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Erst nach dem Grazer Amoklauf reagiert die Politik mit schärferen Waffengesetzen. Tragisch, dass es dafür erst eine Katastrophe brauchte.
Ich erinnere mich noch gut an den 10. Juni 2025. Ich saß in der WZ-Redaktion, als eine Push-Meldung nach der anderen auf meinem Handy aufpoppte. „Schüsse an Grazer Schule“, „Polizeieinsatz läuft“. Wenige Stunden später war klar: Ein 21-Jähriger hat neun Schüler:innen und eine Lehrerin getötet. Ein Amoklauf in Österreich – das, was in den USA traurigerweise an der Tagesordnung steht, wurde jetzt auch hier bittere Realität.
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Die Tage danach bestanden aus Schockstarre, Trauer, Kerzenmeeren. Gleichzeitig wurden erste Rufe nach einem strengeren Waffengesetz laut, wenig später kündigte Bundeskanzler Christian Stocker Verschärfungen an.
Schon damals fragte ich mich: Warum erst jetzt? Muss erst das absolut Unaussprechliche und Undenkbare passieren – das, was man keiner Familie und keiner Lehrkraft wünscht –, damit es Konsequenzen gibt?
Aber gut, die österreichische Politik hinkt bei so manchem hinterher. Seit letzter Woche ist es nun beschlossene Sache: das Mindestalter für den Waffenkauf wird heraufgesetzt, die psychologischen Tests verbessert und die „Abkühlphase“ zwischen Erwerb und Aushändigung von drei Tagen auf vier Wochen verlängert. Ein längst überfälliger Schritt.
Ideologie wichtiger als Sicherheit?
Das Parlament stimmte mit großer Mehrheit dafür, die Parteien sind sich in dieser Angelegenheit einig – bis auf eine: die FPÖ wetterte heftig gegen die Novelle.
Bei der Debatte im Plenum sprach FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker von einem „Ungetüm an Gesetzesvorlage“ und warf der Regierung vor, den Amoklauf als Anlass zu missbrauchen, um legalen Waffenbesitz zu erschweren.
Und ich frage mich auch hier: Wie kann man sich gegen strengere Regeln stellen, wenn in letzter Zeit so deutlich gezeigt wurde, wie oft Schusswaffen bei Morden und Attentaten eingesetzt werden? Es bedarf nur eines Blickes auf die USA, wo vor Kurzem der ultrarechte Aktivist Charlie Kirk durch ein Gewehr getötet wurde.
Und in Österreich hat Mitte September ein Mann seine Ex-Partnerin und Tochter erschossen – laut Polizei der elfte Femizid des Jahres. Zwar liegt die Waffenkriminalität hierzulande im europäischen Vergleich relativ niedrig – 2024 gab es 352 Gewalttaten mit Schusswaffen, in Deutschland waren es über 9.400. Doch das private Waffenlager wächst stetig: Über 1,5 Millionen Pistolen und Gewehre sind mittlerweile laut österreichischem Innenministerium registriert.
Schützen heißt auch: früher ansetzen
Natürlich sind in erster Linie die Absichten der Täter:innen das Problem. Nicht die Waffe führt zur Tat, sondern die sozialen Umstände, die dahinterliegen. Wer töten will, der findet (illegale) Wege. Man muss also viel früher ansetzen, um Tragödien wie in Graz zu verhindern.
Dennoch ist erschreckend, wie sehr der Grazer Amoklauf Mustern ähnelt, die man aus den USA kennt: Ein junger Mann, legal bewaffnet, auffällige Online-Spuren – und niemand greift rechtzeitig ein.
Gerade deshalb ist das strengere Waffengesetz ein wichtiger erster Schritt. Aber es darf nicht der letzte bleiben.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
- Laut Angaben des Innenministeriums verfügten mit Stand Juni 374.141 Personen in Österreich über legale Schusswaffen. Im Zentralen Waffenregister (ZWR) waren insgesamt 1.518.873 Waffen verzeichnet. Bereits im Jahr 2018 überschritt Österreich die Marke von einer Million registrierten Schusswaffen – damals bei rund 300.000 Besitzer:innen. In den vergangenen sieben Jahren ist die Zahl der Waffenbesitzer:innen somit deutlich angestiegen (Quelle: der Standard).
- In Österreich werden Schusswaffen in drei Kategorien eingeteilt: Kategorie A umfasst verbotene Waffen und Kriegsmaterial, darunter etwa Pumpguns, sehr kurze Flinten, getarnte Waffen oder Schusswaffen mit großen Magazinen. Kategorie B beinhaltet Faustfeuerwaffen wie Pistolen und Revolver sowie Repetierflinten und halbautomatische Schusswaffen, sofern sie nicht in Kategorie A fallen. Kategorie C umfasst Langwaffen mit glattem oder gezogenem Lauf, die nach jedem Schuss manuell nachgeladen werden müssen
–ausgenommen Pumpguns (KategorieA) und Repetierflinten (Kategorie B). - 2020 führte eine Novelle des Waffengesetzes zur Zusammenlegung der Kategorien C und D und damit zu einem Anstieg der Kategorie-A-Waffen. Außerdem wurden durch das Verbot „großer Magazine“ betroffene Waffen automatisch als verbotene Kategorie-A-Waffen eingestuft – was weiters zu einem Anstieg führte.
Quellen
- Deutsches Bundeskriminalamt: Das Bundeslagebild Waffenkriminalität 2024
- ORF: Nationalrat segnet schärferes Waffengesetz ab
- oesterreich.gv.at: Kategorien von Schusswaffen
- Der Standard: FPÖ schießt gegen Waffengesetz, Regierung wähnt Blaue „
"auf Seite der Waffenlobby“ - Statista: Anzahl der angezeigten Gewalttaten mit Schusswaffen in Österreich von 2014 bis 2024
Das Thema in der WZ
- Amoklauf in Graz: Presserat fordert Opferschutz
- Graz nach dem Amoklauf: „Wir Schüler wollen nur unsere Ruhe“
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- Nach Graz: Österreich, das Land der Waffen
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