Seit rund 15 Jahren wird in Österreich erfolgreich Reis angebaut. Er ist nachhaltiger als Importreis. Doch das hat seinen Preis.
Meter um Meter frisst sich der Mähdrescher durchs Feld. Was eben noch am Halm hing, wird bald auf dem Herd köcheln. Hier wird allerdings kein Weizen oder Mais in die Maschine geschleudert, sondern ein in unseren Breiten seltenes Korn: Es ist Erntezeit auf Österreichs Reisfeldern. Und es wird eine gute Ernte sein. Dabei war der August teilweise deutlich zu kühl für die exotische Kulturpflanze. Der Reis mag es feucht und warm, kalte Nächte sind ihm ein Graus. „Wir haben auch schon komplette Ernteausfälle erlebt“, erzählt Ewald Fröhlich, der seit 2016 in der Steiermark Rund-, Mittel- und Langkornreis anbaut.
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Hier waten die Erntearbeiter:innen allerdings nicht durch knöcheltief überschwemmte Felder, sondern der Reis wächst auf trockenem Boden und wird nur bei Bedarf gegossen. Das hat laut den heimischen Reisbauern mehrere Vorteile: Erstens nehmen die Pflanzen weniger Schadstoffe wie zum Beispiel Arsen auf, die in der Nasskultur aus dem Boden geschwemmt werden; zweitens ist der Reis geschmackvoller; drittens braucht er im Trockenanbau viel weniger Wasser als im Nassanbau; und viertens ist es besser fürs Klima.
Heimische Reispioniere als Vorbilder für Asien
Beim Trockenanbau wird nämlich kein Methan ausgestoßen wie in gefluteten Feldern, wo das klimaschädliche Gas durch Fäulnis entsteht. „Neben der Rinderhaltung ist Nassreisanbau weltweit der zweitgrößte Verursacher von Methan“, erläutert Gregor Neumeyer, der 2015 ins Reisgeschäft eingestiegen ist. Mittlerweile bekommt er immer wieder Besuch von Reisproduzent:innen aus Fernost, „die schauen, wie sie mit weniger Flutung auskommen könnten“. Mutmaßlich, weil ihre Kund:innen mehr Nachhaltigkeit fordern. Für Neumeyer ist das Umdenken der Erzeuger:innen ein Beleg dafür, dass es die Konsument:innen in der Hand haben, die Produktion von Nahrungsmitteln zu verändern.
Dieselbe Reissorte hat im Wasser den doppelten Ertrag wie auf dem Trockenen.Reisbauer Gregor Neumeyer
Eine großflächige Umstellung in Asien ist allerdings illusorisch. „Dieselbe Reissorte hat im Wasser den doppelten Ertrag wie auf dem Trockenen“, sagt Neumeyer. Für den Trockenanbau in Österreich spricht Fröhlich von bis zu 3,5 Tonnen Ertrag pro Hektar. Zum Vergleich: Bei Weichweizen sind es laut Landwirtschaftsministerium im Durchschnitt 5 Tonnen, bei Roggen 4,6 Tonnen und bei Körnermais sogar 10 Tonnen.
Reis im Schlamm des Neusiedler Sees
Die Vorteile des Nassanbaus liegen auf der Hand: Das Wasser ersäuft sozusagen den Großteil des Unkrauts, das man beim Trockenanbau mühevoll wegzupfen muss. Und es ist viel Unkraut. Reis wächst nämlich nicht so schnell und dicht wie andere Getreidesorten, „dadurch ist die Bodendeckung geringer, und das Unkraut wächst besser“, erklärt der burgenländische Reisbauer Erwin Unger, der in diesem Bereich bereits auf automatisierte und KI-gestützte Maschinen zurückgreift. Trotzdem bleibt immer noch viel Handarbeit. Bloß, von wem? „Wir wollen biologische Lebensmittel, aber wir finden nicht die Arbeitskräfte dafür, weil den Job keiner machen will“, bringt es Neumeyer auf den Punkt.
Versucht hatte man es mit Nassanbau in Österreich. Bereits im Jahr 1864, als der Neusiedler See ausgetrocknet war, wollten Agrarpioniere im nassen Seeschlamm Reis anbauen – und scheiterten dabei ebenso wie jene, die es im Zuge der Autarkiebestrebungen während des Zweiten Weltkriegs erneut versuchten. Unger weiß, warum: „Damals war in den Köpfen, dass Reis und Wasser zusammengehören. Aber in so einem Sediment kann man keinen Reis anbauen, das geht einfach nicht.“ Er selbst hat im Seewinkel als einer der Ersten in Österreich um das Jahr 2010 die ersten Versuche mit verschiedensten Reissorten aus aller Welt gemacht, etwa zeitgleich mit Familie Fuchs in der Südsteiermark. „Nach zwei Jahren haben wir gewusst, wie der Hase läuft“, sagt Unger. Aber auch jetzt noch experimentiert er herum, vor allem in Bezug auf den Wasserverbrauch.
Sehr großer Aufwand
Weil es für Reis nur sehr wenige Pflanzenschutzmittel gibt, bringt die konventionelle Landwirtschaft hier keine nennenswerten Vorteile. „Deshalb war für mich von vornherein klar, dass in Österreich nur biologischer Reisanbau sinnvoll ist“, sagt Reisbauer Neumeyer. Der Gerasdorfer ist zwar auf einem Bauernhof aufgewachsen, aber eigentlich nur durch eine „b’soffene G’schicht“ hineingerutscht, wie er sagt. Inzwischen baut er unter der Marke ÖsterReis nicht nur selbst an, sondern hat auch rund 15 Vertragslandwirte, die für ihn produzieren. Während es etwa Fröhlich und Fuchs mit ihrem SteirerREIS und Unger mit seinem Seewinkler Bioreis in die regionalen Filialen großer Supermarktketten geschafft haben, setzt Neumeyer mit seinem ÖsterReis neben Online-Shop und Handel auch auf ein direktes Reisabo, bei dem einmal, zweimal oder viermal jährlich ein Fünf-Kilogramm-Sack an rund 2.000 Kund:innen verschickt wird oder direkt in Gerasdorf abgeholt werden kann.
Es ist schon schwierig, die aktuellen Preise zu halten.Reisbauer Ewald Fröhlich
Mit 14 bis 24 Euro je Kilogramm ist österreichischer Reis immer noch ein Luxusprodukt. Andreas Lechner, Chef der Online-Lebensmittelplattform Biobär, relativiert diese hohen Preise: „Wenn du 100 Gramm Reis isst, also eine halbe Tasse, bist du pappsatt. Das sind umgerechnet 1,40 Euro pro Portion.“ Er hat übrigens festgestellt, dass den heimischen Kund:innen der regionale Aspekt noch wichtiger sein dürfte als der Bio-Aspekt. Was den Reis aus Österreich so teuer macht, ist der große Aufwand für die Reisbauern. Deshalb wird sich preismäßig so bald nichts ändern. „Es ist schon schwierig, die aktuellen Preise zu halten“, meint Fröhlich. „Die laufenden Kosten sind einfach so hoch“, rechnet Reisbauer Johannes Mühl aus dem Weinviertel vor: „Das Saatgut ist heuer um 50 Prozent teurer als im Vorjahr, die Lohnkosten sind um zehn Prozent gestiegen, der Treibstoff ist auch um die Hälfte teurer als vor zwei Jahren. Im Moment gleichen wir das noch aus, indem wir mehr arbeiten, mit 18-Stunden-Tagen und kaum einem freien Sonntag.“ Zumindest der Reis trägt sich aber durch die hohen Preise selbst.
Kostenwahrheit beim Reis
Für Neumeyer, der im Hauptberuf bei einem Versicherungskonzern arbeitet, ist es trotzdem viel mehr als bloß Liebhaberei: „Mittlerweile ist es auf jeden Fall wirtschaftlich nachhaltig.“ Angesprochen auf die hohen Preise, sagt er: „Wir arbeiten mit einem großen Babynahrungsmittelhersteller zusammen, der sich mit den wahren Kosten von Lebensmitteln beschäftigt. Und wenn man da die klimatischen Probleme durch den Nassreisanbau mit einrechnet, sieht es schon anders aus.“ Reis aus Österreich wird aber ein Nischenprodukt bleiben, meint er. „Natürlich könnte man durch Skalierung die Preise noch drücken, aber wir werden nie mit dem konventionellen Reis im Supermarkt mithalten können.“
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Infos und Quellen
Genese
WZ-Redakteur Mathias Ziegler ist regelmäßig mit seinem Hund zwischen den Feldern rund um Gerasdorf bei Wien unterwegs, wo seit 2016 auch Reis wächst. Nachdem er bereits im Jahr 2017 darüber geschrieben hatte, hat er nun bei den Reisbauern nachgefragt, ob es sich mittlerweile für sie rentiert und ob sie das Potenzial dafür sehen, dass sich Österreich irgendwann selbst mit Reis versorgen könnte – womöglich zu Preisen wie beim importierten Reis.
Gesprächspartner:innen
Ewald Fröhlich, Reisbauer in der Steiermark
Andreas Lechner, Geschäftsführer der AWL HandelsgmbH, die auf ihrer Online-Plattform Biobär regionale Produkte vermarktet
Johannes Mühl, Reisbauer im Marchfeld
Gregor Neumeyer, Geschäftsführer von ÖsterReis
Erwin Unger, Reisbauer im Seewinkel
Daten und Fakten
Reisanbau im Wasser und auf trockenem Boden: Seit rund 7.000 Jahren wird Reis angebaut. Für mindestens zwei Milliarden Menschen ist er das Hauptnahrungsmittel. Rund eine halbe Milliarde Tonnen Reis wurden im Vorjahr weltweit geerntet, das meiste davon in Asien. Die größten Produzenten sind China, Indien, Indonesien, Bangladesch, Vietnam und Thailand. 95 Prozent des weltweit geernteten Reises werden im Ursprungsland verzehrt. Die 5 Prozent, die auf dem Weltmarkt gehandelt werden, stammen vor allem aus den USA, Thailand, Italien, Spanien und Frankreich. So ist zum Beispiel Thailand für 29 Prozent der weltweiten Reisexporte verantwortlich, bei einem Anteil von nur 4 Prozent an der globalen Gesamtproduktion. Weltweit macht der Nassanbau mit rund 79 Millionen Hektar zwar nur etwa die Hälfte der Gesamtanbaufläche aus, sorgt aber für gut 75 Prozent der weltweiten Reisernte.
Theorie und Praxis beim Wasserverbrauch: In der Theorie braucht man laut dem Reisbauern Ewald Fröhlich für Reis in Trockenkultur nicht mehr Wasser pro Kilo Korn als bei Weizen oder Mais. Und gegenüber dem Nassanbau könnte man den Wasserbedarf auf ein Zehntel senken. In der Praxis ist er in unseren Breiten aber höher. Der Grund dafür: Während andere Getreidekulturen einen Meter und tiefer im Boden wurzeln, sind es beim Reis nur 30 bis 40 Zentimeter. Dadurch trocknet er im Sommer leichter aus und braucht öfter Regen – oder, wenn der fehlt, eben künstliche Bewässerung. Diese erfolgt aber mit Maß und Ziel, erläutert Reisbauer Erwin Unger: „In der Aufzuchtkultur nach der Aussaat gießen wir erst einmal gar nicht.“ Danach schaut er, dass nur die obersten drei Zentimeter an der Oberfläche nass sind, damit der Reis richtig einwurzelt. Der Reisanbau ist nicht nur viel Arbeit, sondern auch „mehr wissenschaftlich oder gärtnerisch als landwirtschaftlich“, meint der Reisbauer. Das beginnt schon beim Boden: „Wichtig ist, den Humusgehalt in der Waage zu halten. Die Nährstoffe resultieren bei uns aus Hühnermist und aus Abfällen vom Zuckeranbau und von der Brauerei.“ Zur Düngung stellt Reisbauer Gregor Neumeyer fest: „Die limitierenden Faktoren sind nicht die Nährstoffe, sondern es ist das Wasser.“
Hoher Aufwand, geringer Ertrag: Anbau und Verarbeitung von Reis sind sehr aufwendig. Nur etwa die Hälfte der Erntemenge ist am Schluss vermarktungsfähiger Reis. Die andere Hälfte sind ungenießbare Spelze, Kleie – die beim weißen Reis entfernt wird – und Bruch. Außerdem wird der Reis poliert, bevor er in die Verpackung kommt. Mittlerweile gibt es in Österreich einige Reismühlen, früher musste er dafür nach Italien und zurück transportiert werden. Gerade weil der Aufwand so groß ist, soll nichts verschwendet werden. Die Halme bleiben als Stroh auf dem Feld, berichtet Reisbauer Gregor Neumeyer. „Die Spelze verkaufen wir als Nährboden für Speisepilze, in Blumenerde als Torfersatz und für Mobilklos – danach könnte sie dann wieder als Dünger aufs Feld aufgebracht werden.“ Die Kleie wiederum ist ein gesundes Nahrungsergänzungsmittel oder wird für Würzsoßen fermentiert. Der Bruch landet in Reiswaffeln und Mehl.
Quellen
Das Thema in anderen Medien
Kurier: „‚ÖsterReis‘: Lokaler Reisanbau in Österreich nimmt Fahrt auf“
Kleine Zeitung: „Steirerreis bittet zum Erleben in eine neue Manufaktur“
Neues Land: „Steirischer Reis-Rekord“
Kleine Zeitung: „Südoststeirischer Whiskey aus Reis soll ‚So-Fröhlich‘ machen“
Falter: „Very, very nice: Aus dem Seewinkel kommt jetzt roter Reis!“