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Schulklassen ohne Deutsch

4 Min
Georg Renner schreibt jede Woche einen sachpolitischen Newsletter. Am Samstag könnt ihr den Beitrag online nachlesen.
© Fotocredit: Georg Renner

Zum Schuljahresende gibt es schlechte Noten für die heimische Bildungspolitik: im vorherigen Schuljahr konnte im Schnitt jedes zehnte Volksschulkind nicht gut genug Deutsch, um dem Unterricht folgen zu können. Tendenz stark steigend.


Hier in Ostösterreich war gestern, Freitag, Zeugnistag und damit Start in die großen Ferien. Traditionell ist das im Zeitungsgewerbe ein beliebter Anlass, sich verstärkt Schul- und Bildungsthemen zu widmen (oder zumindest verwandten Genres wie „Zeugnistag für unsere Politiker:innen“). Bevor ich in dieselbe Richtung einbiege, möchte ich Ihnen einige Artikel ans Herz legen, die mir in den vergangenen Tagen dazu aufgefallen sind und die die Realität unseres Schulwesens vermessen. Und zwar mit besonderem Augenmerk auf den Elefanten im Klassenzimmer, der Integrationsfrage.

Im „Falter“ hat Kollegin Krenn eine Volksschule besucht, in der 82 Prozent der Kinder zuhause eine andere Sprache als Deutsch sprechen. Die Lehrer:innen dort würden sich einerseits mehr Unterstützung durch die Stadt wünschen, z. B. in Form von Sozialarbeiter:innen, andererseits eine bessere Durchmischung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. „Wenn von 100 Kindern 40 nicht Deutsch als Erstsprache sprechen und 60 schon, ist das optimal“, sagt die Direktorin.

In ein ähnliches Horn stößt ein Wiener Mittelschullehrer und Grünen-Politiker, mit dem Kollege John im „Standard" gesprochen hat: „Eines der reichsten Länder, eine der reichsten Städte schafft es nicht, allen Schüler:innen Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen“, sagt er, und: „Wir verlieren da ganze Gruppen an Jugendlichen“.

Jedes vierte Schulkind spricht zuhause nicht Deutsch

Harter Tobak, das alles. Schauen wir uns an, was wir über die Situation wissen, wie schwierig die Lage an Österreichs Schulen ist. Da ist zunächst einmal die Statistik der Kinder, die zuhause eine andere Umgangssprache als Deutsch haben aus dem Integrationsbericht der Bundesregierung:

Umgangssprache von Schüler:innen und Kindergartenkindern
© Screenshot

Wir sehen: Über ganz Österreich gerechnet, spricht rund jedes vierte Schulkind zuhause nicht Deutsch, in den Volksschulen fast jedes dritte. Naturgemäß ist der Anteil nicht gleichmäßig verteilt – in ihrem „Bildung in Zahlen“-Bericht hat die Statistik Austria die Anteile nach Bezirken aufgegliedert. Wenig überraschend gilt: Je städtischer, desto häufiger andere Sprachen.

Umgangssprache in Volksschulen
© Screenshot

Auch, wenn sie die Statistik der Umgangssprache jene ist, die in der Migrationsdebatte am öftesten zitiert wird, bin ich skeptisch, was ihre Aussagekraft über echte Integrationsprobleme angeht: Nur, dass jemand zuhause mit seinen Eltern BKS, Rumänisch oder Farsi spricht, heißt ja noch lange nicht, dass er oder sie nicht Deutsch kann; dass zum Beispiel auch an AHS mit bekanntlich höheren Eingangshürden mehr als ein Fünftel der Schüler:innen eine andere Umgangssprache hat, deutet für mich darauf hin, dass das staatliche Bildungssystem durchaus in der Lage ist, hier einen Ausgleich herzustellen.

Außerordentlichen Schüler:innen

Interessanter finde ich da die Zahl der „außerordentlichen Schüler:innen“ – das sind jene Kinder, die nicht gut genug Deutsch können, um dem Unterricht folgen zu können.

Wir sehen: Im vorigen Schuljahr war das im Schnitt jede:r zehnte Volksschüler:in, aber auch hier ist der Anteil österreichweit höchst ungleich verteilt – in Wien waren es im Vorjahr noch 17 Prozent der Volksschüler:innen, Tendenz stark steigend.

Eine Detailaufnahme über den Zustand in Wien bieten Zahlen aus zwei Anfragebeantwortungen von Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr an die Landes-ÖVP. Wenn wir einmal nur auf den Anteil der außerordentlichen Schüler:innen an den heurigen ersten Klassen schauen, ergibt sich folgendes Bild:

Mehr als jede:r dritte Taferlklassler:in (das sind 35 Prozent) versteht nicht gut genug Deutsch, um dem Unterricht folgen zu können. Und auch innerhalb Wiens ist dieser Anteil höchst ungleich verteilt, er reicht von elf Prozent in Mariahilf bis zu 67 Prozent in Margareten. Und das ist bei weitem nicht nur der Familiennachzug – die Anfragebeantwortungen zeigen auch, dass ein Großteil dieser „außerordentlichen“ Kinder in Österreich geboren ist und im Schnitt 2,72 Jahre in österreichischen Kindergärten verbracht haben.

Das sind dramatische Werte – und keine gute Note für die heimische Bildungspolitik.

Um dieses Schuljahr nicht auf diesen düsteren Ausblick enden zu lassen, darf ich euch noch das Programmpapier der Inititative „Mehr Grips“ zum Bereich Bildung in die Ferien mitgeben – darin machen Expert:innen unterschiedlichster Hintergründe Vorschläge, was sich in den nächsten zehn Jahren bildungspolitisch in Österreich tun sollte. Ideen, die durchaus Platz im nächsten Regierungsabkommen finden sollten.


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Infos und Quellen

Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.

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