Wirklich gekippt ist das System in Österreich noch nicht, die reinen Elektroautos machten zu Jahreswechsel nur rund drei Prozent des Bestands aus. Können wir das mit Emissionszielen noch schaffen?
Die EU-Kommission hat – sicher nur zufällig erst zwei Tage nach der Parlamentswahl – entschieden, Elektroautos teurer zu machen. Zumindest jene chinesischer Marken, die von außerhalb in die Union eingeführt werden. Für Autos der Marke BYD gilt ab 4. Juli ein Importzoll von 17,4 statt bisher zehn Prozent, für Geely 20 Prozent und für SAIC 38,1 Prozent.
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Diese „Ausgleichszölle“ kommen nicht weißgottwie überraschend. Nachdem die genannten Konzerne bei einer Untersuchung der EU-Kommission nicht kooperiert hatten, und China wettbewerbsverzerrende Förderungen einsetzt, um seine E-Auto-Exporte zu pushen und nachdem die USA ihre Einfuhrzölle empfindlich hinaufgesetzt hatten, war allgemein mit der Erhöhung gerechnet worden.
Politisch ist die Entscheidung, die einer Steigerung der Importe halbwegs erschwinglicher Elektroautos zuvorkommt, auf vielen Ebenen brisant – vom Handelskonflikt zwischen China und dem Westen, der damit befeuert wird, über die Frage, ob eine solche künstliche Verteuerung in Zeiten der Inflation besonders schlau ist, bis zu der klimapolitischen Weichenstellung, wie schnell der Personenverkehr auf emissionsfreie Fahrzeuge umgestellt wird.
Gerade in und für Österreich ist letztgenanntes Thema entscheidend: Der Verkehr ist immer noch unser größtes Sorgenkind bei der Emissionsreduktion. Wie das Umweltbundesamt in seinen jährlichen Emissionsberichten aufzeigt, ist es der einzige große Treibhausgas-Sektor, in dem wir noch keine Reduktion zusammengebracht haben:
Praktisch wird an der Ausweitung des Anteils von Elektroautos kein Weg vorbeiführen, wenn die Republik auf ihren mit der EU vereinbarten Emissions-Zielpfad kommen will. Alternative CO2-neutrale Antriebstechnologien wie Wasserstoffmotoren oder E-Fuels stecken entweder noch in den Kinderschuhen, haben nicht einmal im Ansatz einen ähnlich hohen Wirkungsgrad wie der E-Motor und/oder sind schlicht noch Jahre von der industriellen Kapazität entfernt, die die Umstellung brauchen würde – der „Standard“ .
Wo stehen wir derzeit bei dieser Umstellung? Erfreulicherweise gibt es bei Kraftfahrzeugen dank der staatlichen Zulassungsverpflichtung umfangreiches Datenmaterial, was auf unseren Straßen derzeit so fährt und welche Fahrzeuge neu zugelassen werden. Fangen wir mit dem Bestand jeweils zu Jahresende an:
(Ich habe jetzt andere Antriebe wie die – Stand 2023 – 67 zugelassenen Wasserstoffautos oder das eine mit Flüssiggas betriebene Mobil wegen vernachlässigbarer Zahlen weggelassen; bei Interessen finden Sie hier die ganze Statistik.)
Wir sehen: Der Trend geht zwar in Richtung mehr E-Autos und mehr Hybride – mit beachtlichen Steigerungsraten -, aber wirklich gekippt ist das System in Österreich noch nicht, die reinen Elektroautos machten zu Jahreswechsel rund drei Prozent des Bestands aus. Hier seht Ihr die Neuzulassungen an E-Autos in den vergangenen Jahren in der Darstellung des Branchenverbandes Elektromobilität:
2023 war ein Rekordjahr für den Umstieg – 19,9 Prozent aller neu zugelassenen Pkws, also jedes fünfte in Österreich, waren Elektroautos.
2024 geht es allerdings schon etwas zurück: Von Jänner bis Mai dieses Jahres lag der Anteil neuer E-Autos an den neu zugelassenen Pkw nur noch bei 16,7 Prozent, ein leichtes Minus gegenüber den Vorjahren.
Das heißt nicht, dass der Verbrennerbestand steigt – noch immer sind die meisten „Umsteiger“ auf E-Autos Menschen, die vorher Verbrenner gefahren sind, und wenn ein Sechstel aller Neuwagen Elektrofahrzeuge sind, ersetzt das immer noch einen Teil des „Verbrennerkuchens“ – aber der Zuwachs verlangsamt sich. Das kann unter anderem an den noch immer hohen Anschaffungspreisen von Elektroautos liegen – und gerade hier hätten die billigeren Autos aus China eventuell eine Linderung bewirkt.
Wie sich das jetzt mit den neuen Zöllen entwickelt, wird spannend – und ein Schlüsselfaktor bei der Frage, ob wir das mit unseren Emissionszielen noch schaffen.
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
Die Presse: EU-Kommission beschließt Strafzölle für E-Autos aus China
Politico: US tariff smackdown on Chinese EVs leaves EU playing catch-up
Umweltbundesamt: Klimaschutzbericht 2023
Statistik Austria: Kfz-Bestand
Statistik Austria: 3,9 % weniger Pkw-Neuzulassungen im Mai 2024