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Infos und Quellen

Genese

Die Autorin hat auf Einladung der Austrian Developement Agency Mitarbeiter:innen der ADA auf eine einwöchige Reise nach Mosambik begleitet, um Einblicke in die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit in Mosambik zu bekommen. Die Schwerpunkte der Reise waren Landwirtschaft und Ernährungssicherheit, Klimawandel, Wasser und Siedlungshygiene, Friedensförderung und Geschlechtergleichstellung. Die Kosten der Reise wurden zu einem Teil von der ADA getragen.

Gesprächspartner:innen

  • Nora: Die 22-jährige Mutter absolviert durch das Programm „Young Africa“ ihre Ausbildung zur Schneiderin.

  • Joao und Samuel: Söhne ehemaliger Renamo-Kämpfer, die durch die DELPAZ-Projekte in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Daten und Fakten

  • Mosambik liegt im südöstlichen Afrika am Indischen Ozean. Mit einer Fläche von etwa 801.590 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von rund 30 Millionen Menschen (Stand 2023) ist Mosambik eines der größeren Länder in Afrika. Die Amtssprache ist Portugiesisch, die Landeswährung ist der Metical (MZN).

  • Auf dem Human Developement Index, der das BIP, die Lebenserwartung und die Bildung misst, liegt Mosambik auf Platz 185 von 191.

  • Die Geschichte Mosambiks ist von fast 500 Jahren portugiesischer Kolonialherrschaft geprägt – das Land wurde erst am 25. Juni 1975 unabhängig, 1977 folgte ein Bürgerkrieg, der bis 1992 dauerte. Der Krieg wurde zwischen der marxistisch-leninistischen Regierungspartei FRELIMO und der anti-kommunistischen Rebellenbewegung RENAMO geführt.

  • Die wichtigsten politischen Parteien sind die regierende FRELIMO und die oppositionelle RENAMO.

  • Die Wirtschaft Mosambiks basiert vorwiegend auf Landwirtschaft, Bergbau, Erdgas und Fischerei. Trotz dieser Ressourcen gehört Mosambik zu den ärmsten Ländern der Welt und kämpft mit hoher Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption. Dennoch bieten große Erdgasvorkommen vor der Küste ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial für die Zukunft.

  • Was macht die Austrian Developement Agency?

Die Austrian Developement Agency ist die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, sie wurde 2004 gegründet. Der Eigentümer ist die Republik Österreich. Die ADA plant, finanziert und begleitet im Auftrag des Bundes Entwicklungsprogramme in insgesamt acht Schwerpunktländern (insbesondere in Afrika, Asien, Ost- und Südeuropa), um dort nachhaltig bessere Lebensbedingungen für Menschen vor Ort zu schaffen: Die größten Ziele sind Armut reduzieren, Frieden fördern und die Umwelt schützen. In diesem Sinn unterstützte die ADA 2023 542 Projekte und Programme mit einem Gesamtvolumen von 815 Millionen Euro. Die Schwerpunktthemen der ADA sind Bildung, Friedensförderung und Konfliktprävention, Geschlechtergleichstellung, Menschenrechte. Migration, Humanitäre Hilfe, Umwelt, Klimaschutz, Wasser, Energie, Ernährungssicherheit und Wirtschaft.

Mosambik ist seit 1992 ein Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Die Zusammenarbeit mit Mosambik wird über das Auslandsbüro der Austrian Development Agency in der Hauptstadt Maputo koordiniert.

Die Austrian Development Agency hat im Zeitraum 2004 bis 2023 Projekte und Programme in ihrem Partnerland Mosambik mit insgesamt 123 Millionen Euro unterstützt. Diese Gelder wurden der ADA von Österreich und der EU anvertraut.

  • Zum Projekt DELPAZ:

Das Projekt DELPAZ Sofala ist Teil des EU-finanzierten DELPAZ-Programms, das die Rehabilitierung und nachhaltige Entwicklung von durch militärische Konflikte betroffenen Gebieten fördert. "Young Africa" wird ebenfalls über DELPAZ finanziert. Gemeinsam mit der EU, dem Kapitalentwicklungsfonds der Vereinten Nationen (UNCDF) und der italienischen Agentur für Entwicklungszusammenarbeit (AICS) setzen sich DELPAZ und die ADA für die Friedenskonsolidierung in Zentralmosambik ein.

Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit kofinanziert das Projekt mit einer Million Euro; von der EU kommen 11 Millionen - das Gesamtbudget beträgt 12 Millionen Euro.

DELPAZ Sofala soll die Lebensbedingungen in ruralen und den am stärksten von Konflikten betroffenen Gemeinden verbessern. Das passiert in Zusammenarbeit mit der Provinzregierung Sofala, Bezirksbehörden, und NGOs durch verbesserte Deckung der Grundbedürfnisse, klimafreundliche Landwirtschaft und bessere Marktintegration. Etwa 445.000 Menschen in sechs Regionen (Machanga, Chibabava, Gorongosa, Maringue, Chemba und Cheringoma) sollen von den Maßnahmen profitieren.Das Projekt richtet sich insbesondere an Frauen, junge Menschen und schutzbedürftige Gruppen.

Quellen

Das Thema in der WZ

Beispiel Mosambik: Wie Investoren Versprechen brechen

Das Thema in anderen Medien

Die Presse: Wie aus Kriegern Bauern werden