Wirtschaftskrise, Inflation und weniger Produktivität: Österreich ist immer noch ein reiches Land, ist aber am absteigenden Ast.
Der Wirtschaftsabschwung hält länger an als noch zu Jahresbeginn angenommen. Seit einigen Wochen ist klar, dass die Rezession bis zum Jahresende anhalten wird. Und das zwingt nicht nur den Staat zu sparen, auch die Bürger:innen haben ihr Verhalten geändert. Der gebremste Privatkonsum ist ein Grund, warum die Wirtschaft nicht wächst. Parallel dazu nimmt der Wohlstand ab, warnen Expert:innen.
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Wohlstand seit der Pandemie rückläufig
So sagte etwa Thomas Tobias, Generaldirektor der Statistik Austria, im Rahmen einer Veranstaltung Mitte Oktober: „Es ist schon eine besondere Situation mit der längsten Rezession in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg.” Österreich habe spürbar an Wohlstand verloren. Der Statistiker verdeutlicht diesen Trend mit einer Kennzahl: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf betrug im zweiten Quartal nur 97,9 Prozent von jenem im Vergleichszeitraum 2019. Vor dem Wohlstandsverlust warnt auch Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO): Laut seinem Monatsbericht entwickelt sich der inflationsbereinigte Realwert des BIP pro Kopf in Österreich seit 2011 schwächer als im EU-Durchschnitt.
Die anhaltende Rezession ist also nur zum Teil dafür verantwortlich. Die Inflationsraten sind dem Bericht zufolge seit 15 Jahren höher als im Euroraum, und es gibt noch weitere Faktoren: Die Bevölkerung altert, die Bevölkerung wächst aufgrund der Zuwanderung, aber die Produktivität wächst nicht im notwendigen Maß. Dass sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit seit 2010 ebenfalls verschlechtert hat, ist für das WIFO eine weitere Gefahr für den heimischen Wohlstand.
Vermögen ungerecht verteilt
Wie dieser Wohlstandsverlust in der Praxis aussieht, beleuchtet die Arbeiterkammer in ihrem neuen Wohlstandsbericht 2024. Dieser misst im Gegensatz zur ökonomischen Betrachtung den Wohlstand anhand von fünf Teilbereichen: gerecht verteilter materieller Wohlstand, Vollbeschäftigung und gute Arbeit, hohe Lebensqualität, intakte Umwelt und gesamtstaatliche Stabilität. Nur bei der Umwelt sieht die AK anhand ihrer Indikatoren eine leichte Verbesserung, alle anderen Bereiche entwickeln sich laut der Studie negativ. Am meisten betroffen ist der materielle Wohlstand.
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In der Detailbetrachtung schneidet Österreich bei der Ungleichverteilung von Vermögen durch eine starke Konzentration des Vermögens bei Superreichen schlecht ab. Die Lebensqualität wird durch die Teuerungskrise massiv beeinträchtigt, heißt es in dem Bericht weiter, und damit steigt auch die Armutsgefährdung.
Wie können wir unser Wohlstandsniveau noch retten? Sowohl die Arbeiterkammer als auch das WIFO liefern Empfehlungen für die nächste Regierung. Die AK fordert Vermögens- und Erbschaftssteuern und will den Arbeitsmarkt durch Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich attraktiver gestalten. Auch der soziale Wohnbau müsse vorangetrieben werden.
Bildung und bessere Integration
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sieht in den Bereichen Bildung, Produktivität und Erwerbsbeteiligung Handlungsbedarf. Am Arbeitsmarkt sieht er vor allem für Frauen, Migrant:innen und Ältere Potenzial, die Erwerbsbeteiligung zu steigern. Damit deutet er eine Anhebung des Pensionsalters an, was auch schon der Fiskalrat empfohlen hat. Zudem soll die Integration von Migrant:innen am Arbeitsmarkt verbessert werden.
Wir verlieren Wohlstand, weil mehrere wirtschaftliche und gesellschaftliche Faktoren zusammenwirken: Eine anhaltende Rezession, überdurchschnittlich hohe Inflation, schwaches Produktivitätswachstum und eine alternde Bevölkerung belasten Österreichs wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Und damit reiht sich eine weitere Herausforderung auf die To-Do-Liste der nächsten Regierung.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
Österreich ist laut dem Economist Ranking auf Platz 8 der reichsten Länder der Welt.
Die hohe Inflation und der demografische Wandel sorgen seit Jahren für einen Wohlstandsverlust.
Der Realwert des BIP pro Kopf, eine Kennzahl für Wohlstand, wird laut dem WIFO erst 2029 das Niveau von 2019 überschreiten.
Quellen
WIFO Monatsbericht 9/2024 Konjunktur und Wachstum in Österreich: Ein Rendezvous mit der Realität
APA: Statistik-Chef: Österreich hat spürbar an Wohlstand verloren
Economist: The world’s richest countries 2024
Arbeiterkammer: Wohlstandsbericht 2024