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Georg Renner hat sich diese Woche die Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst für die nächsten drei Jahre und Konjunkturprognosen näher angesehen.
Puh, das ist ja einmal eine politische Woche. Selbst, wenn wir die Diversion weglassen, die ÖVP-Klubobmann August Wöginger im Postenschacher-Prozess von Linz am Dienstag zuteil geworden ist, gab es in den vergangenen Tagen gleich drei Höhepunkte: die Budget-Wasserstandsmeldung von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) und seiner Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP), die Einigung auf die Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst für die kommenden drei (!) Jahre; sowie die Konjunkturprognosen der beiden Wirtschaftsinstitute Wifo und IHS.
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Wahrscheinlich hätte jedes dieser drei Themen eine eigene Einlassung verdient; aber ich finde, man kann sie logisch nicht wirklich trennen – und daher werden wir sie uns heute zusammen anschauen. Fangen wir mit der Konjunktur an. Das klingt ein bisschen unsexy, und es wird nicht leichter, wenn man den Kommentar von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr dazu liest. Schlüsselsatz: „Das Bild, das unsere Modellsimulationen und Zeitreihenschätzungen zeichnen, ist düster.“
Sinngemäß sagt Felbermayr das, was den Leser:innen dieses Newsletters wahrscheinlich schon bekannt vorkommen mag: Die nächsten Jahre werden eher zäh, geprägt von demographischen Herausforderungen (mehr ältere, weniger erwerbsaltrige Menschen), geopolitischen Verwerfungen, stagnierender Produktivität und generell einem schwierigen Setting für Österreichs Industrie. Zitat: „Uns droht eine verlorene Dekade .“
Das klingt schlimmer als die Zahlen, die Wifo und IHS bei diesem Anlass vorgelegt haben:
Was wir hier sehen, ist eine Nachricht, auf die wir lange gewartet haben: Die längste Rezession der Nachkriegsgeschichte dürfte heuer endlich vorbei sein und Österreichs Wohlstand wieder ein bisschen wachsen. Das ist gut, sogar sehr gut, denn am Bruttoinlandsprodukt, der Summe aller Waren und Dienstleistungen, die in Österreich pro Jahr produziert werden, misst sich nicht nur der Wohlstand des Landes, sondern es steigen auch die Steuereinnahmen, wenn die Wirtschaft wächst.
Aber Felbermayr übertitelt die Präsentation nicht umsonst „Österreich schleppt sich aus der Rezession“: Denn nach Jahren schrumpfenden Wohlstands sind wir mit dem bisschen Wachstum noch lange nicht dort, wo wir schon waren:
Wir sehen: Bis 2030 könnte es den Prognosen nach dauern, dass wir pro Kopf wieder dasselbe Wohlstandsniveau erreichen, das wir 2019 schon hatten. Das wäre die „verlorene Dekade“, von der die Wirtschaftsforscher:innen warnen. Unangenehm – und die politischen Folgen, jahrelang einem Wohlstandsniveau hinterherzuhecheln, das wir schon einmal hatten, kann man sich auch ausmalen.
Was uns zur zweiten entscheidenden Nachricht bringt: dem sogenannten Beamten-Gehaltsabschluss, bei dem es in Wirklichkeit um den gesamten öffentlichen Dienst geht, primär die rund 135.500 Vollzeitäquivalente im Bund. Aber nachdem die Bundesländer (und mit ihnen die Gemeinden) meistens die Gehaltseinigung des Bundes übernehmen, geht es von der Kindergärtnerin bis zum Soldaten, von der Amtsleiterin bis zum Krankenpfleger um einen großen Teil der fast 800.000 Staatsbeschäftigten – und damit um einen ganzen Batzen Geld.
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Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Ursprünglich war ihnen ja zugesagt worden – ausverhandelt vor einem Jahr von dem damaligen Beamtenminister Werner Kogler (Grüne) und im Nationalrat beschlossen von FPÖ, ÖVP, SPÖ und Grünen – , dass sie im Austausch für einen Abschluss von 0,3 Prozentpunkten unter der Inflation für 2025 im kommenden Jahr 0,3 Prozentpunkte über der Inflationsrate abschließen würden; wir hatten das hier ja schon einmal.
Jetzt wird es doch ein wenig anders kommen, wie sich Bundesregierung und Gewerkschaft in der Nacht auf Mittwoch geeinigt haben:
- Statt mit 1.1.26 steigen die Gehälter erst mit 1.7.26 um 3,3 Prozent
- Mit 1.8.27 werden sie um ein Prozent erhöht
- Mit 1.9.28 noch einmal um ein Prozent
- Erst für 1.1.2029 soll wieder neu verhandelt werden
Unabhängig davon, wie man das findet: Die Bereitschaft von Gewerkschaftler:innen im öffentlichen Dienst wie auch in der Privatwirtschaft wenig vorteilhafte Abschlüsse über mehrere Jahre zu vereinbaren, ist ein ziemliches Alarmsignal – es heißt dank Inflation, dass Arbeit über alle Sektoren hinweg weniger wert wird; genau der sinkende Wohlstand, von dem wir sprechen.
Was uns zum letzten Punkt bringt: Finanzminister Markus Marterbauer hat Ende vergangener Woche im Wesentlichen bestätigt, was ich Dir schon vor zwei Wochen geschrieben habe: Das Bundes-Budget ist aktuell etwas besser als noch im April budgetiert – aber diesen Überschuss braucht es, um das gesamtstaatliche Budget (samt Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen) zu retten:
Wie wir hier sehen, ginge sich das allein nicht aus: Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen wären aktuell auf Kurs, mehr als doppelt so viel ungeplantes Defizit aufzureißen wie der Bund besser liegt als gedacht. Aber weil parallel auch die Wirtschaft besser wächst als noch im April erwartet, geht sich die wichtigste Kennzahl, das gesamtstaatliche Defizit in Prozent des BIP, trotzdem mit den angesagten 4,5 Prozent aus.
Dieses Jahr zumindest. Wenn das so weitergeht, und sich die Wirtschaft erholt und der Beamtenabschluss genau wie die Pensionserhöhung hinter der Inflation zurückbleibt, dann sind das schon einmal gute Voraussetzungen für die Budgets in den kommenden Jahren. Aber das sind viele Wenns inmitten düsterer Aussichten.
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Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
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