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Pensionserhöhung − ein heikles Thema

5 Min
Georg Renner schreibt jede Woche einen sachpolitischen Newsletter. Am Samstag könnt ihr den Beitrag online nachlesen.
© Fotocredit: Georg Renner

Bei der Entscheidung, um wie viel die Pensionen 2025 erhöht werden, geht es auch um einen ganzen Haufen (Steuer-)Geld.


Entgegen der verbreiteten Annahme, wir hätten gerade sowas wie ein Sommerloch, hat die türkis-grüne Koalition diese Woche ihre wahrscheinlich folgenschwerste politische Entscheidung dieses Jahres angekündigt: Um wie viel die Pensionen im Jahr 2025 erhöht werden nämlich.

Die Entscheidung klingt zunächst einigermaßen unspektakulär: Die Regierung hat angekündigt (ob sie sich daran hält, werden wir erst bei der letzten Sitzung des scheidenden Nationalrats im September erfahren), sich mit Ausnahme von sehr hohen Pensionen an die gesetzliche Vorgabe des § 108f ASVG zu halten. Dort steht fixiert, dass der/die Sozialminister:in die gesetzlichen Pensionen um jene Inflationsrate erhöhen sollte, die die Statistik Austria von August des Vorjahres bis Juli des laufenden Jahres errechnet.

Pensionsanpassungen

Der Wert steht jetzt noch nicht ganz genau fest – die Statistiker:innen veröffentlichen die genauen Werte immer erst am 17. oder 18. des Folgemonats, also werden wir erst Mitte August die exakten Zahlen kennen. Aber die Schätzungen, die der Regierung vorliegen, deuten darauf hin, dass der endgültige Wert irgendwo zwischen 4,5 und 4,7 Prozent liegen wird – und genau um diesen Wert wollen ÖVP und Grüne die Pensionen 2025 erhöhen. Eine Ausnahme soll es nur für Pensionen über der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage von 6.060 Euro pro Monat geben, sie sollen nur einen Fixbetrag bekommen. Durch die Inflation werden ihre Bezüge also real weniger wert. Hier die Aussendung des Bundeskanzleramts über die Einigung der Koalition.

Wenn ich schreibe, das sei „recht unspektakulär“, staple ich tatsächlich etwas tief. Denn tatsächlich ist es in Österreich faktisch ein Systembruch, wenn die Regierung einmal das tut, was im Gesetz bezüglich Pensionsanpassung seit 2004 vorgeschrieben ist. Die Austria Presse Agentur hat in dieser Grafik zum Beispiel dargestellt, wie das in den vergangenen Jahren gelaufen ist:

Pensionen
© Screenshot

Die grauen Balken stellen dar, wie hoch die Pensionserhöhung nach der gesetzlich verankerten Formel hätte sein müssen – die roten und rötlichen Balken dagegen zeigen, wie hoch die Erhöhung tatsächlich ausgefallen ist.
Wir sehen also: Fast immer hat die Regierung die staatlichen Renten deutlich stärker erhöht, besonders bei niedrigen und mittleren Pensionen.

Das Pensionssystem als Versicherungsumlagesystem

Warum ist das die „folgenschwerste politische Entscheidung dieses Jahres“, wie ich einleitend ein bisserl dramatisch in den Raum stelle? Weil es um einen ganzen Haufen (Steuer-)Geld geht. Das österreichische Pensionssystem ist bekanntlich gemischt finanziert. Zum einen ist es ein Versicherungsumlagesystem: Arbeitnehmer:innen und Dienstgeber:innen zahlen jeden Monat einen Teil des Gehalts – mit insgesamt 22,8 Prozent des Bruttobezuges der bei weitem höchste Sozialversicherungsbeitrag – in die Pensionskasse ein. Aus der über Jahrzehnte eingezahlten Summe wird am Ende die Höhe der gesetzlichen Alterspension bemessen. Dieses Geld (Man kann übrigens im „Meine SV“-Servicebereich laufend die Höhe der fiktiven Pension ausrechnen lassen, wenn man die Nerven dafür hat.) Dieses Geld lässt die Pensionsversicherung aber nicht liegen, bis man selbst in Pension geht – sondern finanziert daraus die laufenden Pensionen, das ist die „Umlage“ im Umlagesystem.

Dem stets lesenswerten statistischen Jahrbuch der Sozialversicherungen zufolge haben Beschäftigte in Österreich 2022 – dem letzten vollständig erfassten Berichtsjahr – rund 41,5 Milliarden Euro an Pensionsversicherungsbeiträgen eingezahlt. Für sich eine enorme Zahl, aber nicht genug, um die laufenden Pensionen zu finanzieren – die haben nämlich 45,9 Milliarden ausgemacht, dazu sind noch eine Reihe Sonderausgaben angefallen, etwa für Ausgleichszulagen (um jenen, die weniger eingezahlt haben, „Mindestpensionen“ zu garantieren), Krankenversicherungsbeiträge für Pensionist:innen und so weiter. In Summe haben die Pensionsversicherungsanstalten 2022 mehr als 52 Milliarden Euro ausgegeben, deutlich mehr also als die erwähnten Versicherungsbeiträge.

Budget

Den größten Teil dieser Differenz deckt der Bund aus seinem Budget ab: 9,7 Milliarden Euro hat er an „Ausfallshaftung“ übernommen. Diese Pensionsbeiträge sind – neben den Beamt:innenpensionen, die historisch komplett aus dem Budget bezahlt worden sind – der größte Einzelposten, den die Steuerzahler:innen jedes Jahr schultern.

Schauen wir uns das hier im Budgetvoranschlag 2024 an:

Pensionen
© Screenshot

Die beiden Blöcke links in dunkelrot – das sind die Voranschläge für Bundesbeiträge zur Pensionsversicherung (16,7 Milliarden Euro) und die Beamt:innenpensionen (12,8 Milliarden Euro). Zusammen macht das fast 30 Milliarden Euro, ein Viertel der gesamten Ausgaben des Bundes heuer.

Allen verfügbaren Prognosen nach – zum Beispiel dem Mittelfristgutachten der Alterssicherungskommission – wird der Zuschuss des Bundes zu den Pensionen in den kommenden Jahren schon allein durch die Demographie weiter steigen: Geburtenstarke Jahrgänge gehen in Pension, in den schwächeren Jahrgängen im Erwerbsalter stagniert die Zahl der geleisteten Stunden trotz Immigration. Die Folge: Jede:r Erwerbstätige muss mit seinen Beiträgen mehr Pensionist:innen finanzieren.

Und deswegen sind die jährlichen Entscheidungen, ob die Pensionen über die Inflation hinaus erhöht werden oder wie im Gesetz vorgesehen (oder, theoretisch, ob sie gekürzt werden) so wichtig. Allein die diese Woche angekündigte Erhöhung dürfte 3,4 Milliarden Euro kosten, heißt es aus der Regierung – bei einer ohnehin angespannten Budgetsituation.

Und das sind langfristig gebundene Milliarden: Der Fiskalrat hat berechnet, dass allein die über die Inflationsabgeltungen hinausgehenden Pensionserhöhungen der vergangenen Jahre sich im Budget zusammen mit 3,7 Milliarden Euro niederschlagen. Rechnet man diverse Förderungen für Pensionist:innen wie Teuerungsausgleiche etc. dazu, macht das 7,5 Milliarden Euro pro Jahr aus – ein Drittel des für heuer angepeilten Defizits.

Pensionen
© Screenshot

Ob das so bleibt wie angekündigt, werden wir wie gesagt im September wissen, wenn die Pensionserhöhung 2025 den Nationalrat passiert. Spannend wird es dann noch einmal im Dezember: Da muss die Alterssicherungskommission – wohl mitten in den Regierungsverhandlungen – ihren neuen Bericht über die Nachhaltigkeit des Pensionssystems vorlegen. Könnte interessant werden.


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Infos und Quellen

Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.

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