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Warum du die beste KI noch nicht bei uns nutzen kannst

4 Min
Im August 2024 trat der sogenannte AI Act in Kraft, das große Regelwerk für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz innerhalb der EU.
© Illustration: WZ

Bremst die EU die Innovation im Bereich der Künstlichen Intelligenz? Unternehmen in den USA sind bei der Einführung ihrer Tools ebenfalls noch vorsichtig, seit Februar sind einige Anwendungen sogar verboten.


Der Videogenerator Sora, der Webassistent Operator und die KI-Plattform Apple Intelligence haben eines gemeinsam: Die neuesten KI-Tools aus den USA sind in Europa noch nicht verfügbar. Die Unternehmen argumentieren, dass die EU-Richtlinien einen Markteintritt noch nicht zulassen. Doch warum ist das so?

Welche KI verboten wird

Nach jahrelangen Verhandlungen trat im August 2024 der sogenannte AI Act in Kraft, das große Regelwerk für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz innerhalb der EU. Das Gesetz soll den Werten der EU entsprechend den Betrieb und Handel mit KI-Tools sicherstellen und die Grundrechte und Sicherheit von Menschen und Unternehmen gewährleisten. So sollen Betreiber:innen etwa verantwortungsvoll mit Nutzer:innendaten umgehen und Diskriminierung verhindern. Die EU stuft die Anwendungen nach ihrem Risiko ein: KI mit hohem Risiko, etwa bei kritischer Infrastruktur und Gesundheitsversorgung, unterliegt den höchsten Anforderungen. KI mit dem niedrigsten Risiko, zum Beispiel in Videospielen, unterliegt den geringsten Anforderungen. Bevor eine KI-Anwendung mit hohem Risiko in der EU auf den Markt gebracht werden darf, muss sie ein Prüfverfahren durchlaufen.

Doch so weit ist es noch nicht, denn die Maßnahmen des AI Act werden schrittweise umgesetzt. Die erste große Änderung trat am 2. Februar in Kraft: Ab diesem Tag sind Anwendungen mit „inakzeptablem Risiko“ verboten. Darunter versteht die EU Systeme, die die Sicherheit, die Rechte und den Lebensunterhalt von Menschen gefährden können. Ein Beispiel dafür ist das Social Scoring, bei dem Menschen aufgrund ihres Verhaltens oder ihrer Reputation bewertet werden, etwa auf Basis von Daten aus sozialen Netzwerken oder Bewertungsplattformen. Die chinesische Regierung nutzt ein solches Social-Scoring-System. Seit Februar ist zudem KI-Kompetenz verpflichtend. Anbieter:innen und Betreiber:innen von KI-Systemen müssen sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter:innen dafür ausreichend geschult wurden.

Tech-Konzerne zögern in der EU

Ab August 2025 gelten strengere Regeln für allgemeine KI-Anwendungen, darunter fallen Text- und Bildgeneratoren. Die Betreiber:innen müssen unter anderem technische Dokumentation, Robustheit und Risikomanagement erfüllen. Ab August 2026 müssen die Anforderungen auch für Hochrisikosysteme umgesetzt werden, für sie gelten die strengsten Vorgaben. Unternehmen, die gegen das KI-Gesetz der EU verstoßen, müssen mit Strafen von mindestens sieben Millionen Euro oder 1,5 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes rechnen, die Obergrenze liegt bei 35 Millionen Euro oder sieben Prozent des Umsatzes.

Die Mitgliedstaaten sind gerade damit beschäftigt, die notwendigen Behörden dafür einzurichten. In Österreich ist die KI-Servicestelle der Rundfunk- und Telekom-Regulierung (RTR) die zentrale Anlaufstelle für die Umsetzung des KI-Regelwerks. Und auch wenn das Gesetz schon im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist, gibt es noch Unklarheiten auf Seiten der Anbieter:innen. Sora, der Videogenerator des ChatGPT-Entwicklers OpenAI, ist aufgrund der regionalen Beschränkungen noch nicht in der EU verfügbar. „Wir werden unser Bestes geben, um dort launchen zu können”, sagte Firmenchef Sam Altman im Dezember. Ende Jänner ging OpenAIs neuer KI-Agent Operator an den Start. Dieses Tool kann das Web selbst bedienen und so Aufgaben eigenständig erledigen. Aber auch der Operator ist noch nicht in der EU verfügbar, wahrscheinlich aus dem gleichen Grund.

Mehr Vertrauen, weniger Innovation

Apples KI Intelligence wiederum verzögert sich aufgrund einer anderen EU-Regulierung, dem Digital Markets Act, der die großen Internetplattformen zu mehr Schutz und Wettbewerb für Nutzer:innen verpflichtet. Die Markteinführung ist für April 2025 geplant. Meta hatte bereits im vergangenen Jahr die Veröffentlichung fortgeschrittener KI-Modelle in Europa gebremst. CEO Mark Zuckerberg warnte, wie berichtet, gemeinsam mit Spotify-Chef Daniel Ek davor, dass die EU bei der Entwicklung von KI den Anschluss verlieren könnte.

Diese Bedenken haben sich mit dem Start des chinesischen Chatbots DeepSeek noch verstärkt. Ein schneller Markteintritt wie bei der ChatGPT-Kopie ist für europäische Tools mit dem AI Act kaum möglich, da sie strengeren Richtlinien unterliegen. Für uns Nutzer:innen bringt das mehr Datenschutz und erlaubt mehr Vertrauen in die Tools am Markt, dafür müssen wir aber auch länger auf neue Anwendungen warten − wenn sie bei uns überhaupt veröffentlicht werden.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • Das KI-Gesetz der EU ist im August 2024 in Kraft getreten, die Maßnahmen werden schrittweise umgesetzt.

  • Ab Februar sind KI-Anwendungen mit inakzeptablen Risiken, etwa Diskriminierung, verboten.

  • Meta will deshalb fortgeschrittene KI-Modelle gar nicht in der EU einsetzen, OpenAI und Apple verschieben den Start ihrer Tools.

Quellen