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Stadt Wien benennt Park nach Nazi-Profiteurin

5 Min
Historiker Botz: „Ohne ein klares Bekenntnis zum Nationalsozialismus bekommt man diese Massenausstattung nicht in die Hand.“
© Illustration: WZ, Bildquelle: WZ, Pexels

Die Alpinistin Mizzi Langer-Kauba hat mit den Nazis viel Geld verdient. Sie war eine Profiteurin des faschistischen Systems. Nun trägt der Park am Wiener Urban-Loritz-Platz ihren Namen.


Nur zwölf Prozent aller Wiener Verkehrsflächen sind nach Frauen benannt. Zu wenig für eine Stadt, die weltoffen, liberal und gleichberechtigt sein will. Die aktuelle Rathauskoalition will daher den männlichen Überhang ausgleichen – so schnell wie möglich. „Wir werden verdeutlichen, dass den Frauen die Hälfte der Stadt gehört“, steht im Regierungsprogramm, das zum Amtsantritt 2020 präsentiert wurde.

Es ist eine Ansage, die wirkt. In den vergangenen vier Jahren wurden jedes Jahr mehr Verkehrsflächen nach Frauen benannt als nach Männern. Heuer waren es 17 Frauen und 6 Männer.

Doch wo es möglichst schnell gehen soll, können auch schnell Fehler passieren. So wie vor einem Monat, bei der Benennung des Parks am Urban-Loritz-Platz in Wien-Neubau.

Autokolonnen und Wohngebiet

Der Park bildet eine Oase zwischen den Autokolonnen auf dem Gürtel und dicht besiedeltem Wohngebiet: ein paar Bänke unter schattigen Bäumen, ein Fußballkäfig, zwei Tischtennisplatten. Es ist ein Ort, um sich kurz locker zu machen, ein Ort, um sich dem Stress von rundherum zu entziehen.

Was bisher fehlte, war ein Name für den Park.

Die offizielle Eröffnung des Mizzi-Langer-Kauba-Parks in 1070 Wien.
Die grüne Bezirksvertretung rund um Vorsteher Markus Reiter (2.v.l.).
© Fotoquelle: Facebook

Die grün geführte Bezirksvertretung rund um Bezirksvorsteher Markus Reiter entschied sich für Mizzi Langer-Kauba, die als Skifahrerin und Alpinistin erfolgreich war. Ums Eck, in der Kaiserstraße 15, führte sie von 1907 bis zu ihrem Tod 1955 ein erfolgreiches Sportgeschäft. Ihr Name steht noch heute in großen Lettern auf dem Haus, in dem sie auch wohnte. „Mit dem Mizzi-Langer-Kauba-Park ehrt der Bezirk eine Pionierin aus Sport und Wirtschaft“, heißt es in dem von Grünen und ÖVP gestellten Antrag an die Stadt Wien.

Bekleidung der Hitlerjugend

Wie die WZ herausfand, war Mizzi Langer-Kauba jedoch auch eine Profiteurin der Nazis, die Bekleidung der Hitlerjugend (HJ) und des Bund Deutscher Mädchen (BDM) verkaufte.

ine Anzeige vom Sporthaus Mizzi Langer-Kauba in der Zeitung "Neuigkeits-Welt-Blatt".
Kaubas Geschäft wirbt als Verkaufsstelle für Bekleidung die Hitlerjugend (HJ) und dem Bund Deutscher Mädchen (BDM).
© Neuigkeits-Welt-Blatt, Seite 15, 3. Dezember 1939, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek

Bei einer Suche im Anno, dem Zeitschriften-Archiv der Nationalbibliothek, werden wir schnell fündig. Bei der Eingabe des Suchbegriffs „Mizzi Langer Kauba“ erscheinen zahlreiche Ergebnisse mit Anzeigen ihres Sportgeschäfts während der Nazi-Zeit in Österreich (1938-1945).

Vor allem im Neuigkeits-Welt-Blatt, das sich selbst als „erste arische Tages-Zeitung Wiens“ bezeichnete, aber auch im Gebirgsfreund, einer Zeitung des Deutschen Alpenvereins. So wie alle Medien standen sie unter der Kontrolle der Nationalsozialisten und waren im Sinn ihrer Propaganda ausgerichtet.

Eine Anzeige vom Sporthaus Mizzi Langer-Kauba in der Zeitung "Der Gebirgsfreund".
Eine weitere Anzeige ihres Sportgeschäfts während der Nazi-Zeit in Österreich (1938-1945).
© Der Gebirgsfreund, Seite 120, Oktober 1938, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek

Mizzi Langer-Kaubas Geschäft in der Kaiserstraße 15 wird in den Zeitungen mehrfach als „Verkaufsstelle der Reichszeugmeisterei der NSDAP für sämtliche parteiamtlichen Bekleidungs- und Ausrüstungs-Gegenstände sowie Abzeichen“ angeführt. Kaubas Geschäft wirbt als Verkaufsstelle für Bekleidung die Hitlerjugend (HJ) und dem Bund Deutscher Mädchen (BDM) - den beiden Jugendorganisationen der NSDAP.

Sie war sehr gut verankert in der NSDAP.
Gerhard Botz, Historiker und NS-Forscher.

Für den Historiker und NS-Forscher Gerhard Botz ist der Fall eindeutig: „Das deutet darauf hin, dass sie sehr gut verankert war in der NSDAP“, sagt er zur WZ. „Ohne ein klares Bekenntnis zum Nationalsozialismus bekommt man diese Massenausstattung nicht in die Hand.“ Mizzi Langer-Kauba war daher keine Mitläuferin. „Das ist eine hochprofitable Geschichte, sie hat das große Geld gemacht. Sie hat profitiert von den Nazis“, sagt Botz.

Dass sie das große Geld gemacht hat, bestätigt auch die von den Nazis angelegte Gauakte über Mizzi Langer Kauba, die wir im Österreichischen Staatsarchiv eingesehen haben. Ihre wirtschaftliche Lage wird darin als „sehr gut situiert“ beschrieben. Die Akte wurde am 14. April 1944 angelegt, zu einem Zeitpunkt, als der Krieg für das NS-Regime nicht mehr zu gewinnen war und nur mehr die wenigen profitierten, die gute Kontakte zum Regime hatten.

Die Front des Geschäfts "Bergfuchs" in 1070 Wien.
Ihr Name steht noch heute in großen Lettern auf dem Haus in der Kaiserstraße, in dem sie auch wohnte.
© Fotoquelle: WZ | Bernd Vasari

Das verdiente Geld dürfte jedoch nur in bescheidenem Ausmaß an die Nazis zurückgeflossen sein. In dem Gauakt wird Kauba kritisiert, dass sie zwar bei jeder Spendenbeteiligung dabei sei, aber mehr Geld geben könnte. Schließlich habe sie auch für die Kirche „immer eine offene Hand“.

Mitglied in zwei NS-Organisationen

Kauba hat nicht nur wirtschaftlich von den Nazis profitiert, sondern war auch Mitglied in zwei NS-Organisationen, wie der Akt bescheinigt: in der Nationalsozialistischen Frauenschaft (NSF) und in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV).

Laut der NS-Dokustelle München hatte die NSF eine wichtige Funktion bei der Transportierung der NS-Ideologie in die Gesellschaft. Die Nazis sahen die Hauptaufgabe der NSF darin, „dem Führer politisch und weltanschaulich zuverlässige Führerinnen zu erziehen“, wie im Organisationsbuch steht.

Der NSV übernahm laut NS-Dokustelle die Erstversorgung von Ausgebombten und Obdachlosen nach Luftangriffen. Die Loyalität der Bevölkerung gegenüber dem NS-Regime bis Kriegsende ist vor allem darauf zurückzuführen.

Die Mitgliedschaften in beiden Organisationen waren nicht verpflichtend.

Mizzi-Langer-Kauba und Männer beim Skifahren.
Mizzi Langer-Kauba beim Skifahren.
© Fotoquelle: WZ

Wie konnten die NS-Aktivitäten von Langer-Kauba bei der Namensgebung für den Park am Urban-Loritz-Platz übersehen werden?

Laut Bezirksvorstehung Wien-Neubau wurde die Stadt Wien mit einer Überprüfung hinsichtlich NS-Mitgliedschaft und NS-Mittäterschaft beauftragt. Die Überprüfung verlief negativ, der Antrag auf Umbenennung wurde daraufhin einstimmig im Bezirksparlament beschlossen und an die Stadt weitergeleitet.

Ein neuer Name für den Park?

Zuständig für die Überprüfung bei Straßenbenennungen ist die Wienbibliothek im Rathaus.

Gesucht wurde lediglich im Wiener Stadt- und Landesarchiv nach Unterlagen der NS-Registrierung, Volksgericht- und Gauakten, wie Magistratssprecherin Marina Ninic der WZ erklärt. Im Österreichischen Staatsarchiv wurde jedoch nicht nachgefragt.

Auch eine Recherche im Anno, dem Zeitschriften-Archiv der Nationalbibliothek, gab es, jedoch ohne Ergebnis.

Urban-Loritz-Platz
Der Park am Urban-Loritz-Platz in Wien-Neubau.
© WZ | Bernd Vasari

Die Bezirksvorstehung Wien-Neubau kann sich eine Umbenennung vorstellen: „Sollten neue Forschungsergebnisse auftauchen, wird der Bezirk die Stadt ersuchen, für eine Neubeurteilung entsprechende Schritte zu setzen.“

Es wird sich bestimmt eine andere Frau finden, die es verdient, dass man den Park am Urban-Loritz-Platz nach ihr benennt.


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Infos und Quellen

Genese

WZ-Redakteur Bernd Vasari wurde nach der Park-Benennung am Urban-Loritz-Platz auf ein Instagram-Reel des Neubauer Bezirksmuseums über das Leben von Mizzi Langer Kauba aufmerksam – besonders auf die Information: „1938 begann sie zB „NSDAP Reichszeug“ zu verkaufen und die Hitlerjugend auszustatten." Er begann zu recherchieren.

Gesprächspartner:innen

  • Historiker und NS-Experte Gerhard Botz

  • Stadtarchiv

  • Staatsarchiv

  • Kulturabteilung der Stadt Wien - Marina Ninic

  • Wienbibliothek - Valerie Besl

  • Bezirksvertretung Neubau – Bezirksversteher Markus Reiter, Isabelle Uhl, Anna Babka

Daten und Fakten

Quellen

Das Thema in anderen Medien