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Rapid Wien war einmal Österreichs bedeutendster Fußballklub. Heute ist er ein skandalumwittertes Sorgenkind zwischen Freunderlwirtschaft und Fan-Randalen. Zwei Deutsche sollten das ändern – und scheiterten.
Ausgerechnet zwei Deutsche sollten Rapid Wien modernisieren. Diesen Kult-Klub, der am liebsten Ex-Helden in hohe Ämter hievt und die große Vergangenheit zelebriert. Rapid war einst Österreichs Fußball-Aushängeschild, zweifacher Europacupfinalist und Rekordmeister. 20.000 Fans kommen zu den Heimspielen, der Anhang sieht Rapid als Religion und Lebenssinn. Das Problem: In den letzten 17 Jahren blieb der große Erfolg aus.
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Eine einflussreiche Runde wollte das ändern: Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz, der Milliardär Michael Tojner – und der letzte große Rapid-Star Steffen Hofmann, heute 44 Jahre alt und einst vom Fanblock zum Fußballgott erhoben. Man wolle „über den Tellerrand blicken“, hieß es, ehe 2023 zwei Deutsche verpflichtet wurden: Marcus Knipping, ein 60-jähriger Finanzexperte mit strengem Blick, der 30 Jahre für Borussia Dortmund tätig war. Und: Robert Klauß, ein aufstrebender Trainer, der bereits unter DFB-Bundescoach Julian Nagelsmann gearbeitet hatte. Die beiden sollten Rapid, frei von grün-weißer Mia-san-mia-Mentalität und Vereinsklüngelei, neu erfinden.
Doch das ist schwieriger als gedacht. Zuletzt wurden die beiden schon wieder entlassen. Der angestrebte Kulturwandel wurde zum Kulturschock. WZ-Recherchen geben Einblick in einen Verein, der schwer zu reformieren ist – und von mächtigen Fans, Gewalt am Spielfeld und einem Fußballgott dominiert wird.
Spitzname „Ritter“ für Rapid-Fan-Betreuer, der auf Austria-Fans einschlug
Um ein hohes Amt im Klub zu bekleiden, war meist ein Kriterium ausschlaggebend: Rapid-Vergangenheit. Die letzten drei Trainer waren Ex-Rapid-Kicker. Nun folgte die Abkehr: Ein Deutscher auf der Trainerbank, noch dazu mit Wurzeln beim Erzfeind, dem Red-Bull-Fußballkosmos. Doch der Plan schien aufzugehen. Rapid zeigte modernen Fußball, spielte vorne mit und trumpfte im Europacup auf. Bald aber wurden alte Probleme virulent.
Etwa im Herbst 2024: Rapid hatte gerade das Derby gegen Austria Wien gewonnen, da liefen vermummte Fans aufs Feld, um mit Schlagstöcken und Fußtritten aufeinander loszugehen.
Auch ein offizieller Rapid-Fan-Betreuer mischte mit und schlug mit einer Eckfahnenstange auf Austria-Fans ein (ein Video dazu liegt der WZ vor). Im Verein aber befürworteten nicht alle eine sofortige fristlose Entlassung. Der Übeltäter galt als verdienter Mitarbeiter mit gutem Draht zur mächtigen Fantribüne Block West. Intern sollen einige über den Vorfall gescherzt und dem Mann mit der Lanze gar den Spitznamen „Ritter“ verliehen haben. Geschäftsführer Knipping indes habe laut WZ-Informationen auf eine rasche Entlassung gedrängt.
Vereinsbosse in der Zwickmühle
Da zeigte sich die große Bruchlinie bei Rapid. Einerseits war da der Neue aus Deutschland, der schockiert war und rigoros durchgreifen wollte; andererseits Vereinsbosse, die ihre Ämter dem Block verdanken – und nun herumdrucksten. So erklärte Rapid-Präsident Wrabetz nach den schweren Ausschreitungen beim Derby, „kein Fan-Problem und kein Sicherheitsproblem“ zu erkennen.
Dabei müsste er es besser wissen. Im Sommer 2022 stürmten vermummte Rapid-Fans die VIP-Loge des Stadions, um die damalige Rapid-Führung zum Rücktritt zu drängen. Tags darauf zogen sich tatsächlich alle zurück. Zum Revolutionsführer stieg in diesen Tagen Fußballgott Hofmann auf, der nach seiner Spielerzeit mit einem Anschlussvertrag ausgestattet vom Klub gut versorgt wurde – und für den, wie ein Insider erklärt, „ständig neue Positionen erfunden wurden“. Im Block genießt Hofmann hohes Ansehen. Und das kam ihm nun zugute. Denn: Der Anhang hat viel Macht beim Mitgliederverein Rapid. 23.000 Fans zahlen 100 Euro im Jahr und dürfen dafür Einfluss auf die Vereinspolitik nehmen und etwa die Vereinsbosse wählen. Auf Druck der Hardcore-Fans, die nach ihrem Putsch rasch Erfolge forderten, suchte Hofmann eine neue Führungsriege, schlug Wrabetz als Präsidenten vor – und stieg selbst, praktisch von Gnaden der Fans, zum gutbezahlten CEO auf.
Werbebande zu hoch – Veto aus dem Block
Die unterschiedlichen Interessen wurden aber schnell zum Problem. Der Deutsche Knipping wurde geholt, um Rapid zu sanieren und wirtschaftlich zu entwickeln. Der Klub startet nämlich jedes Jahr mit einem hohen einstelligen Millionen-Minus in die Saison. Um dieses auszugleichen, müssen Spieler um viel Geld verkauft und im Europacup Erfolge gefeiert werden. Knipping versuchte nun im Apparat zu sparen, entließ reihenweise Mitarbeiter und kündigte Verträge mit Firmen und Beratern, die ihm zu kostspielig erschienen. Mehrere Millionen Euro wurden laut WZ-Informationen so eingespart.
Rapid-InsiderWas die Ultras fordern, wird umgesetzt
Auch aus der Bandenwerbung im Stadion versuchte er mehr Geld zu lukrieren. So führte Rapid Ende 2023 an den Längsseiten elektronische Banden ein, die doppelt bespielt wurden, um mehr Werbeflächen zu verkaufen. Das Problem: Um die neuen Flächen zu installieren, musste auch die Bande vor dem Block West neu konstruiert werden. Das aber wurde laut WZ-Recherchen zum Problem. Nach ihrem Einbau beklagten führende Fan-Capos die gestiegene Höhe der Werbebande. Das entspräche nicht der Abmachung zwischen Verein und Block, hieß es lautstark. Der Klub montierte sie also wieder ab – und kürzte pflichtgemäß.
Schneller Draht von der Rapid-Geschäftsstelle in den Fanblock
„Was die Ultras fordern, wird umgesetzt“, erzählt ein Rapid-Insider der WZ. Der Klub befindet sich dadurch in einem Dilemma. Die führenden Fan-Gruppen fordern Erfolge, aber zugleich ein puristisches Rapid, das sich so wenig wie möglich verkauft – weder an Investoren, noch an den modernen, kommerzialisierten Fußball. Der Verein aber muss mehr Geld aufstellen, um sportlich Schritt zu halten. Ein Spagat, der schwer zu bewältigen ist. Der Milliardär Michael Tojner, Teil der Rapid-Führungsriege, hätte anfangs gerne 30 Prozent der Rapid GmbH an Investoren verkauft, „um damit 20 bis 30 Millionen für den Verein zu mobilisieren“, wie er erklärte. Die Fans waren dagegen. „Wenn das die Fans nicht wollen, dann geht es nicht“, ruderte er wenig später zurück. Rapid ist ein Verein mit großer Tradition – es ist verständlich, dass der Anhang ihn nicht verscherbeln will. Aber auch weniger einschneidende Ideen wurden abgelehnt. Knipping soll laut WZ-Information Werbespots auf den Videowalls im Rapid-Stadion angedacht haben – ehe das Veto aus einflussreichen Fanlagern kam.
Viele Vorhaben gelangen aus der Rapid-Geschäftsstelle rasch in den Block. Eine enge Mitarbeiterin von CEO Hofmann ist mit einem einflussreichen Fan-Capo liiert. Und im achtköpfigen Rapid-Präsidium sitzen gleich drei Vertreter mit besten Kontakten zu den Ultras. Was Fans im Stadion treiben, verhandelt der Fußballgott selbst mit ihnen – das Ressort Sicherheit wanderte im Herbst 2024 von Knipping zu Hofmann.
Es hat Tradition, dass Vereinsbosse führende Fans empfangen und hofieren. So wurden schon Trainer- und Manager-Bestellungen in Abstimmung mit ihnen getroffen. Die Klub-Bosse vermeiden Kritik am Anhang, den sie für Stimmung im Stadion und ihr eigenes Vorankommen benötigen. Im Rapid-Umfeld, etwa bei Sponsoren, wird die Abhängigkeit teils kritischer gesehen. „Da wedelt der Schwanz mit dem Hund“, sagt ein Insider.
Sponsoren-Unmut und verbannter Alkohol
Nach einem Derbysieg im Februar 2024 feierte Hofmann inmitten des Blocks und trauerte lautstark der Chance nach, „die Oaschlöcher so richtig abzuschießen“. Spieler und Betreuer sangen dazu homophobe Liedchen. Ein Video davon tauchte auf, sogar die „Bild“ berichtete. Das sorgte für Ärger bei Sponsoren. Rapid wird von stadtnahen Unternehmen gesponsert, etwa der Wien Energie, die sich laut WZ-Information nun eine Klausel im Vertrag verankern ließ, um bei weiteren Eskalationen die Sponsorenleistung reduzieren zu können.
Intern, das wird der WZ von mehreren Personen bestätigt, spitzte sich ein Konflikt zu: zwischen Knipping, der die Zustände im Klub kritisierte, und Hofmann.
Dazu sprach Knipping laut mehreren Quellen Probleme an, die im Rapid-Umfeld schon lange bekannt sind – etwa den starken Alkoholkonsum. Knipping griff rigoros durch und ließ den Alkohol aus den Kühlschränken in der Geschäftsstelle verbannen.
Whistleblower-Beschwerden
Bei Sponsoren war Knipping beliebt. Aber im Klub schuf er sich mit seiner deutsch-gründlichen Art Feinde. Er soll ohne Rücksicht auf Sentimentalitäten agiert haben. Auch ein rauer Führungsstil wird ihm intern nachgesagt. Anfangs wurde er mit dem Auftrag geholt, bei Rapid aufzuräumen. Dann aber bildete sich eine Front gegen den Neuen, der mit Rapids Machtzentrum kollidierte: seinen einflussreichen Fans und dem Fußballgott.
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Laut WZ-Recherchen gingen Whistleblower-Beschwerden über Knipping bei den Rapid-Bossen ein. Anfang März wurde der Deutsche, der lange als zentraler Baustein des Neuanfangs gelobt wurde und noch über ein Jahr unter Vertrag stand, abrupt entlassen. Präsident Wrabetz erklärte, man habe sich im Präsidium „einstimmig zu dem Schritt entschlossen“. Über die Gründe wird beharrlich geschwiegen. Wrabetz sprach bloß von „gravierenden Auffassungsunterschieden“.
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Die Fans und der Fußballgott
Ruhe kehrte dennoch keine ein. Anfang März lieferten sich Rapid-Fans eine Schlacht mit der Polizei. Beim Spiel in Hartberg hatte die Exekutive Gegenstände bei Anhänger:innen entdeckt, „die nichts im Stadion verloren haben“. Es kam zu Tumulten. Klotüren und Waschbecken flogen auf Polizist:innen. Rapid musste 150.000 Euro Strafe zahlen und den entstandenen Schaden von 35.000 Euro ersetzen. Hofmann aber relativierte die Lage: „Es ist kein Problem von Rapid“, erklärte er, „das passiert überall in Europa“. Und statt der Randalierer nahm er die Polizei in die Pflicht: „Es gehören immer zwei dazu.“ Und: „Polizisten im Fanblock sind nicht deeskalierend“.
Hofmann wird im Rapid-Umfeld kein gutes Zeugnis ausgestellt. Er verfüge über keine Kompetenzen, die ein CEO benötigt, heißt es. Vor allem sein Draht zu den einflussreichen Fan-Capos würde ihn im Amt halten.
Undiszipliniertheiten und Absturz
Lange lag Rapid zumindest sportlich auf Schiene. Unter dem deutschen Trainer Klauß wurde erstmals seit 30 Jahren ein Europacup-Viertelfinale erreicht, das fast 20 Millionen Euro Brutto-Einnahmen bescherte. Dann aber schwächte sich Rapid selbst. Wieder einmal. Im Viertelfinale gegen Djurgården flogen zwei Rapid-Kicker nach brutalen Fouls vom Platz, das Spiel ging verloren, am Ende traf ein voller Bierbecher einen Gegner am Genick. Schon davor rissen Undiszipliniertheiten ein. Im Dezember wurde Star-Stürmer Guido Burgstaller mit 1,68 Promille Alkohol im Blut vor einem Wiener Szenelokal niedergeschlagen. Dabei erlitt er schwere Verletzungen und fiel lange aus. Rapid spielte ohne ihn schwächer. Und im Klub-Umfeld machten Gerüchte die Runde, dass einige Stars nicht mehr hinter dem Coach stünden, weil der unnahbar und kühl agiert haben soll. In der Liga rutschte man ab – auf den fünften Platz. Ende April antwortete Rapid-Kapitän Matthias Seidl auf die Frage, ob der Trainer noch der Richtige sei: „Das ist ein Thema für den Sportdirektor“. Tags darauf wurde Klauß entlassen.
Der Kulturwandel ist erstmal abgesagt. Als Trainer rückte mit Stefan Kulovits ein Rapid-Urgestein nach, der in seiner Spielerzeit als „Kampf-Gelse“ gefeiert wurde und im Block hohe Beliebtheitswerte genießt. „Er ist ein echter Rapidler“, dozierte die Rapid-Ikone Hans Krankl. Auch die Agenden von Geschäftsführer Knipping übernahm – neben Expert:innen aus der Finanzabteilung – offiziell vorerst ein Rapid-Held: Fußballgott Hofmann.
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Infos und Quellen
Genese
Der Traditionsklub Rapid Wien eiferte zu sehr seiner Vergangenheit nach – und landete in der Erfolglosigkeit. Nun war eine Modernisierung geplant: Zwei Deutsche sollten neue Ideen bringen – und scheiterten. Die Recherche von Fußball-Insider Gerald Gossmann zeigt, wie Machtstrukturen im Verein die Entwicklung lähmen.
Gesprächspartner:innen
Die Recherche erstreckte sich über mehrere Wochen und umfasst zahlreiche Gesprächspartner:innen, die allesamt nicht genannt werden wollen.
Daten und Fakten
- Rapid Wien wurde 1899 gegründet und ist der beliebteste Fußballklub des Landes. Rapid ist mit 32 Titeln österreichischer Rekordmeister, gewann 14 Mal den Cup-Titel und stand zweimal (1985 und 1996) in einem Europacup-Endspiel. Zuletzt wurde der Klub 2008 Meister. Seither gelang kein Titelgewinn.
- Der Klub wird von einer Dreier-Geschäftsführung operativ geführt: Der Ex-Rapid-Star Steffen Hofmann ist CEO, der Deutsche Marcus Knipping, der zuletzt entlassen wurde, fungierte als Wirtschafts-Geschäftsführer und der Ex-Rapid-Spieler Markus Katzer ist Sport-Geschäftsführer. Dazu steht ein ehrenamtliches Präsidium dem Klub vor. Im achtköpfigen Führungsgremium sitzen u. a. Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz (Präsident), die Ex-WU-Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger (Vizepräsidentin), der Unternehmer Michael Tojner und der Ex-Rapid-Spieler Michael Hatz.
- Im Block West sind verschiedene einflussreiche Fan-Gruppierungen beheimatet, etwa die Ultras Rapid oder die Alte Garde. Rapid ist ein Mitgliederverein. Über 23.000 Vereinsmitglieder können Statuten verändern und die Vereinsbosse wählen. Die Mehrzahl der Rapid-Anhänger ist friedlich, die Fanklubs sammeln für karitative Zwecke Geld – trotzdem kommt es immer wieder zu schweren Ausschreitungen.
- Bei Rapid arbeiten in allen Ebenen ehemalige Rapid-Spieler: Michael Hatz sitzt im Präsidium, Markus Katzer ist Sport-Geschäftsführer, René Gartler Kaderplaner, Steffen Hofmann CEO, Stefan Kulovits Trainer, Jürgen Macho Tormanntrainer, Patrick Jovanovic und Martin Hiden sind für Rapid II tätig und Christopher Dibon als Individualtrainer. Die letzten zwei Meistertitel wurden von Ex-Rapid-Spielern auf der Trainerbank errungen: 2005 unter Josef Hickersberger und 2008 unter Peter Pacult.
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