Als Reaktion auf den Zollstreit wenden sich chinesische Produzenten über Social Media direkt an Kund:innen in den USA. Dadurch machen einige Marken und Shops große Gewinne.
Ob Haartrockner oder Modeschmuck: Wer schon einmal in das „Rabbit Hole“ abgetaucht ist und nach bestimmten Geräten oder anderen Waren gesucht hat, ist wahrscheinlich bei der chinesischen Plattform AliExpress gelandet. Viele der Produkte, die bei Amazon oder anderen Online-Händlern gelistet sind, werden über die chinesische Shopping-Plattform im Großhandel eingekauft. Da viele der Produktionsstätten in China angesiedelt sind, machen diese angesichts des Handelskonflikts mit den USA auf sich aufmerksam.
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Hinter den Kulissen chinesischer Firmen
Ausgerechnet auf TikTok – der Eigentümer der App ist der chinesische Tech-Konzern Bytedance – teilen Influencer:innen und Produzent:innen seit Wochen unter Hashtags wie #madeinchina oder #chinesefactory Einblicke in das Geschäft mit den sogenannten „Original Equipment Manufacturer“ (OEM). Dabei handelt es sich um Unternehmen, die Waren oder Teile für andere Marken herstellen. Der bekannteste OEM in Asien ist Foxconn, der für Apple iPhones baut. Weniger bekannt ist, dass viele Luxusmarken ebenfalls in China und nicht in Europa oder den USA produzieren. Zumindest behaupten dies entsprechende Nutzer:innen auf TikTok.
So hat die Influencerin mit dem Profilnamen „LunaSourcingChina“ mehr als 1,2 Millionen Follower:innen. In ihren Videos erklärt sie, wie Sourcing – also die Warenbeschaffung – funktioniert.
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In einem Video behauptet ein Produzent, dass Marken wie Louis Vuitton oder Hermès ihre Taschen in China produzieren lassen, dann die letzten Arbeitsschritte in Europa durchführen und die Taschen mit den Labels „Made in Italy“ oder „Made in France“ versehen.Hermès dementierte diese Behauptung in einem Statement gegenüber der New York Times und veranlasste die Entfernung des Videos.
Auch andere Unternehmen wehren sich gegen die in den sozialen Medien geteilten Informationen.
Chinesische Shopping-App boomt
Das Interesse der Konsument:innen war jedoch bereits geweckt. Im April erreichte die zuvor weitgehend unbekannte chinesische Shopping-App DHGate die Spitze der US-App-Charts. Mitte Mai befand sich die App noch unter den Top 30 der meist heruntergeladenen iOS-Apps. DHGate funktioniert ähnlich wie die Online-Shops von Temu und Shein und hat sich auf Dupes, also billige Kopien, spezialisiert. Da DHGate die Waren nicht mit falschen Logos versieht, handelt es sich dabei allerdings nicht um Fälschungen.
Dass die chinesischen Hersteller ausgerechnet jetzt auf sich aufmerksam machen, liegt am Zollstreit. Im April führten die USA Importzölle in Höhe von 145 Prozent auf Waren aus China ein, woraufhin die chinesische Regierung wiederum mit 135 Prozent auf Einfuhren aus den USA reagierte. Wie beim iPhone wird nun auch für Verbraucher:innen spürbar, woher die Waren eigentlich kommen. Vergangene Woche einigten sich die beiden Nationen zwar auf eine Senkung der Zölle, jedoch vorerst nur für 90 Tage. Der Handelskrieg zwischen den beiden Wirtschaftsmächten ist also noch nicht zu Ende.
Mehr Bewusstsein bei Konsument:innen
Dass die Videos aus den chinesischen Fabriken viral gegangen sind, zeigt mehrere Trends auf. Einerseits scheinen sich Konsument:innen immer mehr dafür zu interessieren, wo Waren tatsächlich hergestellt werden. Dies ist in vielen Fällen bislang nicht transparent nachvollziehbar. Das Lieferkettengesetz der EU soll dies ändern. Andererseits wird die Preispolitik der Luxusmarken hinterfragt. Und nicht zuletzt zeigt sich, dass viele Menschen lieber billig als regional einkaufen, wie der Erfolg von Temu, Shein und anderen E-Commerce-Plattformen belegt. Denn durch die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump steigt auch die Angst vor einer Inflation. Der Nebeneffekt des Zollstreits ist, dass Konsument:innen zumindest darüber nachdenken, woher Produkte wirklich kommen.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
- Die USA und China haben ihre gegenseitigen Importzölle zumindest vorübergehend wieder gesenkt, gelöst ist der Handelskonflikt jedoch nicht.
- Chinas Wirtschaft wuchs im ersten Quartal um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Die neuen Importzölle könnten diese positive Entwicklung jedoch bremsen.
Quellen
- New York Times: Chinese Manufacturers Make Appeals to Americans: Buy Direct
- Yahoo Finance: What is DHgate?
- MIT Technology Review: Why Chinese manufacturers are going viral on TikTok
- BBC: Relief on China's factory floors as US tariffs put on hold