Eine ferne Galaxie am Nachthimmel könnte uns neue Hinweise geben, wie unsere Existenz mit dem Ursprung des Kosmos zusammenhängt. Planeten und Leben könnten früher entstanden sein als gedacht.
Die älteste jemals entdeckte Galaxie am Nachthimmel könnte uns neue Hinweise geben, woher wir kommen. Das berichtet ein internationales Forschungsteam anhand von Daten des James-Webb-Teleskops, das nach sehr alten Himmelsobjekten im Kosmos sucht.
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Die Galaxie mit den Katalognamen JADES-GS-z14-0 ist die älteste Formation, die bisher entdeckt wurde. Sie ist bereits 290 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden. Gemessen am Alter des Universums von 13,8 Milliarden Jahren hat sie sich zu einem Zeitpunkt gebildet, als dieses nur zwei Prozent seiner jetzigen Lebensdauer erreicht hatte, also quasi ein Kleinkind war.
JADES-GS-z14-0 war schon früh ungewöhnlich weit. Die dynamische Ansammlung von Sternen ist mit einem Durchmesser von rund 1.600 Lichtjahren erstaunlich groß und leuchtet heller als andere Himmelsobjekte im jungen Universum.
Jagd nach den ältesten Himmelsobjekten
Warum ist das wichtig? Erstens werfe die Entdeckung die Frage auf, „wie die Natur in weniger als 300 Millionen Jahren eine so helle, massive und große Galaxie erschaffen konnte“, berichtet Studienleiter Stefano Carniani vom Kavli-Institut für Kosmologie an der britischen Universität Cambridge. Zweitens „reihen diese Galaxien sich ein in eine kleine, aber in der Zahl wachsende Gruppe von Sternenansammlungen aus den ersten 500 Millionen Jahren der kosmischen Geschichte, deren chemische Spuren wir am Nachthimmel finden und analysieren können“, erklärt Ko-Autor Francesco D‘Eugenio in einer Mitteilung der Hochschule.
Das James-Webb-Teleskop (JWST) sucht nach Galaxien im frühesten Universum. „Schwach leuchtende Galaxien sind am weitesten entfernt und damit am ältesten. Ihr Licht ist am weitesten gereist, weil sie sich in einem expandierenden Universum von uns wegbewegen“, sagt Christiane Helling, Direktorin des Grazer Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die nicht an der Studie beteiligt war.
Erkenntnisse über unsere Geschichte
Der bisherige Rekordhalter − JADE-GS-z13-0 − ist laut der US-Weltraumbehörde NASA 13,4 Milliarden Jahre alt. Das Licht der nun beschriebenen Galaxie benötigte dagegen rund 13,5 Milliarden Jahre, um die Erde zu erreichen (siehe Infos und Quellen).
Die Jagd nach den ältesten Galaxien ist von dem Bestreben geleitet, mehr über unsere eigene Herkunft zu erfahren. „Wir gehen davon aus, dass das Universum 13,8 Milliarden Jahre alt ist, jedoch existieren wir als Menschen erst jetzt. Das heißt, wir müssen überlegen, wie die Materie, aus der wir heute bestehen, und wie die Prozesse, die dazu führten, dass wir hier sind, mit dem Ursprung des Universums zusammenhängen“, sagt Helling zur WZ. „Wenn es uns gelingt, Objekte zu beobachten, die ganz früh nach dem Urknall entstanden sind, bringt uns das zu den Anfängen zurück. Jenen Anfängen, die bestimmten, dass wir heute existieren, und die Aufschlüsse geben, wie und wann die Elemente entstanden sind, aus denen wir bestehen.“
Wie es dazu kam, dass wir existieren
Die älteste Galaxie JADES-GS-z14-0 enthält mehr Staub, aus dem sich in weiterer Folge Planeten zusammenballen können, als angenommen. „Planeten − und damit vielleicht auch Leben − könnten daher früher entstanden sein, als bisher gedacht“, stellt Helling in den Raum.
Astrophysiker:innen gehen davon aus, dass der Urknall, auch Big Bang genannt, vor fast 14 Milliarden Jahren dem Weltall den plötzlichen Startschuss gab (siehe Infos und Quellen). Direkt nach dem Urknall war das Universum unvorstellbar heiß. Zuerst entstanden winzige Elementarteilchen, kurz danach die ersten Bausteine von Atomkernen. Im Lauf der Zeit kühlte das All ab. Erst bei etwa 2.700 Grad Celsius formierten sich die ersten Wasserstoff-, Lithium- und Heliumatome. Nach 100 bis 200 Millionen Jahren bildeten sich erste Gaswolken und schließlich Sterne, aus denen sich andere Sterne bildeten. Nach und nach erzeugte dieser Prozess immer mehr schwere Elemente und damit Materie. Ohne diese Materiebildung könnten wir nicht existieren.
JADES-GS-z14-0 beweist laut den Forschenden, dass es massereiche Sterne früher gab als angenommen. „Das Besondere an dieser Galaxie ist, dass sie röter leuchtet als erwartet. Und das wiederum bedeutet, dass es in dieser Galaxie einen Materiekreislauf aus Sauerstoff und Wasserstoff gibt, in dem schon sehr früh mehrere Sternengenerationen geboren worden sind“, erklärt Helling.
Wie Planeten und Leben entstehen
Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass in der ältesten Galaxie bereits erdähnliche Planeten kreisten, auf denen sich tatsächlich Leben entwickelte, denn dafür war es viel zu heiß. Erdähnliche Planeten bestehen aus Gestein und formen sich durch ihre eigene Schwerkraft zu Kugeln. Damit auf ihnen Leben entstehen kann, muss es kühl genug sein für flüssiges Wasser. Dass JADES-GS-z14-0 schon Leben beherbergte, ist also unwahrscheinlich.
„Die Galaxie zeigt uns allerdings, dass es schwere Elemente und Materieansammlungen in Form von Staub früher gab als angenommen, woraus letztlich erdähnliche Planeten tatsächlich früher entstehen konnten und vielleicht auch Leben auf den Plan sprang. Sicherlich können wir sagen, dass die Entstehung von Planeten ein Stück weiter in die Vergangenheit hin zum frühen Universum gerückt ist“, sagt Helling.
Vorerst fehlt der Beweis
Ein Beweis für extraterrestrisches Leben wurde allerdings bisher noch nirgends gefunden. Offen ist auch, ob die Galaxie heute noch so existiert, wie JWST sie von seiner erdnahen Position aus beobachtet. Denn was wir heute sehen, ist wie JADES-GS-z14-0 vor 13,5 Milliarden Jahren aussah. So lang brauchte, wie bereits erwähnt, ihr Licht, um uns zu erreichen.
Auch auf der Erde dauerte es eine Weile bis zu den ersten Lebewesen. Unser Planet ist vor etwa 4,5 Milliarden Jahre entstanden: als heiße Kugel aus glühendem Gestein, umgeben von giftigen Gasen. Erst nach einer Abkühlung bildeten sich Meere, und in ihnen lebten vor etwa 3,8 Milliarden Jahren die ersten einzelligen Bakterien. Erst vor 550 Millionen Jahren entwickelte sich aus primitiven Lebensformen eine Artenvielfalt mehrzelligen Lebens.
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Infos und Quellen
Gesprächspartnerin
Christiane Helling ist Direktorin des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz, Professorin für Weltraumwissenschaften an der Technischen Universität Graz und Honorary Professor für Physics & Astronomy an der University of St. Andrews im schottischen Edinburgh.
Daten und Fakten
Klassifizierung von Galaxien: Die Namensgebung von JADES-GS-z14-0 entspricht einer Katalogisierung. Ein astronomischer Katalog ist ein Verzeichnis astronomischer Objekte mit gemeinsamen Eigenschaften, etwa Form, Zusammensetzung oder Entdeckungsmethode. Die morphologische Klassifizierung von Galaxien ist ein von Astronom:innen genutztes System, um Galaxien aufgrund ihres visuellen Erscheinungsbildes in Gruppen einzuteilen. Hierfür werden unterschiedliche Verfahren genutzt. Das Bekannteste ist die Hubble-Sequenz, die eine Einteilung in elliptische Galaxien, Spiralgalaxien und Balkenspiralgalaxien vornimmt.
Urknalltheorie: Die Naturwissenschaften bauen auf der Grundlage auf, dass ihre Gesetze sowohl für die Gegenwart auf der Erde als auch im gesamten Universum und für seine Entstehungsgeschichte gelten. Astrophysiker gehen davon aus, dass der Urknall, auch Big Bang genannt, vor fast 14 Milliarden Jahren dem Weltall den plötzlichen Startschuss gab. „Auf einmal explodierte die extrem dicht zusammengedrängte Materie und dehnte sich immer weiter aus, was sie auch heute tut“, erklärt der deutsche Physiker Mike Zeitz im Podcast detektor.fm des Fachmagazins Spektrum der Wissenschaft.
Mikrowellen-Hintergrundstrahlung: Beobachten lassen sich diese uralten Prozesse, indem gigantische Teleskope wie James Webb die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung am Nachthimmel unter die Lupe nehmen. Das im Dezember 2021 ins All gestartete High-Tech-Gerät sucht nach extrem langen Lichtwellen im Infrarot-Spektrum. In diesem für das freie Auge unsichtbaren Bereich leuchten die elektromagnetischen Wellen der Hintergrundstrahlung. Diese bildete sich, als sich unser Kosmos nach der monumentalen Anfangsexplosion abkühlte, und ist damit fast so alt wie das Universum. Seitdem es sie gibt, leuchtet der Kosmos. Ohne sie könnten wir nicht existieren, aber wir können auch nicht weiter in der Zeit zurückblicken. Was vor dem Urknall war, ist daher nur anhand von Simulationen und Berechnungen erforschbar. Weitere Details auf Planet Wissen von SWR/WDR.
Quellen
Preprint-Studie „A shining cosmic dawn“, die noch nicht von externen Expert:innen begutachtet wurde, auf arXiv und Aussendung der Universität Cambridge.
Infos zum James-Webb-Teleskop auf der Homepage der NASA und zur Entdeckung der ältesten Galaxie: NASA’s James Webb Space Telescope Finds Most Distant Known Galaxy.
Planet Schule: Wie entstand das Leben?
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
BBC: James Webb: A $10bn machine in search of the end of darkness
Spektrum der Wissenschaft: Der frühe Kosmos im Labor
Spektrum der Wissenschaft: James Webb Space Telescope entdeckt bislang älteste Galaxie
Die Welt: Forscher entdecken die bislang älteste Galaxie
Der Standard: Webb-Teleskop findet älteste Galaxie