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Was macht eigentlich ein:e Bundesgeschäftsführer:in?

7 Min
Meist sind Generalsekretär:innen das Sprachrohr der Partei und treten in der Öffentlichkeit auf, die Bundesgeschäftsführer:innen wirken eher nach innen.
© Illustration: WZ

Parteichef:innen stehen an der Spitze ihrer Parteien. Die eigentlichen Manager:innen der Parteien sind die Bundesgeschäftsführer:innen und Generalsekretär:innen. Und sie haben eine tragende Rolle im Wahlkampf.


In Zeiten von Facebook, X und Co. wirkt der OTS-Dienst der österreichischen Nachrichtenagentur APA ein bisschen wie ein aus der Zeit gefallenes Relikt: Hier kann jeder gegen Bezahlung seine Pressemeldungen verbreiten. In der politischen Auseinandersetzung sind OTS aber immer noch eine harte Währung und fixer Bestandteil der Kommunikation. Deshalb lohnt es sich, die Frage, wer in einer Partei eigentlich das Sagen hat, in der (für jeden frei zugänglichen) OTS-Suche zu recherchieren.

In den ersten drei Juni-Wochen finden sich satte 17 Aussendungen von Christian Stocker, seines Zeichens VP-Generalsekretär. Oder elf Aussendungen eines gewissen Klaus Seltenheim. Er ist einer von zwei Bundesgeschäftsführer:innen der SPÖ, Sandra Breiteneder ist die zweite. Auch Grüne, Neos und die FPÖ haben wahlweise Bundesgeschäftsführer:innen, Generalsekretär:innen oder beides – das hängt von den selbst gegebenen Parteistatuten ab. Sie alle werden in den jeweiligen Parteigremien vorgeschlagen und gewählt. Manche haben, wie Stocker oder die beiden FP-Generalsekretäre Christian Hafenecker und Michael Schnedlitz, als Nationalratsabgeordnete auch eine politische Funktion, andere, wie aktuell die beiden SPÖ-Vertreter:innen, nicht.

Das hohe Mitteilungsbedürfnis zeigt: Der Posten spielt im politischen Geschäft eine wichtige Rolle. Welche genau, hat die WZ näher mit Stocker und Breiteneder besprochen. Die konkrete Aufgabenverteilung ist je nach Partei unterschiedlich, die Grundlagen des Jobs sind hingegen bei allen gleich.

Das Aufgabengebiet

Während Parteichef:innen die in ihrer Partei gewählten Außenvertreter:innen sind, die Linie vorgeben und gegeben falls auch politische Ämter übernehmen, halten ihnen die Bundesgeschäftsführer:innen und Generalsekretär:innen im operativen Tagesgeschäft der Partei den Rücken frei. „Der Generalsekretär ist der verlängerte Arm des Bundesparteiobmanns in der Organisation der Bundespartei“, fasst Stocker zusammen. Breiteneder spricht von einer „Managementrolle“. Während Unternehmensmanager:innen eine Doppelfunktion hätten, und das Unternehmen sowohl nach außen vertreten als auch operativ führen, teilt sich diese Rolle in der SPÖ – und analog auch bei den anderen Parteien − auf Parteivorsitzenden und Bundesgeschäftsführung auf.

Die Parteizentralen sind dabei ein mehr oder weniger großer Apparat – in der SP-Zentrale etwa arbeiten rund 100, bei der ÖVP rund 50 Mitarbeiter:innen – mit mehreren Abteilungen und Abteilungsleiter:innen. Von Organisation (von Wahlkämpfen bis zu Parteitagen), Parteistatuten, strategischen und inhaltlichen Ausrichtungen und, nicht zu vergessen, dem Budget einer Partei, fällt alles in den Aufgabenbereich der Parteizentralen – an deren Spitze eben die Bundesgeschäftsführer:innen und/oder Generalsekretär:innen stehen. „Ich bin der Chef der Parteizentrale“, sagt Stocker, neben ihm gibt es aber auch in der ÖVP einen Bundesgeschäftsführer, Alexander Pröll, Sohn des einstigen VP-Chefs und Vizekanzlers Josef Pröll. „Bei uns ist der Bundesgeschäftsführer eine Unterstützung für den Generalsekretär in organisatorischer Hinsicht“, erklärt Stocker. Prölls wichtigstes Aufgabengebiet ist das Budget. Dieses setzt sich bei Parteien im Wesentlichen aus Mitteln der Parteienfinanzierung, Mitgliedsbeiträgen und Spenden zusammen. Im Wahlkampf ist die Budgetkontrolle besonders wichtig, da es gilt, bei allen Ausgaben die Wahlkampfkostenobergrenze nicht zu überschreiten – was in der ÖVP mit ihren vielen Teilorganisationen besonders schwierig ist.

Mal vor, mal hinter den Kulissen

Auch in der SPÖ gibt es zwischen den beiden Bundesgeschäftsführer:innen eine klare Aufgabenverteilung. Seltenheim ist der Mann für die Zahlen und den Außenauftritt. Wie bei Stocker bedeutet dies, dass er derjenige ist, der aktuelle politische Entwicklungen kommentiert, einordnet und die Sichtweise der SPÖ darlegt – via OTS, aber selbstverständlich auch in den sozialen Medien oder Interviews. Und in der Regel sind es die Bundesgeschäftsführer:innen und Generalsekretär:innen, die an Wahltagen als erstes vor die Medien treten.

Während Stocker in der ÖVP neben der Außenvertretung auch für programmatische Belange und somit interne Parteiarbeit zuständig ist, übernimmt in der SPÖ Breiteneder die nach innen gerichtete Rolle: Sie hält Kontakt zu Funktionär:innen auf allen Ebenen, orchestriert die parteiinternen thematischen Arbeits- und Expert:innengruppen. Die Bildungsgruppe war Mitte Juni im Finale, ihre Ideen wurden bereits Parteichef Andreas Babler präsentiert, rechtzeitig vor dem Intensiv-Wahlkampf und entsprechend dem neuen roten Motto soll daraus das „Herz und Hirn-Bildungsprogramm“ entstehen, sagt Breiteneder.

Stocker war zuletzt federführend bei der Entstehung des schwarzen „Österreichplans“. Er erklärt den Weg zum fertigen Papier so: „Die Vorgabe kommt vom Bundesparteiobmann, der auch inhaltlich grob umrissen die Themenfelder festlegt. Aufgabe des Generalsekretärs ist dann die Einbindung der Länder- und Teilorganisationen, Stakeholder und Experten und Expertinnen. Deren Ideen werden geclustert, zugespitzt entsprechend der Vorgaben, dann erst von mir final abgestimmt, bevor der Bundesparteiobmann es abnimmt, danach geht es in den Parteivorstand“.

Ähnlich wie über diesen Prozess entsteht ein Wahlprogramm für die Nationalratswahlen im Herbst, an dem in allen Parteien bereits gearbeitet wird. Apropos Wahl: In der SPÖ sind Breiteneder und Seltenheim auch Wahlkampfmanager:innen für die kommende Nationalratswahl. In der ÖVP übernimmt die Rolle Bernhard Ebner, Direktor für Organisation und Kampagnen, in enger Abstimmung mit Stocker. Von handwerklichen und formalen Aufgaben wie der Planung von Werbemitteln über die Abstimmung und rechtzeitige Einreichung der Wahllisten und Kampagnenbuchungen sind sie für alle Aspekte des Wahlkampfs verantwortlich – und haben dafür in den Parteizentralen meist erfahrene Mitarbeiter:innen. Dabei beeinflussen die Bundesgeschäftsführer:innen und Generalsekretär:innen das Geschehen vor allem über die strategische Planung: Wann wird welche Botschaft platziert, wo tritt der Parteichef oder die Parteichefin auf. Nicht zu vergessen ist die Motivation der Funktionär:innen. „Wir versuchen derzeit, alle Bezirksparteivorsitzenden zu besuchen“, sagt Breiteneder, „unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass alle ein gemeinsames Narrativ haben.“ Stocker hat im Juni eine Österreich-Tour mit Nehammer begonnen.

Schnelllebiger Alltag

Routinen gibt es in der Funktion, abseits von diversen wöchentlichen Jour fixe (etwa mit der Parteispitze und Vertreter:innen des eigenen Parlamentsklubs) wenige. „Das einzig Typische an einer Arbeitswoche ist, dass der Tag 15 Stunden hat“, sagt Stocker. Als Grundvoraussetzung für den Job nennt er „gute Nerven“. Was auch Breitenenders Jobdescription bestätigt: „Es ist auch ein bisschen eine undankbare Rolle, wo man viele Interessen ausgleichen und sehr viel vermitteln muss. Aber wo man auch schöne Erfolge haben kann, wie bei der von uns vorbereiteten Herz-und-Hirn-Rede für den Parteirat im April.“ Glaubt man Breitender, ist der Slogan SP-Funktionär:innen in Fleisch und Blut übergegangen.

Eines hat sich seit der Nachkriegszeit, als die roten Parteigeschäftsführer noch Zentralsekretäre hießen, stark verändert: die Amtszeiten zumindest jener Geschäftsführer:innen und Generalsekretär:innen, die nach außen wirken. Breiteneder und Seltenheim sind in der SPÖ, seit Brigitte Ederer 1997 abgetreten ist, die bereits 21. Bundesgeschäftsführer:innen. Und Stocker, der vor knapp zwei Jahren übernommen hat, berichtet, zu seinem Amtsantritt alle früheren noch lebenden VP-Generalsekretär:innen eingeladen zu haben. „13, 14 sind auch gekommen, allein das zeigt, dass das kein Job ist, den man in der Jugend antritt und dann dort in Pension geht. Und auch die Tatsache, dass alle Vorgänger und Vorgängerinnen erzählt haben, auch so ein Treffen gemacht zu haben – und ein zweites nicht mehr zustande kam.“ Beziehungsweise waren sie dort dann schon wieder nur noch als Gast. Man wird sehen, wer nach der Nationalratswahl am 29. September noch in den Parteizentralen im Sattel sitzt.

In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.


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Infos und Quellen

Über die Autorin

Jasmin Bürger blickt auf fast zwei Jahrzehnte Erfahrung als Innenpolitik-Redakteurin zurück. Sie kennt die politischen Verhältnisse, Österreichs demokratisches System und die Besonderheiten der heimischen Politik bestens. In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt sie als freie Journalistin für die WZ alle 14 Tage die Schaltstellen der Republik. Ämter, Funktionen, Personen und auch Dinge, die in und abseits der öffentlichen Wahrnehmung eine Rolle im politischen System spielen, werden darin vorgestellt.

Gesprächspartner:innen

  • Sandra Breiteneder, SP-Bundesgeschäftsführerin

  • Christian Stocker, VP-Generalsekretär

Daten und Fakten

  • Die Bundesgeschäftsführer:innen und Generalsekretär:innen werden von den jeweiligen Parteichef:innen vorgeschlagen und in den entsprechenden Parteigremien, meist dem Vorstand, gewählt. Sie leiten grob gesagt die Parteizentralen. Welche Aufgaben sie konkret haben und wie diese verteilt sind, wenn es mehrere Funktionsträger:innen gibt, wird in den Parteistatuten festgelegt. Meist sind Generalsekretär:innen das Sprachrohr der Partei und treten in der Öffentlichkeit auf, die Bundesgeschäftsführer:innen wirken eher nach innen. Das SP-Statut kennt die Bezeichnung „Generalsekretär:in“ nicht, hier sind zurzeit zwei Bundesgeschäftsführer tätig, in der Regel gibt es eine:n.

Ein Überblick über die aktuellen Bundesgeschäftsführer:innen und Generalsekretär:innen:

  • ÖVP

    Generalsekretär und Nationalratsabgeordneter Christian Stocker, Bundesgeschäftsführer Alexander Pröll

  • SPÖ

    Bundesgeschäftsführer sind Sandra Breiteneder und Klaus Seltenheim

  • FPÖ

    Generalsekretäre sind die Nationalratsabgeordneten Christian Hafenecker und Michael Schnedlitz, Bundesgeschäftsführer sind Hans Weixelbaum und Johannes Stampfer

  • GRÜNE

    Generalsekretärin und Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer, Bundesgeschäftsführerin Angela Stoytchev

  • NEOS

    Generalsekretär und Nationalratsabgeordneter Douglas Hoyos, Bundesgeschäftsführerin Claudia Jäger

Quellen