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Pernitzer Gemeinderat profitiert von öffentlichem Auftrag

5 Min
In Pernitz sorgte eine Auftragsvergabe an die Firma eines Gemeinderates für Wirbel.
© Illustration: WZ / Katharina Wieser, Bildquellen: Adobe Stock

Interessenkonflikte, fragwürdige Auftragsvergaben, seltsame Behördenentscheidungen: In der niederösterreichischen Gemeinde Pernitz beschäftigt ein Kindergartenzubau seit Wochen die Lokalpolitik.


    • Erich Panzenböck, geschäftsführender Gemeinderat von Pernitz, erhielt mit seiner Firma area project gmbh den Auftrag für den Kindergarten-Zubau.
    • Die Vergabe wurde trotz Interessenkonflikt und Kritik der Opposition nicht transparent durchgeführt.
    • Nach einer Beschwerde ordnete die Bezirkshauptmannschaft eine Neuausschreibung an.
    • Kosten Kindergarten-Projekt: 1,9 Millionen Euro
    • Auftrag für Planungsarbeiten: 98.646 Euro an area project gmbh
    • Gemeinderatssitzung zur Neuvergabe: 7. Oktober
    • Einwohner Pernitz: 2.500
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

Eigentlich ist Pernitz ein verschlafenes Nest. Doch seit wenigen Wochen rumort es in dem 2.500-Seelen-Ort in Niederösterreich. Der Grund: Der Zubau des Kindergartens. Denn die Baufirma eines Gemeinderates hat den Auftrag bekommen. Die Ausschreibung hat er selbst aufgesetzt – und ein Angebot vorgelegt, das knapp unter der Vergabegrenze war.

1,9 Millionen Euro kostet das Kindergarten-Projekt, der mit Abstand größte Brocken im Budget der Gemeinde. Sie hat dafür sogar ein Darlehen aufgenommen. Profitieren sollen davon die Kinder – und Erich Panzenböck.

Erich Panzenböck ist geschäftsführender Gemeinderat (Liste MITeinander) von Pernitz. Ein kleiner Ort im Schneebergland mit Pfarrkirche, Eissalon, Volksbank und einer Baufirma. Diese gehört zur Hälfte Panzenböck, der bis vor kurzem Obmann der Wirtschaftskammer Wiener Neustadt war. Als der Gemeinderat im Februar 2024 den Neubau des Kindergartens beschließt, wittert der Baumeister ein Geschäft. Einen Monat später knallt er dem ÖVP-Bürgermeister und Koalitionspartner Hubert Postiasi ein Angebot auf den Tisch. Panzenböcks Firma, die area project gmbh, will die Planungsarbeiten übernehmen und verlangt dafür 98.646 Euro – einen Hauch unter der gesetzlichen Vergabegrenze von 100.000 Euro. Und siehe da: Sie bekommt den Auftrag.

Kein Problem mit Doppelrolle

Am Gemeindeamt ist Panzenböck als geschäftsführender Gemeinderat für Infrastruktur selbst für das Projekt verantwortlich. Er ist Auftraggeber und mit seiner Firma Auftragnehmer in Personalunion. „Das war von vornherein eine kritische Konstellation“, sagt Grünen-Gemeinderätin Doris Krüger. Wie Panzenböck seine Doppelrolle sieht, wissen wir nicht, er ließ eine Anfrage der WZ unbeantwortet. Der Österreichische Gemeindebund hat darauf eine konkrete Antwort: „Eine besondere Gefahr besteht dann, wenn Gemeindeorgane- oder mitarbeiter, die an der Durchführung des Vergabeverfahrens beteiligt sind (...), direkt oder indirekt ein finanzielles, wirtschaftliches oder sonstiges persönliches Interesse haben, das ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte“, heißt es in einem Dokument zur Compliance. Im Pernitzer Gemeindeamt sah man das offenbar anders.

Der Bürgermeister bringt das Kindergartenprojekt im Juni 2025, nach mehr als einem Jahr, auch wieder aufs Tapet. Im Gemeinderat stellt er den Antrag, dass die örtliche Bauaufsicht an die area project gmbh vergeben werden soll. Für FPÖ und Grüne ist die Vergabe jedoch nicht fair und transparent abgelaufen: Sie lehnen den Antrag ab.

Beharrlicher Bürgermeister

Doch der Bürgermeister bleibt beharrlich. Er schreibt der Bezirkshauptmannschaft (BH) Wiener Neustadt und ersucht sie, den Beschluss des Gemeinderates aufzuheben. Die Vergabe der Bauaufsicht sei Sache des Gemeindevorstandes. In diesem Gremium sitzen nur die Vizebürgermeisterin und die geschäftsführenden Gemeinderäte. Ihre Sitzungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Brisant ist aber, dass der Gemeindevorstand laut niederösterreichischer Gemeindeordnung nur für die Vergabe von Aufträgen „bis zu dem Gesamtwert von 100.000 Euro“ zuständig ist. Der Auftrag des Kindergartenzubaus liegt weit darüber.

Ein Bauzaun vor einer unfertigen, gestoppten Baustelle beim Kindergarten in Pernitz
Seit Ende August wird der Kindergarten ausgebaut.
© Bildquelle: Michael Ortner

Die Bezirkshauptmannschaft (BH) kommt dem Wunsch des Bürgermeisters dennoch nach – der Bescheid liegt der WZ vor. Warum der Bürgermeister aufgrund des negativen Gemeinderatsbeschlusses gleich die Aufsichtsbehörde eingeschaltet hat, will er der WZ nicht sagen. Er reagierte nicht auf eine Anfrage. „Wenn ein Beschluss nicht zustande kommt, redet man in der Regel nochmal mit den Fraktionen, adaptiert den Antrag und sucht eine Mehrheit für einen sinnvollen Beschluss“, sagt Grünen-Gemeinderätin Doris Krüger über die übliche Vorgangsweise.

Zuschlag für den Koalitionspartner

Auf Druck der Opposition schreibt die Gemeinde die örtliche Bauaufsicht neu aus. Sechs Firmen haben Angebote gelegt, darunter auch Panzenböcks area project gmbh. Ihr Angebot war jedoch preislich nur das Drittbeste, die Differenz zum Bestbieter betrug 5.220 Euro. Doch nicht dieser erhielt den Zuschlag, sondern die Firma des Koalitionspartners des Bürgermeisters. Postiasi hätte mit Panzenböck einen „Preisnachlass von 5.500 Euro“ ausverhandelt, hieß es in der Gemeindevorstandssitzung am 23. Juli. Panzenböcks neues Angebot lag mit 280 Euro minimal unter dem bis dahin billigsten. Allen geschäftsführenden Gemeinderäten, also auch Panzenböck, wurden die Angebote der Firmen vor der Vorstandssitzung mitgeteilt. Mit drei zu zwei Stimmen wurde der Auftrag vom Gemeindevorstand beschlossen.

Der Gemeinderat erfährt von der Vergabe erst vier Wochen später, am 20. August. Das brachte nicht nur die Opposition auf. Selbst ein überzeugter ÖVP-Politiker konnte seine Kritik nicht zurückhalten. „Ich habe mich immer klar gegen diese Vorgangsweise ausgesprochen und an keinem dieser Beschlüsse mitgewirkt“, schreibt ÖVP-Gemeinderat Martin Fischer in einem Post auf seinem privaten Facebook-Profil. Fischer ist im Brotberuf Jurist, Schwerpunkt Kommunalrecht, und hatte bereits bei einer früheren Gemeinderatssitzung auf einen Interessenkonflikt von Panzenböck hingewiesen.

Trotz des Wirbels um die Vergabe haben die Bauarbeiten für den Kindergarten Ende August begonnen. In der Kellergasse fuhren Bagger auf, Lastwagen lieferten Paletten mit Ziegelsteinen, Arbeiter betonierten die Fundamente. Dabei ist längst nicht geklärt, ob diese Auftragsvergabe rechtmäßig zustande gekommen ist.

Die wankelmütige Behörde

Die Freiheitlichen lassen jedenfalls nicht locker. Sie orten einen Vergabe-Skandal und „ÖVP-Freunderlwirtschaft“ und schicken eine Aufsichtsbeschwerde an die BH Wiener Neustadt. Die Antwort liegt Anfang September im Gemeinde-Briefkasten – und sie verblüfft. In dem Schreiben, dass der WZ vorliegt, heißt es, dass die Vergabe der örtlichen Bauaufsicht „aufgrund des Überschreitens der relevanten Wertgrenze in die Zuständigkeit des Gemeinderates fallen würde.“ Die BH macht eine 180-Grad-Wende. Zurück zum Anfang.

Die Gemeinde Pernitz muss den Auftrag nun neu vergeben – voraussichtlich in der nächsten Gemeinderatssitzung am 7. Oktober. Sie steht mit einem unterlegenen Bieter in Kontakt, der bereit wäre, den Auftrag zur Bauaufsicht zu übernehmen. Panzenböck weigert sich aber offenbar, entsprechende Unterlagen an die Firma weiterzugeben. Er könnte die Gemeinde klagen, schließlich hat er einen aufrechten Auftrag. Ob er rechtliche Schritte gegen die Gemeinde setzt, ist unklar. Eine Anfrage der WZ ließ Panzenböck unbeantwortet. Die kuriose Vergabe des Kindergartenzubaus wäre dann jedenfalls um eine Facette reicher.


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Infos und Quellen

Genese

Pernitz ist ein ruhiger Ort im Schneebergland. Doch die Vergabe des Kindergartenumbaus erregt die Gemüter.

Gesprächspartner:innen

  • Hubert Postiasi (ÖVP), Bürgermeister von Pernitz, auf Anfrage nicht geantwortet
  • Erich Panzenböck (Liste MITeinander), Geschäftsführender Gemeinderat für Infrastruktur, Geschäftsführer area project gmbh, auf Anfrage nicht geantwortet
  • Markus Panzenböck (Grünen), Geschäftsführender Gemeinderat
  • Doris Krüger (Grünen), Gemeinderätin
  • Stefan Felsleitner (FPÖ), Gemeinderat
  • Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt
  • Land Niederösterreich, Abteilung Gemeinden
  • Wolfgang Schubert, Jurist für Gemeinderecht

Daten und Fakten

Bei den Gemeinderatswahlen 2025 erreichte die FPÖ mit 26,6 Prozent den ersten Platz. Die ÖVP verlor mehr als acht Prozent. Sie koaliert mit SPÖ und Liste MIT und verfügt über eine knappe Mehrheit von 11:10 Mandatar:innen.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien

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