Die EU-Recyclingquote wird bis 2025 auf 50 Prozent festgelegt. Mit den bestehenden Anlagen können wir das Ziel nicht erreichen.
Das Thema Recycling ist in aller Munde. Der Verpackungsmüll in den Haushalten wird immer mehr. Der Pro-Kopf-Anteil von Plastik befindet sich auf einem Rekordhoch.
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Die EU legt daher im Rahmen des Green Deals immer strengere Richtlinien vor, wie Abfall reduziert werden kann beziehungsweise wie Abfall erst gar nicht entsteht und Produkte samt Verpackungen so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf bleiben. Österreich ist, was die allgemeine Recyclingquote betrifft, zwar gut aufgestellt, doch bei der Kunststoffwiederverwertung unter dem EU-Durchschnitt. Derzeit werden rund 25 Prozent der Plastikverpackungen recycelt, bis zum 31. Dezember 2025 müssen es laut EU-Richtlinie 50 Prozent sein, bis 31. Dezember 2030 gar 55 Prozent. Der Anteil sollte sich demnach verdoppeln. Doch wie können wir das schaffen? Und warum wurde bisher nicht auf eine höhere Quote im Plastikbereich geachtet?
„Verantwortung bei den Herstellern“
So schnell Kunststoff mittels chemischer Verfahren gebildet wird, und so einfach er sich formen lässt, so kompliziert ist es, Plastik zu recyceln. Kunststoff besteht aus einer Aneinanderreihung von Monomeren (Molekülen), auch Polymer-Ketten genannt. Das Ausgangsmaterial ist Erdöl beziehungsweise Erdgas. Durch die unterschiedlichen Arten von Kunststoff wird der Recyclingprozess erschwert, auch gibt es zu viele unterschiedliche Formen und Farben.
Ähnlich wie beim Glas-Recycling, wo auch nur ein einziges Buntglas in der Weißglas-Tonne die Ware unbrauchbar macht, ist es auch beim Kunststoff. „Hier sind die Hersteller gefordert. Sie müssen Plastik herstellen, das auch recycelt werden kann“, erklärt Lisa Panhuber von Greenpeace. Denn noch immer würde die Industrie viel zu wenig darauf achten. „Beim Plastikmüll ist es so, dass 40 Prozent Plastikverpackungen ausmachen. Es ist also wirklich extrem viel Verpackung“, so die Expertin zur WZ.
Dazu kommt, dass die derzeitige Plastikverpackungs-Recyclingquote in Österreich erfüllt ist. Rechtlich vorgesehen waren bis jetzt bloß 22,5 Prozent. Das heißt, bis jetzt war es gar nicht notwendig, mehr Plastikverpackungen zu recyceln. „Die Ware Plastik hatte bis dato nicht so einen wirtschaftlichen Wert, um für sich selbst eine höhere Recyclingquote finanzieren zu können“, erklärt Abfallwirtschaftsexperte Renato Sarc von der Montanuni Leoben. Doch mit den neuen Vorgaben der EU und mit dem verstärkten Druck, Recyclate in die Herstellung von neuen Produkten einzusetzen, ändert sich das. Allerdings reichen die bestehenden 15 Anlagen in Österreich dafür nicht aus. Es brauche viel mehr Investitionen in bestehende, aber auch neue Anlagen. Und man müsste auf weitere Materialien setzen, nicht nur auf die gängigen Kunststoffarten PET (Polyethylenterephthalat) oder Polyethylen. Deshalb soll in Ennshafen in Oberösterreich bis 2025 eine der modernsten High-tech-Sortieranlagen Europas entstehen.
Komplexes Thema, unterschiedliche Zahlen
Doch was ist die Recyclingquote überhaupt? Wie wird diese berechnet?
Die WZ-Recherche zeigt, dass das Thema Recycling von Plastikverpackungen sehr komplex ist. Expert:innen und Politiker:innen werfen oft unterschiedliche Prozentzahlen in den Raum. Dazu kommt, dass die EU selbst bis jetzt keine vergleichbaren Quoten hatte, weil die einzelnen Länder unterschiedlichen Berechnungsarten folgten. Die einen zählten das, was bei den Entsorgungsanlagen ankam, die anderen, was bei den Anlagen herauskam. Erst jetzt mit dem neuen Kreislaufwirtschaftspaket hat die EU eine einheitliche Quote festgelegt; nämlich, dass alles berechnet wird, was aus der Recyclinganlage tatsächlich herauskommt. Wir haben bei Konsum-Expertin Panhuber nachgefragt:
Die Recyclingquote bei Plastikverpackungen in Österreich liegt derzeit bei 25 Prozent und muss laut EU bis 2025 50 Prozent betragen. Welche Plastikverpackungen sind damit gemeint?
Es geht um alle Plastikverpackungen die in Österreich im Müll landen - egal aus welchem Sektor. Egal welches Plastik: Polypropylen (PP), Polyethylenterephtalat (PET) oder Hart-Polyethylen (HDPE).
Woher weiß man, wieviel Plastikverpackungen es in Österreich gibt?
Die Entsorgungsbetriebe müssen die Mengen, die sie sammeln, wiegen, und das Prozent-Ziel wird auch nach Gewicht gemessen.
Stellen wir Plastikverpackungen in Österreich selbst her oder wird vieles importiert?
Plastikverpackungen werden importiert und sehr viel auch im Land hergestellt. Das Öl oder Gas als Rohstoff kommt zum Beispiel von der OMV, wird dann von der Firma Borealis zu Polymeren verarbeitet und dann von Alpla oder Greiner zu Plastikverpackungen geformt, die Getränkehersteller wie Coca-Cola, Römerquelle oder Rauch nutzen. Die österreichischen Unternehmen Alpla und Greiner gehören zu den großen Plastikverpackungsherstellern in Europa. Borealis gehört zu den größten Petrochemiekonzernen weltweit.
Wie wird die sogenannte Recyclingquote berechnet?
Zur Recyclingquote zählt nur das Material, das am Ende des Recyclingprozesses tatsächlich überbleibt und zu neuen Produkten verarbeitet wird. Man wiegt also das Ergebnis ab, nicht davor. Und diese Anzahl wird verglichen mit der Menge an Plastikverpackungsmüll, die in Österreich bei Entsorgungsbetrieben gelandet ist.
Wie kommt es dazu, dass es etwa in Italien eine Recyclingquote von 51 Prozent gibt, sprich, dass es so große Unterschiede in den einzelnen EU-Ländern gibt?
Die einzelnen Länder haben ganz unterschiedliche Berechnungsmethoden. Die einen berechnen, was in die Anlagen geliefert wird, die anderen, was herauskommt. Auch gibt es in Osteuropa beispielsweise viel weniger Verpackungen und es wird weniger verkauft. Dort ist es dann auch leichter, Verpackungen zurückzubekommen.
Doch werden wir das EU-Ziel erreichen, sprich die Recyclingquote verdoppeln können?
Es ist noch viel zu tun. Wenn wirklich ab sofort alle Müll richtig trennen würden und alles recycelt werden würde, und wir die Sortieranlagen beispielsweise in Deutschland auch verwenden könnten, dann wäre es machbar. Es müsste mehr Müll-Systeme in den Häusern geben, vor allem in Wien, damit die Menschen nicht so weit zu den Tonnen gehen müssen.
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Infos und Quellen
Genese
Wir sprechen beim Thema Müllverwertung immer von einer Recyclingquote. Doch was wird hier eigentlich genau berechnet? Warum liegt Österreich beim Plastik-Recycling unter dem EU-Länder-Durchschnitt? Und warum kommen gerade jetzt alle Plastikverpackungen in die gelbe Tonne beziehungsweise den gelben Sack? Österreich hat Aufholbedarf beim Plastik-Recycling und Redakteurin Ina Weber hat versucht, Antworten zu finden.
Gesprächspartner:innen
Lisa Panhuber ist seit 2019 Expertin für nachhaltigen Konsum bei Greenpeace.
Greenpeace ist eine 1971 gegründete, transnationale politische Non-Profit-Organisation, die sich für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sowie Frieden einsetzt.
Renato Sarc ist Leiter der Arbeitsgruppe Abfallverfahrenstechnik am Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben.
Daten und Fakten
Plastik nennt man alle möglichen Kunststoffe. Es wird vor allem aus Erdöl mit einigen Zusatzstoffen produziert. Der am häufigsten verwendete Kunststoff ist Polyethylen.
Das Problem bei Kunststoff ist, dass er grundsätzlich eine sehr lange Lebensdauer hat: So braucht etwa eine Plastikflasche 450 Jahre, bis sie komplett zerfallen ist.