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Sind Aktien wirklich nur für Reiche?

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27 Prozent der Österreicher:innen besitzen laut der Aktienbarometer-Umfrage Wertpapiere.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Die Regierung begräbt eine steuerliche Erleichterung für Anleger:innen. Von der Kapitalertragsteuer-Befreiung hätten Reiche profitiert, aber auch Kleinanleger:innen mit niedrigem Einkommen.


Magnus Brunner hat keine Hoffnung mehr: Der ÖVP-Finanzminister erklärte in seinem Podcast „Finance Friday“ Mitte Juli, dass die steuerliche Entlastung beim Wertpapierverkauf nicht mehr kommt, „wenn kein Wunder passiert“. Der Plan: Die beim Verkauf von Aktien anfallende Kapitalertragsteuer (KESt) in Höhe von 27,5 Prozent sollte entfallen, wenn die Aktien mehr als zehn Jahre behalten werden, oder wenn das Geld für Vorsorge wie etwa für den Pensionsantritt gebraucht wird.

Private Vorsorge statt spekulieren

Mit der Maßnahme wollte die ÖVP die private Vorsorge attraktiver gestalten. Der Finanzminister bezeichnet den Widerstand der Grünen bei dem Vorhaben als „ideologische Blockade“. Die Angst, dass mit der KESt-Befreiung Spekulationsgeschäfte gefördert werden, versteht Brunner nicht: „Es gibt für einen Spekulanten weniger Unattraktiveres als ein Vorsorgekonto mit Behaltefrist.“ Es gehe darum, privates Kapital zu mobilisieren und den Menschen eine Möglichkeit zu geben, sich Vermögen aufzubauen. Die Grünen erklären ihre Haltung damit, dass von den steuerlichen Erleichterungen vor allem Reiche profitieren würden und schon jetzt Kapitalgewinne gegenüber Arbeitseinkommen privilegiert seien und das Ungleichgewicht damit noch verstärkt werden würde. Dieses Ungleichgewicht hat die OECD in einer 2023 veröffentlichten Studie bestätigt: In den OECD-Ländern werden demnach Kapitaleinkünfte niedriger besteuert als Lohneinkommen, wovon vor allem Personen mit hohem Einkommen profitieren.

Magnus Brunner hält dagegen, dass Anleger:innen Menschen in der Mitte seien und nicht Superreiche. Wer in Österreich Aktien besitzt, untersucht das Aktienbarometer: 27 Prozent der Österreicher:innen besitzen Wertpapiere, geht aus der von der Wiener Börse, dem Aktienforum und der Industriellenvereinigung initiierten Umfrage hervor. Von ihnen haben 17 Prozent ein monatliches Nettoeinkommen von bis zu 2.000 Euro, 33 Prozent der Anleger:innen verdienen zwischen 2.000 und 3.000 Euro netto, 49 Prozent verdienen darüber hinaus.

Langfristige Geldanlage

„Klar, dass vermögendere Menschen auch mehr Volumen an Kapital zum Investieren haben“, sagt Karl Fuchs, Geschäftsführer des Aktienforums, über die Bedenken der Grünen zur WZ und ergänzt: „Das Aktienbarometer zeigt, dass 25 Prozent der Befragten 2023 mehr als 5.000 Euro investiert haben.“ Dafür im Umkehrschluss Privatanleger:innen zu bestrafen, die mit kleineren Beträgen vorsorgen wollen, hält der Chef der Interessenvertretung für kontraproduktiv: „Das ständige Schwingen der Reichenkeule hat sich mittlerweile abgenutzt.”

Die durchschnittliche Haltedauer von Aktien wurde bislang im Aktienbarometer nicht abgefragt, laut Fuchs gibt es aber einen Trend zu kürzeren Haltedauern, der auf die Einführung von Broker-Apps zurückzuführen sei: „Dies führte zu einem signifikanten Zufluss an jungen Anleger:innen.“ Fuchs warnt allerdings vor kurzfristigem Aktienhandel und verweist auf das Sprichwort „Hin und her macht die Taschen leer“. „Erfolgreich vorsorgen am Kapitalmarkt kann man nur über einen längeren Zeitraum. Es ist ein Marathon“, so der Aktienforum-Geschäftsführer. Für mehr als 75 Prozent der Österreicher:innen sei der langfristige Vermögensaufbau die Hauptmotivation für das Investieren.

Junge Anleger:innen sind pragmatisch

Das Image der Aktien in Österreich hat sich laut Karl Fuchs in den vergangenen Jahren gewandelt, unter anderem aufgrund der jungen Anleger:innen: „Diese haben einen sehr pragmatischen und ideologiefreien Zugang zum Investieren, zu Aktien und ETFs und natürlich auch zu Kryptowährungen.“

Um die private Vorsorge zu fördern, brauche es eine Kapitalmarktoffensive, so Karl Fuchs. Dazu gehören laut dem Interessenvertreter nicht nur die Behaltefrist, sondern auch die Senkung der Steuer und ein Freibetrag nach deutschem Vorbild – dort sind Kapitalerträge bis zu 1.000 Euro im Jahr steuerfrei. Auch wenn Finanzminister Brunner sein Vorsorgekonto offenbar nicht mehr umsetzen kann, so kam zumindest mit dem Bundesschatz ein Versuch, die Geldanlage zu vereinfachen. Dieses Finanzprodukt unterliegt ebenfalls der KESt. Wer Angst vor komplizierten Steuererklärungen hat, sollte sich aber nicht vom Wertpapierhandel abhalten lassen: Sowohl beim Bundesschatz als auch bei sogenannten „steuereinfachen“ Brokern wird die KESt beim Aktienverkauf automatisch abgezogen.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner

  • Karl Fuchs, Geschäftsführer Aktienforum

Daten und Fakten

  • Wer langfristig Geld anlegen will, um seine Pension aufzubessern und keine KESt zahlen will, kann eine fondsgebundene Lebensversicherung abschließen. Die hat eine recht lange Laufzeit von 15 bis 25 Jahren. Hier fließt monatlich ein Fixbetrag hinein, der jederzeit angepasst werden kann. Unter 50 Euro im Monat lohnt sich das wegen der Gebühren aber nicht. Bei diesem Finanzprodukt müssen lediglich vier Prozent Versicherungssteuer gezahlt werden.

  • Erträge aus dem Verkauf von Wertpapieren werden in Österreich mit einer Kapitalertragsteuer in Höhe von 27,5 Prozent besteuert.

  • 27 Prozent der Österreicher:innen besitzen laut der Aktienbarometer-Umfrage Wertpapiere.

  • Die Hälfte von ihnen hat weniger als 5.000 Euro investiert.

Quellen