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Transfrauen im Sport: Inklusion auf Kosten der Fairness?

4 Min
Trump will „Männer aus Mädchenmannschaften rauswerfen“. Aber haben Transfrauen wirklich einen Vorteil im Wettkampf?
© Illustration: WZ

Donald Trump verbannt Transfrauen aus dem Sport – ein Thema, das stark polarisiert. Aber haben Transathletinnen wirklich einen unfairen Vorteil im Wettkampf? Wissenschaft, Sportverbände und Betroffene liefern unterschiedliche Antworten.


„Ab jetzt werden Schulen Männer aus Mädchenmannschaften rauswerfen, oder sie werden alle Bundesmittel verlieren“, verkündet Donald Trump stolz bei seiner Rede vor dem US-Kongress Anfang März. Es folgt minutenlanger Applaus, republikanische Abgeordnete erheben sich begeistert von ihren Stühlen.

Trump meint Transfrauen im Sport, also Sportlerinnen, die bei der Geburt als männlich eingeordnet wurden, aber als Frauen leben. Eines der ersten Dekrete, die der wiedergewählte US-Präsident unterzeichnet, verbietet Transfrauen die Teilnahme an Hochschulwettkämpfen – obwohl es laut der nationalen Hochschulsportvereinigung NCAA um weniger als zehn Transathlet:innen geht.

Transfrauen im Sport werden in den letzten Jahren immer sichtbarer, und mit ihnen viele Kontroversen entfacht. 2022 gewinnt die Schwimmerin Lia Thomas als erste offen transidente Athletin einen NCAA-Titel. Ihr Erfolg führt zu mehreren Klagen von Mitbewerberinnen. Sie sehen ihre Rechte auf Chancengleichheit im Sport verletzt.

Doch wie groß sind die biologischen Vorteile von Transfrauen im Leistungssport tatsächlich? Und schließen sich Inklusion und fairer Wettbewerb zwangsläufig aus?

Die Körperfrage

Die Wissenschaft ist sich in der Frage der physischen Überlegenheit von Transsportlerinnen weiterhin uneinig. Eine US-Studie zeigt, dass nicht-athletische Transfrauen auch nach der Hormontherapie noch mehr Muskelkraft und fettfreie Körpermasse haben als Cis-Frauen. Die Untersuchung der Schwimmleistungen einer Transfrau ergab, dass ihre Ergebnisse in der Frauenkategorie trotz zweijähriger Hormontherapie weiterhin außergewöhnlich waren. Das deutet auf anhaltende körperliche Vorteile durch die männliche Pubertät hin.

Andererseits zeigt eine vom Internationalen Olympischen Komitee finanzierte Studie, dass Transsportlerinnen in den Bereichen Sprungkraft, Lungentätigkeit und Herz-Kreislauf-Ausdauer Nachteile gegenüber Cis-Frauen aufweisen.

Laut Sportsoziologin Petra Tzschoppe gibt es keine eindeutige wissenschaftliche Grundlage für vorsorgliche Teilnahmebeschränkungen oder Totalausschlüsse von Transfrauen: „Die Zahl der untersuchten aktiven Transathletinnen ist sehr gering. Außerdem hängt der Erfolg in den verschiedenen Sportarten von sehr unterschiedlichen Leistungsparametern ab.“ Als Beispiel nennt sie die Körpergröße: „Athletinnen, die durch ihre Körpergröße unverkennbare Vorteile haben, werden auch nicht sanktioniert.“ Motorische Fähigkeiten, psychische Voraussetzungen und das soziale Umfeld hätten ebenfalls einen Einfluss.

Es wird keine nicht-diskriminierende und faire Lösung geben.
Jürgen Scharhag, ärztlicher Leiter des Österreichischen Instituts für Sportmedizin (ÖISM)

„Das Thema ist medizinisch und biologisch hochkomplex“, sagt auch Sportmediziner Jürgen Scharhag, ärztlicher Leiter des Österreichischen Instituts für Sportmedizin (ÖISM), gegenüber der WZ. „Aus meiner Sicht wird es bei dieser Problematik niemals eine gleichzeitig nicht-diskriminierende und faire Lösung geben.“

Maud Böhm ist Transsportlerin, Aktivistin und im Vorstand beim queeren Verein Aufschlag Wien. Sie hat eine klare Meinung: „Im Hobbysport sollte Inklusion an erster Stelle stehen. Wir Transfrauen machen nicht mit, um vermeintliche körperliche Vorteile auszunutzen oder Cis-Frauen den Platz wegzunehmen.“

Sportverbände im Zwiespalt

Weltweit haben Sportorganisationen unterschiedliche Vorgaben und Richtlinien für Transsportlerinnen eingeführt. Sportverbände wie World Athletics oder World Aquatics, die die Regeln für Elite-Wettbewerbe wie die Olympischen Spiele festlegen, erlauben Transathletinnen die Teilnahme an Frauenwettbewerben, wenn sie vor dem Eintritt in die Pubertät mit der Geschlechtsanpassung begonnen haben. In vielen Ländern sind geschlechtsangleichende Maßnahmen für Minderjährige aber rechtlich eingeschränkt oder verboten.

Die beiden Sportverbände verlangen auch, dass Transfrauen ihren Testosteronspiegel unter einem bestimmten Niveau halten. Testosteron-Grenzwerte als universellen Maßstab lehnt das Internationale Olympische Komitee (IOC) jedoch ab, da diese je nach Sportart unterschiedlich relevant seien. Mit der 2021 überarbeiteten Richtlinie verlangt das IOC für die Teilnahme von Transathlet:innen auch keine Genitaloperationen mehr.

Die Einführung einer dritten Geschlechtskategorie lehnt das IOC ebenfalls ab, da viele Transathlet:innen sich klar einer der beiden bestehenden Kategorien zuordnen würden. Tatsächlich scheitern beim Schwimm-Weltcup 2023 Pläne von World Aquatics, eine offene Kategorie einzuführen – es gehen keine Anmeldungen ein.

Im Visier der Politik

Hinsichtlich der Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles droht Trump dem IOC, Transathletinnen keine Einreisegenehmigung zu erteilen.

Für Transaktivistin Böhm ist die Verbannung von Transfrauen aus dem Sport nur einer von vielen gezielten Angriffen gegen Transpersonen in den USA: „Es geht hier weder um Sport, noch um die Sicherheit von Cis-Mädchen und -Frauen, es geht um die schrittweise Beseitigung von Transpersonen aus der amerikanischen Gesellschaft.“

Sportsoziologin Tzschoppe fordert insgesamt einen „entspannteren Umgang“ mit Transsportlerinnen: „Der Anteil von Transpersonen in der Gesamtbevölkerung wird mit unter einem Prozent angegeben. Die sehr kleine Zahl von Transathletinnen wird das Sportsystem wohl nicht aus den Angeln heben.“


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Infos und Quellen

Genese

Donald Trump hat bei seiner Rede vor dem US-Kongress Anfang März stolz erzählt, dass er mit einem seiner ersten Dekrete Transfrauen aus dem Hochschulsport ausgeschlossen hat. Weltweit gab es die letzten Jahre hitzige Debatten um Transfrauen im Sport. Die Autorin wollte für diesen Artikel herausfinden, ob beziehungsweise, wie sehr Transsportlerinnen tatsächlich einen unfairen Vorteil gegenüber Cis-Sportlerinnen haben.

Gesprächspartner:innen

  • Petra Tzschoppe, Sportsoziologin an der Universität Leipzig

  • Jürgen Scharhag, Sportmediziner und Ärztlicher Leiter des Österreichischen Instituts für Sportmedizin (ÖISM)

  • Maud Böhm, Hobbysportlerin und Transaktivistin, Vorstandsmitglied bei Aufschlag Wien, Österreichs größtem LGBTIQ+-Sportverein

Daten und Fakten

  • Was ist die Definition von Transgender? Was ist eine Transfrau?
    Mit Transpersonen (auch Transgender) meint man Menschen, bei denen das bei der Geburt zugeschriebene Geschlecht sich nicht mit ihrer entwickelten Geschlechtsidentität deckt. Eine Transfrau ist also eine Person, die bei der Geburt als männlich zugewiesen wurde, sich jedoch als Frau identifiziert.

  • Was ist der Unterschied zu nicht-binär?
    Eine nicht-binäre Person identifiziert sich nicht ausschließlich als männlich oder weiblich. Sie kann eine Geschlechtsidentität haben, die irgendwo zwischen den beiden Geschlechtern liegt, oder eine außerhalb der traditionellen binären Kategorien von Mann und Frau.

  • Und was ist der Unterschied zu intersexuell?
    Der Begriff intersexuell bezieht sich auf Menschen, deren biologische Merkmale nicht eindeutig den traditionellen Kategorien von „männlich“ oder „weiblich“ zugeordnet werden können. Intersexuelle Menschen können bei der Geburt mit körperlichen Merkmalen geboren werden, die Merkmale beider Geschlechter aufweisen oder von den klassischen Definitionen von männlich und weiblich abweichen. Intersex ist eine biologische Kategorie, während transgender und nicht-binär sich auf die Geschlechtsidentität beziehen.

  • Was ist eine Cis-Person?
    Eine Cis-Person ist jemand, dessen Geschlechtsidentität mit dem Geschlecht übereinstimmt, das ihm bei der Geburt zugewiesen wurde.

  • Was ist eine Transition? Wie sieht sie bei Transfrauen aus?
    Die Transition bei Transfrauen ist der Prozess, in dem sich eine Person, die bei der Geburt als männlich zugewiesen wurde, ihrer Geschlechtsidentität anpasst. Dieser umfasst oft eine soziale Transition (Ändern von Namen, Pronomen und Aussehen), eine hormonelle Therapie (Östrogen und Antiandrogene) und manchmal chirurgische Eingriffe wie Brustvergrößerung oder geschlechtsangleichende Operationen. Der Prozess ist individuell und nicht alle Transfrauen durchlaufen alle Schritte.

  • Wie viele Transpersonen gibt es weltweit, in den USA und in Österreich?
    Eine globale Umfrage aus dem Jahr 2023 ergab, dass 3 Prozent der Befragten aus 30 Ländern sich als transgender, nicht-binär, nicht-konform oder genderfluid identifizieren.
    In den Vereinigten Staaten schätzt das Williams Institute, dass über 1,6 Millionen Jugendliche und Erwachsene sich als transgender identifizieren. Dies schließt etwa 300.000 Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren ein.
    Laut der Österreichischen Sozialversicherung gab es im Jahr 2019 etwa 400 bis 500 Transpersonen in Österreich. Die Zahl jener, die einen operativen Eingriff durchführen haben lassen, liegt bei 6,8 von 100.000 Personen.

  • Wer ist Erik Schinegger?
    Erik Schinegger ist ein ehemaliger österreichischer Skirennläufer. Wegen nach innen gewachsener Geschlechtsmerkmale wurde er bei seiner Geburt fälschlicherweise als Frau eingestuft. Erika Schinegger wurde Weltmeisterin im Abfahrtslauf 1966. Mit 19 Jahren, nach einem medizinischen Test vor den Olympischen Winterspielen 1968, stellte sich heraus, dass Schinegger genetisch männlich war. Er entschied sich für eine Geschlechtsangleichung und wurde zu Erik.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien