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Georg Renner hat sich die angekündigten Maßnahmen der Regierungskoalition vom Ministerrat am 18. Juni näher angesehen.
Am Mittwoch war eine echte Bonanza für Freunde der Sachpolitik. Nicht nur, weil der Nationalrat mit schwarz-rot-pinker Mehrheit wie erwartet das Bundesbudget für 2025 und 2026 beschlossen hat – damit haben wir uns hier ja schon das eine oder andere Mal auseinandergesetzt.
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Nein, am Mittwoch hat die selbige Regierungskoalition auch noch eine ganze Reihe anderer Maßnahmen „auf den Weg gebracht“. (Eine Formulierung übrigens, mit der sich Regierende seit Menschengedenken darüber hinweg schummeln, dass manche dieser Reformen bloße Ankündigungen sind; andere Begutachtungsentwürfe, die erst am Beginn des Gesetzwerdungsprozesses stehen; und wieder andere echte Regierungsvorlagen, die sehr wahrscheinlich schon bald beschlossen werden.)
Es gab im Minister:innenrat und dessen Umgebung jedenfalls eine Vielzahl von Ankündigungen. Jede einzelne davon verdiente an sich intensive Diskussion – aber weil angesichts des langen Wochenendes und der bevorstehenden Ferien die Gefahr recht manifest ist, dass im Sturm der politischen Aktivität das eine oder andere unter den Tisch fällt, hier eine Liste der Sachen, die jetzt „am Weg sind“. Etliche davon werden uns nämlich direkt oder indirekt in den kommenden Jahren betreffen.
Ankündigungen der Regierungskoalition
1. Die Folgen von Graz
Die schrecklichen Taten von Graz – die die WZ-Kollegen in den vergangenen Tagen übrigens umfassend eingeordnet haben, zum Beispiel bezüglich der Zahl der Waffen in Österreich – ziehen ein Maßnahmenpaket der Regierung nach sich:
- Entschädigungsfonds: Für die Opfer und Hinterbliebenen stellt die Regierung 20 Millionen Euro für Schmerzengeld, Therapie- oder Begräbniskosten zur Verfügung.
- Schulpsychologie: Die Zahl der Schulpsycholog:innen in Österreich soll in den kommenden drei Jahren verdoppelt werden. Neues Budget ist dafür bisher aber keines vorgesehen, es bleibt vorerst bei der Absichtserklärung.
- Abbrecherbetreuung: Bei Schulabbruch sollen verpflichtende Gespräche mit Eltern, Schüler:innen und Schulpersonal vorgeschrieben werden. Vor allem für den damit verbundenen Sanktionsmechanismus, wenn jemand diese Gespräche verweigert, wird es aber eine gesetzliche Regelung brauchen – die liegt noch nicht vor.
- Schulsicherheit: Die Schulen werden aufgerufen, die örtlichen Zugangskonzepte zu den Gebäuden zu überprüfen.
2. Die Regierung stellt außerdem – bisher eine rein politische Ankündigung, noch kein Gesetzesentwurf – eine Verschärfung des Waffenrechts in Aussicht. Eckpunkte:
- Schärfere Vorschriften für psychologische Gutachten bei Antrag auf eine Waffenbesitzkarte – unter anderem wird man einen Grund für den Waffenbesitz nachweisen müssen.
- Behörden sollen untereinander mehr kommunizieren dürfen – unter anderem darf das Bundesheer Stellungs-Gutachten an die Waffenbehörden weitergeben.
- Es wird mehr Möglichkeiten und Automatismen für Waffenverbote geben – unter anderem bei „auffälligen“ Gutachten soll ein zehnjähriges Verbot greifen.
- Kategorie C-Waffen soll man künftig erst ab 25 Jahren erwerben dürfen.
- Bevor man seine erste Waffe erwirbt, soll eine vierwöchige Wartefrist eingeführt werden.
3. Weitere Maßnahmen im Nachfeld von Graz betreffen Jugendarbeit und Medien – vorerst ebenfalls Ankündigungen:
- Es soll mehr psychische Gesundheits-Workshops für Menschen geben, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.
- In AMS-Kursen für jugendliche Arbeitslose soll ein Deradikalisierungstraining integriert werden.
- In der Medienförderung sollen die Kriterien für ethische Berichterstattung objektiv und klarer gefasst werden.
- Hass- und Hetz-Postings in Social Media sollen schärfer verfolgt werden (dazu gibt es noch keine Details).
- Auch für die geplanten „transparenten und funktionalen Beschränkung von Social Media zum Schutz von Kindern und Jugendlichen fehlen bisher Details.
4. Unabhängig von Graz haben sich zumindest zwei der drei Koalitionsparteien am Mittwoch auf die Überwachung von Messenger-Diensten bei konkreter Gefährdung geeinigt. Möglich sein soll die Überwachung nur nach Anordnung eines Drei-Richter-Senats und bei Kontrolle eines Rechtsschutzbeauftragten. Dafür gibt es nun eine Regierungsvorlage, im Parlament könnte es aber haarig werden: Mehrere Neos-Abgeordnete haben bereits angekündigt, gegen das Gesetz stimmen zu wollen. Wie die Koalition damit umgeht, ist offen.
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Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
5. Ebenfalls dem Parlament übermittelt worden sind zwei weniger strittige Entwürfe: Die Wiener „Orientierungsklassen“ für neu angekommene Schüler:innen sollen ab Herbst in allen Bundesländern möglich sein. Über die tatsächliche Einrichtung und Ausgestaltung entscheiden aber die Länder.
6. Auch das „Dick-pic-Verbot“, das das unerwünschte Versenden von Genitalbildern als Sonderform der sexuellen Belästigung unter Strafe stellt, wird wohl wie geplant im Herbst in Kraft treten.
7. Zuletzt hat sich die Regierung noch auf ein Pensionspaket geeinigt, das im Juli im Nationalrat beschlossen werden soll. Die Teilpension ergänzt künftig die Altersteilzeit. Dadurch wird es ab nächstem Jahr möglich sein, reduziert weiter zu arbeiten, und gleichzeitig einen bereits angesparten Teil der Pension zu beziehen. Reichen die Einsparungen im Pensionssystem bis 2030 nicht aus, kommt außerdem ein Nachhaltigkeitsmechanismus, der die künftige Regierung zu weiteren Einsparungen verpflichten soll. Dieser Mechanismus soll aber erst 2030 wirksam werden – praktischerweise nach Ende der aktuellen Legislaturperiode. Hier wird viel von den Formulierung des Gesetzes abhängen – ein Entwurf lag aber bis zu Redaktionsschluss noch nicht vor.
Ziemlich viel, was da an nur einem Tag präsentiert worden ist – und für einen heißen sachpolitischen Sommer dürfte damit gesorgt sein.
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Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
- Bundeskanzleramt: 15. Ministerrat am 18. Juni 2025